Wir gehören dazu – Dank und Verpflichtung

Bericht über den verregneten, jedoch gelungenen Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl

Aus Tradition und Liebe zum Tanz – der Aufmarsch der Volkstanzgruppen

Die Umzugsteilnehmer versteckten die wertvollen Trachten vor dem Regen.

Der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Dr. Paul-Jürgen Porr, überreichte die Honterus-Medaille an Barbara Stamm, die Präsidentin des bayerischen Landtags. Stamm wurde für ihren Einsatz geehrt, den sie seit der Wende für eine Verbesserung der Verhältnisse in Rumänien und insbesondere in Siebenbürgen und im sozialen Bereich erbracht hat. Die Laudatio für die Preisträgerin hielt der Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius (r.).
Foto: Andrey Kolobov

Der Heimattag der Siebenbürger Sachsen fand, wie gewohnt, am Pfingstwochenende, vom 18. bis zum 20. Mai, in Dinkelsbühl (Bayern) statt. Die diesjährige Veranstaltung, die unter dem Motto „Wir gehören dazu – Dank und Verpflichtung“ stand, machte nach Meinung der Organisatoren die mittelfränkische Stadt zum „Nabel der siebenbürgisch-sächsischen Welt“.

Der Heimattag in Dinkelsbühl versammelte nicht nur rund 2000 Teilnehmer und 20.000 Gäste von nah und fern, sondern auch wichtige Vertreter der deutschen und rumänischen Politszene. Der Bayerische Ministerpräsident, Horst Seehofer, sowie der rumänische Außenminister Titus Corlăţean sprachen bei der Festkundgebung am Pfingstsonntag zu einem zahlreichen Publikum. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm, bewies zum wiederholten Mal ihre Verbundenheit mit den Siebenbürger Sachsen und Rumänien: Sie wohnte dem Heimattag nicht nur bei, sondern wurde mit der Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums ausgezeichnet. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, richtete ein Grußwort an die Teilnehmer des Heimattags, welcher „von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt“. Zu den Hauptrednern der Eröffnungsveranstaltung am Samstag, den 18. Mai, gehörte Zülfiye Kaykin, Staatssekretärin für Integration beim Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Land, das vor 56 Jahren zum Paten des Verbandes der Siebenbürger Sachsen geworden ist. Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung, vertrat das alte Heimatland. Die deutsche Bundesregierung wurde von Dr. Christoph Bergner, Mitglied des Bundestags und der Beauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten repräsentiert. Er nahm an der Podiumsdiskussion „60 Jahre Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz – Dank und Verpflichtung“ zusammen mit dem Bundesvorsitzenden des Verbandes, Dr. Bernd Fabritius, zum Abschluss des Heimattages am Pfingstmontag teil. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) wurde durch seinen Vorsitzenden, Dr. Paul-Jürgen Porr, vertreten.

Die feierliche Eröffnung des Heimattages fand am Samstag im Schrannen-Festsaal statt. In seinem Grußwort richtete Rainer Lehni, Vorsitzender der Landesgruppe Rheinland-Westfalen, die heuer Mitausrichter des Heimattages war, den Blick auf ein wichtiges Datum in der Beziehung zwischen der Bundesrepublik und den Siebenbürger Sachsen. Am 19. Mai jährte sich nämlich die Verabschiedung des Bundesvetriebenen- und Flüchtlingsgesetzes durch den deutschen Bundestag zum 60. Mal. „Dieses Gesetz steht für eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Seine Verabschiedung stellte Weichen für die Integration vieler Millionen Menschen und ermöglichte somit den Wiederaufbau unseres Landes“, zitierte Lehni den Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Die Siebenbürger Sachsen haben sich in Deutschland „vorbildlich eingelebt, ohne dabei die Herkunft und die Heimat zu vergessen“, stellte Lehni fest. Der Einsatz für die Gemeinschaft sei die Verpflichtung, der auch die junge Generation nachgehen muss. Das Thema wurde vom Dinkelsbühler Bürgermeister, Dr. Christoph Hammer, aufgegriffen. Er sah in dem Motto des diesjährigen Heimattages den „wohlwollenden Dank für die Hilfe, die Siebenbürger Sachsen durch das Gesetz und die Gesellschaft erfahren haben“. Der Dank sei jedoch mit der Verpflichtung verbunden, die sächsische Kultur als Teil der deutschen Kultur zu pflegen und zu fördern.

Das Thema Integration bestimmte auch die Rede von Staatssekretärin Zülfiye Kaykin, welche die Grüße der Regierung sowie der Ministerpräsidentin des Patenlandes Nordrhein-Westfalen überbracht hat. „Ich habe hohen Respekt vor den Menschen, die trotz allem Leid an der Einigung Europas und an der Aussöhnung ehemals verfeindeter Nationen mitgewirkt haben. Sie haben erreicht, dass aus Nachbarn Partner, aus Partnern Verbündete und sogar Freunde werden“, sagte Kaykin. Die Geschichte der Siebenbürger-Sachsen lehre uns, dass Zukunft nur miteinander und nie durch Ausgrenzung oder Gegeneinander gestaltet werden kann, schlussfolgerte sie. Die Integrationsfähigkeit der Siebenbürger Sachsen unterstrich in seinem Grußwort der Vorsitzende des DFDR, Dr. Paul-Jürgen Porr: „Ob in Deutschland, Kanada oder den Vereinigten Staaten haben sie sich perfekt integriert und sind zu loyalen Bürgern ihrer neuen Heimat geworden, ohne ihre Herkunft und Traditionen aufzugeben“.

Eine dieser Traditionen ist die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst. Die Predigt in der St.-Paulus-Kirche hielt der Bischofsvikar der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, Dr. Daniel Zikeli. Zum ersten Mal entschied man sich für einen Abendmahlsgottesdienst. Auch nach dem Gottesdienst waren die Kirchenbänke besetzt: Viele Menschen blieben, um der Verleihung der Honterus-Medaille, des Siebenbürgisch-Sächsischen Jugendpreises und des Kulturpreises beizuwohnen. Die zum ersten Mal beim Heimattag in Dinkelsbühl verliehene Honterus-Medaille ging an die Präsidentin des bayerischen Landtages, Barbara Stamm, für ihren langjährigen und unermüdlichen sozialen Einsatz in Siebenbürgen und anderen Teilen Rumäniens. Bernd Fabritius, der die Laudatio hielt, scherzte: „Barbara Stamm kommt nach Rumänien nicht als Staatsgast, sondern als Gastarbeiterin“. Der siebenbürgische Reformator wäre stolz auf Stamm gewesen, da sie „die soziale Reformation in Rumänien eingeleitet hat“, meinte Fabritius. Die Medaille wurde vom DFDR-Vorsitzenden Dr. Porr überreicht. „Ich habe mein Herz in Siebenbürgen verloren. Dasselbe gilt aber auch für das Banat“, erklärte Stamm in ihrem Dankeswort. Der Jugendpreis, der heuer zum 20. Mal verliehen wurde, ging an den Pfarrer Wolfgang Rehner für „stetige Leistungen im Dienste der siebenbürgisch-sächsischen Jugendarbeit“. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis wurden die gebürtigen Hermannstädter Heinz Acker und Franz Hodjak geehrt.

Der Auftritt der zahlreichen Volkstanzgruppen vor der Schranne dauerte zwar gute drei Stunden, jedoch lichteten sich die Zuschauerreihen nicht. Bei strahlender Sonne und leichtem Wind war es ein Vergnügen, den Darbietungen der jungen und junggebliebenen Tänzer zuzusehen. Wie groß die Anzahl der Tänzer war, zeigte der gemeinsame Aufmarsch zum Abschluss der Tanzveranstaltung. Was als leichte Brise begann, entwickelte sich zu einem ausgewachsenen Sturm, der zwar die Regenwolken brachte, sich aber bald wieder legte. Immer mehr Menschen sahen besorgt gen Himmel. Beim Festumzug hatten beinahe alle Teilnehmer ein zusätzliches Accessoire – einen Regenschirm.
Seit 1951 organisiert der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland den Heimattag in Dinkelsbühl als ein „sichtbares Zeichen der siebenbürgisch-sächsichen Gemeinschaft“. Seinen Höhepunkt stellt zweifelsohne der Trachtenumzug mit anschließender Kundgebung vor der Schranne am Pfingstsonntag dar. Heuer beteiligten sich daran 94 Gruppen, darunter als Gäste die Tanzgruppe „Regenbogen“ aus Bistritz/Bistriţa sowie die Kinder- und Volkstanzgruppen aus Wels (Österreich). Selbstverständlich marschierten auch die Landesgruppen Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg sowie die Regionalgruppen Repser Umgebung, Burzenland, Nordsiebenbürgen, Schäßburger Land, Harbachtal und Großschenker Raum, Zwischenkokelgebiet, Hermannstadt und Umgebung, Mediasch und schließlich Unterwald mit. Die Vielfalt und die Farbenpracht der Trachten wurden von den unzähligen Zuschauern mit Begeisterung aufgenommen. Für die musikalische Begleitung des Umzugs sorgten acht Blaskapellen sowie die Dinkelsbühler Knabenkapelle, deren junge Mitglieder den Festzug anführten.

Das „gute“ Wetter reichte gerade für einen Durchgang des Festzuges. Als die ersten Gruppen zum zweiten Mal den Platz vor der Schranne erreicht hatten, kam der Regen. Die Festredner sowie die Gäste der Kundgebung versteckten sich unter den Regenschirmen und -umhängen. Der Verbandsvorsitzende Dr. Fabritius kürzte seine Rede um einige Seiten. Abschließend sprach er drei Wünsche aus, die er der Europarede des Bundespräsidenten Joachim Gauck entnahm und dem Motto des Heimattages entsprechend verändert hatte. Erstens rief er die Zuhörer dazu auf, nicht gleichgültig zur eigenen, sächsischen kulturellen Identität zu sein: Man solle zwar dazu gehören, darf sich jedoch nicht assimilieren lassen. Zweiter Wunsch lautete: „Sei nicht bequem!“. Bei den letzten Wahlen in Rumänien sei die Stimmenanzahl aus Deutschland für „unsere Landsleute“ ernüchternd gewesen. „Ich rufe Sie dazu auf, überwinden Sie die Gleichgültigkeit und unterstützen Sie unsere Landsleute bei kommenden Wahlen in Rumänien“, sagte Fabritius. Gleichzeitig ermutigte er die in der Bundesrepublik lebenden Siebenbürger Sachsen, Banater und Sathmarschwaben, Bergland- und Dobrudscha-Deutsche aktiv an der politischen Bühne in Deutschland zu wirken: „Im Bundestag oder in einem der deutschen Landtage ist kein einziger von uns vertreten! Dieses zu ändern, liegt an uns!“. Schließlich sollen die Siebenbürger Sachsen ihre eigene „Gestaltungskraft“ erkennen: „Mitmachen und Mitgestalten schafft Zugehörigkeit. Daraus wächst Identität“, schloss Fabritius.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer beherzigte angesichts des sich verstärkenden Regens die Worte Martin Luthers: „Tritt fest auf, mach´s Maul auf, hör bald auf“. Er zählte die Siebenbürger Sachsen zu den „Stämmen Bayerns“ und würdigte ihren Einsatz beim Aufbau des Landes: „Bayern wäre nicht das Land, das es heute ist, ohne Siebenbürger Sachsen und ohne Heimatvertriebene“, sagte Seehofer. In der Anwesenheit des rumänischen Außenministers sah er „ein Beispiel für europäische Verbundenheit, Dialog, Freundschaft und Partnerschaft“.
Neben den Hauptveranstaltungen des Heimattages gab es auch ein reichhaltiges Programm für Kinder und Jugendliche, darunter Nachwuchsshow, Sportturniere, Puppentheatervorführung oder Live-Musik. Die Blaskapellen spielten unter freiem Himmel. Es wurden Vorträge gehalten, Lesungen durchgeführt. Während der Dauer des Heimattages fanden mehrere Ausstellungen statt. Darunter jene mit den Fotografien aus dem Nachlass der Gebrüder Fischer unter dem Motto „Jenseits des Verschwindens“. Bei der Finissage fasste Pfarrer Stefan Cosoroab², Referent für institutionelle Kooperation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, den Grundgedanken der Ausstellung zusammen: „In Siebenbürgen brauchen wir Menschen, die zum Erhalten von Kultur und Gemeinschaft beitragen: Solche Menschen, wie die Gebrüder Fischer, die von Fremden zu Nachbarn, von Nachbarn zu Mitläufern und schließlich zu den Trägern der Gemeinschaft geworden sind.“