Wichtige Themen mit Forumtheater angegangen

Jugendliche stellten eine Vorführung über Drogenkonsum vor

„New Heaven“ – die Forumtheater-Inszenierung wurde von Schülern für Schüler aufgeführt.

Fünf Jugendliche schlüpften in die Haut der Hauptgestalten. Das Publikum durfte mitmachen.

In einer Halle der ehemaligen Temeswarer Hutfabrik wird seit wenigen Jahren Forumtheater unter dem Namen „Basca“ ausgeübt.

Fünf Schüler aus fünf verschiedenen Temeswarer Lyzeen, eine Inszenierung, sechs Vorführungen – so ist „New Heaven“ / „Neuer Himmel“ im November in Temeswar/Timișoara abgelaufen. Die Forumtheater-Vorführung handelt vom Drogenkonsum unter Jugendlichen, lässt aber auch Ängste, Gedanken, Freundschaft und Vertrauen in den Vordergrund rücken. Die Show mit Jugendlichen ist für Jugendlichen gedacht. Dazu waren auch alle Zuschauer eingeladen, die Handlung zu verändern und ihre Stimme zum Ausdruck zu bringen.  

 

Kurz nach Mittag am Emanoil-Ungureanu-Lyzeum Temeswar. Im Hof wird Fußball gespielt und die Schüler freuen sich noch über ihre Pause. Im Festsaal des Lyzeums bereiten sich fünf junge Schauspieler auf ihre erste Show in einer der Temeswarer Schulen vor. „New Heaven“ heißt die Forumtheater-Inszenierung, die heute ein wichtiges Thema unter Jugendlichen anspricht: der Dogenkonsum.

Alexandru Ardelean (17), Ioana Mărăscu (16), Oana Silaghi (16), Karla Malicki (16) und Delia Faur (16) sind SchülerInnen des Emanoil-Ungureanu- und des Carmen-Sylva-Lyzeums, des Banater Kollegs, des Grigore-Moisil- und des C.D. Loga-Lyzeums in Temeswar. Heute schlüpfen sie aber in die Haut der Hauptgestalten: Cristi, Eva, Dalia, Andreea und Rebecca (in der ersten Szene) und Șarpe, Magda, Ana, Sofia und Ruxi (in der zweiten Szene). Ana-Maria Ursu und Victor Dragoș, die Koordinatoren der jungen Schauspieler, geben die letzten Hinweise.

Es klingelt! Im Festsaal versammeln sich, der Reihe nach, Schüler aus verschiedenen Klassen. Sie füllen den Saal. Victor Dragoș, Schauspieler; Regisseur und Koordinator des Basca-Theaters, erklärt den Zuschauern die Regeln des Forumtheaters: „Durch eine Reihe von Spielen werden euch heute zwei Szenen vorgestellt. Es geht um Drogen. Ihr, als  Publikum, seid dabei eingeladen, mitzumachen, Ideen auszudrücken und die Handlung zu verändern. Die Szenen werden immer wieder nachgeholt und neuinterpretiert. Alle Lösungen und Ideen besprechen wird dann gemeinsam hier im Raum. Ziel ist, einen möglichst besseren Schluss für die Handlung zu finden. Somit könnt ihr uns jederzeit unterbrechen. Hebt einfach die Hand und sagt ´Stop!´”.

Dann heißt es „Action!“. Die jungen Darsteller beginnen ihre Vorstellung. Die erste Szene: Die Jugendlichen sind auf einer Überraschungsparty. Hier werden Drogen und Alkohol konsumiert. Die Lage gerät außer Hand. Die zweite Szene: Die Jugendlichen verbringen einen Abend in einem Club. Einem der Mädchen werden heimlich Drogen ins Getränk zugefügt. Auch hier gerät die Lage außer Kontrolle. Immer wieder heben Zuschauer im Saal ihre Hand. Sie sagen ihre Meinung zur Handlung und können durch eine hinzugefügte Gestalt oder Situation den Ablauf der Handlung ändern. Eine Stunde später können schon mehrere Situationen vorgestellt werden. Die Schlussfolgerung bleibt offen.

„Die Idee hinter der Inszenierung war, eine Show über Drogen und nicht gegen Drogen entstehen zu lassen. Wir wollten den perfekten Hintergrund für Schüler schaffen, damit sie sich wohl fühlen und offen über dieses Thema reden können. Wir wollten direkt von den Schülern erfahren, was sie von diesem Thema halten und welche Lösungen sie finden würden, ohne dass wir uns in eine Autorität umwandeln und sie kritisch verurteilen“, erzählt der Koordinator der jungen Schauspieler, Victor Dragoș.

„Wir haben die Show in wenigen Wochen vorbereitet. Dabei haben wird Geschichten und Erlebnisse gesammelt. Details und mögliche Situationen wie Puzzleteile zusammengestellt. So ist unsere Vorstellung entstanden“, sagt Ioana M²r²scu. „Ich bin noch nie mit Drogen in Verbindung gekommen. Nicht einmal Freunde von mir haben sie verbraucht. So war ich von manchen Erzählungen und Erlebnissen von Menschen überrascht. Vieles erschien mir unmöglich. Es war uns also wichtig, dass wir alle die Risiken und Effekte des Drogenkonsums kennenlernen, damit wir diese durch unsere Inszenierung weitervermitteln können“, sagt Karla Malicki.

Die „New Heaven“-Vorstellung war ein Projekt des Solidart-Vereins, entstanden auf Initiative der Temescher Kreisdirektion für Sport und Jugendlichen innerhalb ihres Anti-Drogen-Programms. Da die fünf Schüler aus fünf verschiedenen Temeswarer Lyzeen kommen, kam schnell auch die Idee auf, die Vorführung in den jeweiligen Lyzeen zu präsentieren und dabei das Thema mit ihren Kollegen und Professoren anzugehen. Das Ziel des Projekts wurde erreicht, sagt die Schauspielerin und Koordinatorin der Gruppe, Ana-Maria Ursu: „Wir sind der Meinung, dass ein Dialog mit den Jugendlichen zu dieser Problematik besser geeignet ist, ohne dabei Strafen oder Vorurteile anzuwenden. Das Forumtheater bietet genau diese Gelegenheit, ein Umfeld für eine demokratische Debatte, und stellt nicht nur eine Rede dar, sondern auch eine klare Tätigkeit. Letztendlich wurde unsere Show über Drogen zu einer Show über Freundschaft, Vertrauen, Mut und Erscheinungen“.  

Der Verein Solidart wurde 2017 ins Leben gerufen, jedoch ist der Verein schon seit mehreren Jahren tätig. Das Ziel ist, einen konstruktiven Dialog unter Menschen zu schaffen und dabei zu einer solidarischen Gemeinschaft beizutragen. „Wir nehmen uns immer wieder vor, aktiv im Alltag zu werden und dabei künstlerische, kulturelle, soziale und erzieherische Projekte in die Wege zu leiten, die den schutzbedürftigen Menschen eine Stimme geben und gleichzeitig auch das Vertrauen, dass diese Stimme auch gehört wird. Dabei haben wir bisher zahlreiche Projekte wie Theater- und Dokumentarfilmvorführungen und Konzerte organisiert”, sagt Victor Dragoș, Mitbegründer des Vereins. 

Teil von Solidart sind Theaterkünstler, darunter Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen und Autoren. Die Schauspielerin Ana-Maria Ursu ist eine der Koordinatoren der Gruppe. Ihre Erfahrung geht über das Schauspiel hinaus, sie hat Regie für unabhängige Theatervorführungen geführt und Schauspielworkshops koordiniert. Victor Dragoș hat sich 2015 im Forumtheater fortgebildet. In der Zwischenzeit wurde er zum Mitbegründer der Babel-Schule und des Basca-Theaters in Temeswar und rief auch das Temeswarer Refugee Art Festival (TRAF) ins Leben.

Die erste Auflage dieses Festivals wurde 2017 ausgetragen. „Bei der zweiten Auflage 2018 haben wir verstanden, dass wir den falschen Namen für unser Festival ausgesucht haben. Viele unserer Mitarbeiter sind Flüchtlinge und sie haben diesen Stempel bereits satt. Sie wollen einfache Menschen sein. So haben wir verstanden, dass gerade dies die Idee hinter diesem Festival ist. Wir wollen auf Werte und Prinzipien bauen, nicht auf den rechtlichen Status einiger Menschen und auf das, was sie in ihrem Pass geschrieben steht. So werden wir 2019 das neue Invizibil-Festival organisieren. Dieses wird das Konzept von TRAF weiterführen und offen für alle benachteiligte Menschenkategorien sein“, erzählt Victor Dragoș. 

Das Thema der ersten Auflage des Invizibil-Festivals ist „Utopie“. „Ich hoffe, dass wir damit beweisen können, dass diese Utopie, auch nur für einige Tage, für eine Gruppe von Menschen und in einem begrenzten Rahmen möglich sein kann“, setzt Victor Dragoș fort.

Basca – der Ort, wo Forumtheater in Temeswar ausgeübt wird, ist eigentlich eine  Halle von knapp über 100 Quadratmetern. Der Raum gehörte einst der ehemaligen Temeswarer Hutfabrik Paltim. Daher auch der Name `Basca`“, erklärt Victor Dragoș. Details dazu kann man von der Webseite http://basca.tm.ro/ abrufen.

 

Das Forumtheater bietet die Möglichkeit, auf spielerische Art und Weise Konflikte, wie unter anderen Mobbing, Gewalt und Drogenkonsum, die den privaten, schulischen der beruflichen Alltag von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen betreffen, aufzugreifen. Es ist eine Form des interaktiven Theaters, das als Ziel hat, Theater für alle erreichbar zu machen. Dies ist auch eine Technik, bei der die inszenierten Stücke auf persönliche Situationen und Erfahrungen der Schauspieler/-innen basieren. Von ihnen wird eine Frage bezüglich einer aktuellen Problemstellung an die Zuschauer gestellt. In einer zweiten Phase wird das Publikum durch den/die ModeratorIn eingeladen, in Szene zu treten, den Unterdrückten zu ersetzen und handelnd (improvisierend) nach Alternativen und Lösungen zu der aufgeführten Problemstellung zu suchen. Die Zuschauenden greifen also aktiv in die Szene ein, improvisieren in der Rolle der unterdrückten Person mit den SchauspielerInnen auf der Bühne und zeigen, wie in der entsprechenden Konfliktsituation anders reagiert werden könnte. Unter Mitwirkung der Zuschauenden entsteht ein „neues“ Theaterstück, welches mit Phantasie und Kreativität Lösungswege sichtbar werden lässt. Dabei geht es nicht darum, die richtige Lösung zu finden, sondern in den Köpfen der Zuschauenden und SchauspielerInnen die Erkenntnis wachsen zu lassen, dass es meist verschiedene Wege gibt, mit Konflikten umzugehen. Forumtheater wurde in den 60er Jahren vom Brasilianer Augusto Boal als politisches Theater entwickelt. Heute wird es in mehr als 70 Ländern angewandt.