„Wir nehmen uns vor, die Hundertjahrfeier des Banats in den Vordergrund zu rücken“

ADZ-Gespräch mit Ilie Sîrbu, dem Vorsitzenden des Vereins „Salvați Patrimoniul Timișoarei“

Ilie Sîrbu bei seiner Buchvorstellung 2018 „Poveste din Timișoara”.
Foto: Valentina Sarosi

In Temeswar gibt es immer noch keine klare Regelung im Bezug auf eine korrekte Altbausanierung. Im Bild: die Csermak-Zwillingsgebäude in der Josefstadt/Iosefin.
Foto: Zoltán Pázmány

Seit knapp fünf Jahren setzt sich ein Verein für den Erhalt und die Wertschätzung des bebauten Erbes von Temeswar/Timișoara ein. „Salvați Patrimoniul Timișoarei“ (zu Deutsch: „Rettet das Temeswarer Stadterbe“) hat ein offenes Auge für Altbauten und deren Sanierungen und initiiert Debatten zu verschiedenen umstrittenen Projekten. Im Laufe der Zeit hat der Verein Werkstätten zur fachgerechten Altbausanierung organisiert, ein Beratungsbüro zu dieser Thematik eröffnet und versucht, Kindern die Temeswarer Geschichte, anders als diese in den Geschichtsbüchern erzählt wird, nämlich durch Kunstwerkstätten näherzubringen. Auf seiner Webseite salvatipatrimoniultimisoarei.ro und auf dem eigenen Youtube-Videokanal werden kurze Dokumentarfilme über die Geschichte von Temeswar vorgestellt. Auch Verstöße gegen das Temeswarer Erbgut werden auf diese Art und Weise bekannt gemacht. Ilie Sîrbu ist Vorsitzender des Vereins. Zusammen mit Architekten, Ingenieuren und anderen Temeswar-Begeisterten kämpft er unter anderem auch für die Rettung des Mühle-Hauses, für eine korrekte Altbausanierung und für den Erhalt der alten Straßen von Temeswar, die mit Kopfsteinpflaster versehen sind. ADZ-Redakteurin Andreea Oance hat mit Ilie Sîrbu ein Gespräch über die Tätigkeit des Vereins geführt.


Seit der Gründung des Vereins haben Sie zahlreiche Probleme bei der Sanierung vieler Altbauten in Temeswar beobachten können. Sie haben Debatten initiiert und Projekte angeregt. Welches sind die wichtigsten Errungenschaften des Vereins in all diesen Jahren?

Wir sind seit Ende März 2014 tätig. Seither haben wir alles getan, was in unserer Kraft lag, um das ererbte Baugut der Stadt zu beschützen. Wir haben zahlreiche Debatten in die Wege geleitet – eine dieser war zum Thema des Straßenringes I über den Opernplatz, gleich vor der Oper. Weitere Debatten haben wir zum Thema der gepflasterten Straßen von Temeswar und zum Mühle-Haus initiiert. Eine unserer Errungenschaften war das Projekt zur Aufbewahrung der Memoiren der Stadt Temeswar und des einstigen Banats durch eine Dokumentarfilmreihe, darunter entstand auch ein monografischer Film über das Hunyadi-Schloss und eines über den Beitrag des Banats zur Entstehung Großrumäniens: „Der Weg nach Karlsburg/Alba Iulia“.

Sie haben die Absicht der Kommunalverwaltung, die alten Straßen mit Kopfsteinpflaster in den historischen Stadtvierteln von Temeswar zu asphaltieren, erwähnt. In dieser Hinsicht hat der Verein die Stadt sogar vor Gericht zitiert. In erster Instanz hat der Verein den Prozess gewonnen, dann hat schließlich doch der Bürgermeister den Rechtsstreit für sich entschieden. Welches ist jetzt der Stand der Dinge?

Das Projekt stockt derzeit. Doch das passiert, wenn manche Abteilungen des Bürgermeisteramts nicht zusammenarbeiten. Die Machbarkeitsstudie für die Asphaltierung wurde ohne die Genehmigung des Amtes für Kultur und Kulturgut beantragt. Mal sehen, was letztendlich passieren wird. Weitere Probleme gibt es in der Elisabethstadt am Kreuzplatz. Gleich neben der Kirche soll ein hohes Wohnhaus entstehen, obwohl in der Gegend die meisten Häuser über Erdgeschoss und eine Etage verfügen. Die Einwohner aus der Nachbarschaft sind gegen das Projekt. Das Hochhaus mit Wohnungen und Handelsräumen soll auf dem Gelände der Glas- und Spiegelfabrik „Oglinda“ gebaut werden. Das Projekt stockt derzeit.

Im Laufe der Jahre haben Sie zahlreiche Informationsveranstaltungen über die richtige Sanierung von Altbauten organisiert. Wer waren die Teilnehmer – die Fachleute bzw. die Nutznießer dieser Ereignisse?


Im Jahr 2017 haben wir diese Werkstätten als eine dringende Notwendigkeit eingeführt. Wir haben Fachleute in diesem Bereich – von Architekten und Bauarbeitern bis zu Vertretern von Baufirmen und Experten in Altbausanierungen – zu Wort kommen lassen. Punktuell wurden die Schritte für eine richtige Sanierung betont. Eines der größten Probleme, mit denen sich die Einwohner aus Altbauten in Temeswar konfrontieren, ist, dass sie nicht genau wissen, an wen sie sich wenden können. Dafür sind wir da, um Schritte zu vermitteln. Der Hauptakteur bei diesen Werkstätten war Ingenieur Marius Dan Pascariu, der als Sanierungsfachman vom Kulturministerium genehmigt ist und der bereits bei der Sanierung zahlreicher Bauten in Hermannstadt/Sibiu, als sich die siebenbürgische Stadt für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 vorbereitete, mitgewirkt hat. Auch der Temeswarer Architekt Victor Popovici hat bei diesen Werkstätten wichtige Informationen für eine korrekte Sanierung vermittelt. Die Nutznießer waren sowohl Vertreter der Wohngemeinschaften, als auch natürliche Personen.

 

Inwiefern glauben Sie, dass diese Workshops den Leuten auch geholfen haben? Werden diese 2019 wieder aufgenommen?


Ja, wir wollen diese Werkstätten in diesem Jahr aufnehmen, vor allem, da ich glaube, dass die meisten Teilnehmer verstanden haben, womit sie bei einer Sanierung anfangen müssen. Welches die notwendigen Dokumente sind, die sie erhalten müssen, und an wen sie sich wenden sollen, um die richtigen Informationen für die Erstellung dieser Dokumentation vor der Umsetzung eines Sanierungsprojekts zu bekommen. Die Tatsache, dass wir mit den meisten von ihnen immer noch im Kontakt sind, ist ein Zeichen, dass wir bisher gute Arbeit geleistet haben.

 

Sie betonen immer wieder, dass das größte Problem in Temeswar das ist, dass es hier kein klares Inventar der Altbauten gibt.
Seit Jahren wird über rund 14.000 Altbauten in Temeswar gesprochen. Die genaue Anzahl steht aber nicht fest. Es mangelt an einer klaren Übersicht. Viele der Altbauten sind in den letzten Jahren verschwunden: Sie wurden abgerissen oder sind von selbst verfallen. Das Bürgermeisteramt möchte keine Lösungen in dieser Hinsicht finden. Eigentlich fehlt der Stadt eine Organisation im Allgemeinen. Seit Jahren wird auch über die Erstellung eines neuen Stadtordnungsplans (rumänisch: plan urbanistic general – PUG) gesprochen. Darauf können wir noch warten. Die letzte gültige Stadtordnung in Temeswar stammt aus dem Jahr 2002. Ein neuer PUG sollte auch die denkmalgeschützten Orte und Bauten beinhalten. Wenn man betrachtet, mit welcher Geschwindigkeit die Gebäude ehemaliger Fabriken, die zum kulturellen und industriellen Erbe der Stadt gehörten, verschwunden sind, kann man nur eines glauben: Es gibt andere Interessen dahinter, darum ist auch keine Eile im Bereich der Regelung einer konkreten Stadtordnung angesagt.

 

Auf die Adresse Ihres Vereins haben Sie vor Kurzem eine Meldung bekommen. Dabei geht es um eine Baugenehmigung, die doppelt ausgestellt wurde. Was planen Sie in dieser Hinsicht zu tun?


Ja, das ist wahr. Die Baugenehmigung mit derselben Nummer sieht die Sanierung eines Hauses und den Bau von gleich vier Gebäuden in unterschiedlichen Stadtteilen von Temeswar vor. Wir haben die Abteilung für Stadtentwicklung innerhalb des Bürgermeisteramts in dieser Hinsicht informiert. Noch warten wir auf eine Antwort ihrerseits, um zu sehen, was dort eigentlich passiert ist. Wir hoffen nur, dass ihnen ein Fehler unterlaufen ist und das nicht ständig passiert. Dieselbe Baugenehmigung für zwei verschiedene Baustellen zu erteilen, das ist nicht in Ordnung!

 

Auf der Facebookseite des Vereins gibt es nicht nur Kritik. Auch positive Beispiele von korrekten Sanierungen werden dort gemeldet – so neulich die Sanierung einiger Gebäude an der Tudor-Vladimirescu-Uferstraße.

Wir suchen nicht nur negative Beispiele, das ist klar. Es freut uns sehr, wenn wir solche positive Beispiele anführen können. Mit der Sanierung der Gebäudefassaden in der Vladimirescu-Straße Nr. 23 hatten wir als Verein nichts zu tun. Doch wir sind begeistert zu sehen, dass langsam Wert auf Details gelegt wird.

 

Was nimmt sich der Verein in diesem Jahr noch vor?


Die Kunstwerkstätten für Groß und Klein werden periodisch organisiert. Sie werden immer wieder auf unserer Web- und Facebookseite angekündigt. Bei den Kalligrafiewerkstätten bringen wir den Kindern nicht nur die schöne Handschrift bei, sondern wir wollen sie erneut mit der Füllfeder anfreunden und dabei die Geschichte der Stadt und des Banats etwas anders vorstellen. Sie müssen zum Beispiel innerhalb der Werkstatt alte Geschichtstexte über Temeswar kopieren. Bei uns können die Kinder mehr erfahren, als in den klassischen Geschichtsbüchern, die im Unterricht verwendet werden, geschrieben steht.


Wir nehmen uns in diesem Jahr auch vor, die Hundertjahrfeier des Banats in den Vordergrund zu rücken. Das Banat ist erst 1919 zu Großrumänien dazugekommen. Es gibt wenige Leute, die das noch wissen. Nicht einmal mehr, weshalb der Domplatz im Rumänischen „Piața Unirii”, d. h. „der Vereinigungsplatz” heißt, wissen die meisten Temeswarer noch. Das Grab des ersten Temescher Präfekten liegt überwuchert und verlassen am Friedhof da... Wir wollen unbedingt etwas in dieser Hinsicht unternehmen, vor allem da wir bisher nichts über Projekte zu diesem Thema seitens des Bürgermeisteramts erfahren haben.