Wird Rumänien Teil des kreativen Europa?

Die erste öffentliche Debatte zum Thema „Kultur- und Kreativwirtschaft“

25 Kulturschaffende aus Rumänien arbeiten in Gruppen an den Workshops zum Thema „Design eines erfolgreichen Geschäftsmodells im kulturellen Bereich“.
Foto: Aida Ivan

In den nächsten sieben Jahren investiert die Europäische Union stark in den Kultur- und Kreativsektor, eine Branche, die wirtschaftlich viel zu versprechen scheint. Eine solche Entscheidung seitens der EU ist sehr gescheit: Das Rohmaterial der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Kreativität, ist die einzige Ressource, die sowieso überall in der Welt verbreitet ist. In diesem Zusammenhang steht die schöpferische Kraft eng mit dem Unternehmertum zusammen. Dabei geht es also um Kreativität, die einen kommerziellen Wert hat. Die Kreativität, ein natürlich vorhandenes Gut, wird in Teilen des Abendlandes, so in Großbritannien und Deutschland, seit mehreren Jahren auf dem Markt aufgewertet: In der europäischen Gemeinschaft gibt es mehr als sechs Millionen Erwerbstätige im Kultur- und Kreativsektor, eine Million davon sind Deutsche, was Deutschland zu den größten Märkten dieser Branche in Europa macht, zusammen mit Großbritannien und Frankreich. Im Ausland gibt es Institutionen, die dazu beitragen, dass Freiberufler und kleine und mittlere Unternehmen aus kreativen Bereichen wie Kunst, Musik, Film, Architektur, Design, Verlagswesen oder Software Fortschritte machen.

„Inwiefern ist Rumänien zukunftsorientiert?“

Im Inland gibt es aber keine solchen Regierungsstrukturen, die sich um die Bedürfnisse der tätigen Menschen im Kultur- und Kreativsektor kümmern. „Inwiefern ist Rumänien zukunftsorientiert?“, fragte sich der UNESCO-Experte Andrew Senior im Rahmen einer Konferenz, die in Bukarest Ende Oktober organisiert wurde. Stattgefunden hat die erste öffentliche Debatte zum Thema  „Kultur- und Kreativwirtschaft“ hierzulande. Zu den Veranstaltungen, darunter mehrere Workshops und Vorträge, wurden internationale Experten und inländische Fachleute eingeladen. Dabei handelte es sich um Wissens- und Know-How-Übertragung: Mehrere Hundert Teilnehmer aus verschiedenen kreativen Bereichen haben daran teilgenommen, um mehr über potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten erfahren zu können. Der Schwerpunkt: Praktische Ratschläge und maßgeschneiderte Vorschläge für die schöpferischen und gestaltenden Menschen in Rumänien, die Interesse haben, einen erfolgreichen Start-up in einem der erwähnten Bereiche in Gang zu setzen. Anwesend waren auch verschiedene Vertreter der rumänischen Regierung, die darauf aufmerksam gemacht wurden, dass nationale Strategien entwickelt und Institutionen gegründet werden sollen, damit die inländische Kreativität gefördert wird.

Der britische Unesco-Experte Andrew Senior sprach über den Ausbruch der Revolution in Kultur- und Kreativwirtschaft. New York und London sind als globale Hubs (kulturelle Knotenpunkte) zu betrachten. Doch welche Städte kommen als nächstes? Als äußerst vielfältige Stadt entwickelt sich Istanbul und hat das Potenzial, zu einem solchen Hub zu werden. „Damit Bukarest zu einem wichtigen Kreativitätszentrum wird, soll die kulturelle Infrastruktur verbessert werden“, meinte Andrew Senior. Die Stadt soll über vielfältige kulturelle Einrichtungen, wie Museen, Theater und Galerien verfügen und dazu noch alles aufweisen, was man braucht, um Filme oder Radiosendungen zu produzieren. Extrem wichtig sind auch die Netzwerke, damit Menschen kommunizieren. Geschaffen werden können sie durch Festivals oder Messen, aber auch in der digitalen Welt durch Cluster und Plattformen.

Dem zahlreichen Publikum wurde auch ein Beispiel vorgestellt: Egbert Rühl sprach über Hamburg Kreativgesellschaft, die Firma, die er seit drei Jahren leitet. Die deutsche Regierungsagentur in Norddeutschland hat das Ziel, Kreativität in Hamburg zu unterstützen, und konzentriert sich auf kleine Strukturen, auf Mikro-Unternehmen und Start-ups. Sie sorgt für Unterstützung der jungen, kreativen Kulturschaffenden, sei es mit Immobilien, Networking, Lobbying, Zugang zur Finanzierung oder Business-Training. Einem Designer werde beispielsweise nicht dabei geholfen, besser zu werden, sondern er werde unterstützt, sein eigenes Geschäft erfolgreich aufzubauen und wirtschaftliche Fähigkeiten zu erwerben, verdeutlicht Rühl.

Schritte zu einem erfolgreichen Start-up im Kreativsektor

Insgesamt wurden nach dem ersten Konferenztag sieben Workshops organisiert. Einer davon wurde von Fritz Dyckerhoff von Hamburg Kreativgesellschaft über das Design eines erfolgreichen Geschäftsmodells im kulturellen Bereich abgehalten. Der Trainer versuchte zu zeigen, wie man eine Business-Idee im Bereich der Kreativwirtschaft zu analysieren hat. Präsentiert wurde das „Business Model Canvas“ als elementares Werkzeug für die erfolgreiche Neugründung eines kleinen Unternehmens in irgendeinem Bereich der Kreativwirtschaft. Mehrere Stunden lang wurden Ideen debattiert, überprüft, gezeigt, ausgearbeitet und präsentiert. Den 25 Teilnehmern wurde die Möglichkeit geboten, eigene Projekte nach diesem Modell zu entwerfen. In ihren wesentlichen Punkten festgelegt wurden Projekte über die Neueinrichtung eines mobilen Theaters, eines außergewöhnlichen Kulturhauses sowie über die kreative Umgestaltung von alten Möbeln und Medien für NGOs.

Ein „Kreatives Europa“

„Kreatives Europa“ ist ein Förderprogramm, das von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde und eine Laufzeit von sieben Jahren hat, beginnend mit dem nächsten Jahr. Dadurch sollen das Potenzial des Kreativsektors ausgenutzt und europäische Ziele, wie nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt, erreicht werden: „Die Kultur- und Kreativbranche in Europa bietet großes Beschäftigungs- und Wachstumspotenzial. Zugleich helfen EU-Förderungen Tausenden Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturschaffenden, neue Publikumsschichten zu erreichen. Ohne diese Unterstützung wäre es für sie schwierig, oder sogar unmöglich, neue Märkte zu erobern“, erklärt die EU-Kommissarin für Bildung, Kultur und Jugend und Mehrsprachigkeit Androulla Vassiliou. Für Kulturschaffende, Autoren, Filmemacher, Musiker, bildende und darstellende Künstler, Architekten, Designer und Entwickler von Computerspielen, also für alle schöpferischen und gestaltenden Menschen, die sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen oder kreativen Gütern und Dienstleistungen beschäftigen, bedeutet das, dass sie ab nächstem Jahr wesentlich mehr unterstützt werden.
Eine nächste Veranstaltung für Kultur- und Kreativwirtschaft hierzulande findet nächsten Monat in Bukarest statt.