„Wo Menschen miteinander reden, ist uns eine gute Zukunft bestimmt“

ADZ-Gespräch mit dem baden-württembergischen Innenminister, Reinhold Gall

Der Innenminister Baden-Württembergs, Reinhold Gall: „Wenn ich sehe, mit welchem Engagement hier Seniorenarbeit gemacht wird, wie man sich um Menschen kümmert, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, dann nötigt mir das nun wirklich Respekt ab“.
Foto: Zoltán Pázmány

Der Innenminister Baden-Württembergs, Reinhold Gall (SPD), besuchte vor Kurzem das Banat. Hier traf er sich mit Vertretern der Temeswarer Kommunalverwaltung, des Demokratischen Forums der Deutschen und mit deutschen Unternehmern, nahm am Sanktannaer Kirchweihfest und an der Segnung der Sanierungsarbeiten in Maria Radna teil. Über seine Eindrücke sprach mit ihm ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.

Sie sind nun zum ersten Mal im Banat und ich habe mir sagen lassen, dass es Ihnen nicht leid tut, hierher gekommen zu sein. Wieso nicht?

Es war mir geradezu eine Herzensangelegenheit, hierher zu kommen. Ich bin nicht zum ersten Mal in Rumänien, ich war bereits in Siebenbürgen, habe dort erlebt, was Gastfreundschaft bedeutet und habe mich wirklich darüber gefreut, dass die Identität der Deutschen hier noch eine solch positive Rolle spielt. Es war gerade zwangsläufig, dass ich in den Westen Rumäniens komme, ins Banat. Es waren ein paar tolle Tage mit schönen Eindrücken und deshalb kann ich jetzt schon sagen, dass ich bestimmt nicht das letzte Mal im Banat gewesen bin.

Welche Erwartungen hatten Sie ursprünglich von dieser Reise und inwiefern wurden diese erfüllt?

Wenn ich mich aufmache, Menschen zu besuchen, dann halte ich es nicht für klug, Erwartungen damit zu verbinden, denn die könnten ja enttäuscht werden. Ich hatte aber damit gerechnet, dass ich auf Menschen treffe, die mit Optimismus in der Gegenwart leben und in die Zukunft blicken. Die Menschen, die ich getroffen habe, zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur ihre Gegenwart bewerkstelligen, sondern sich immer auch Gedanken darüber machen, was sie für die Menschen tun können, die hier ihre Heimat haben - für die Deutschstämmigen, aber auch darüber hinaus. Ich freue mich darüber, dass die Deutschen ihre Identität pflegen. Deshalb strenge ich mich an und versuche, den Menschen dort zu helfen, wo sie noch Bedarf sehen. Bei den heutigen Gesprächen haben wir uns bei-spielsweise um die Belange der Lenau-Schule gekümmert. Wenn ich nun die Gesprächsergebnisse richtig deute, gab es da richtig gute Signale seitens des Bürgermeisters, was mir die Schulleiterin, Frau Helene Wolf, auch bestätigt hat, und schon das erfüllt mich mit großer Freude.

Wie kann das Land Baden-Württemberg die Rumäniendeutschen unterstützen, die in ihrem Herkunftsland geblieben sind?

Wir machen dies in vielfältiger Weise. Wir nehmen die Aufgabe, die uns das Bundesvertriebenengesetz vorgibt, sehr ernst. Es gibt kaum noch ein Bundesland, vielleicht noch Bayern, das sich aus der finanziellen Förderung nicht zurückgezogen hat. Über unsere Donauschwäbische Kulturstiftung, über das Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, auch über unser Donauschwäbisches Zentralmuseum in Ulm unterstützen wir vielfältige Projekte, insbesondere, wo es darum geht, die deutsche Sprache als Identitätssprache zu erhalten, aber auch als Zweitsprache. Wir unterstützen auch das duale Ausbildungssystem. Was uns besonders am Herzen liegt, ist, Begegnungsmöglichkeiten zu fördern. Ich bin zutiefst überzeugt: Dort, wo Menschen miteinander reden, wo man gegenseitig Verständnis für die eigenen Probleme erwecken kann, dort ist uns auch eine gute Zukunft bestimmt.

Welche Rolle spielen die ausgewanderten Banater Deutschen in der Aufrechterhaltung der guten deutsch-rumänischen Beziehungen?

Eine ganz wichtige Rolle. Mich begleitet in diesen Tagen der Bundesvorsitzende der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber. Er gehört zu denen, die immer wieder Brücken bauen, die den Kontakt in die alte Heimat bewahren, die sich sehr darum bemühen, dass ihre Identität in Rumänien und im Banat nicht verloren geht. Ich hatte gestern das Heimatmuseum im AMG-Haus besichtigt. Da steckt so viel Liebe und Herzblut drin, und es wird mit aufgebaut mit Unterstützung der Banater Schwaben aus Karlsruhe. Die Landsmannschaften in unserem Bundesland sind schon ganz wichtig, damit diese Brücken nicht einreißen und damit die Begegnungen mehr werden, statt weniger.

Stichwort „Zuwanderung“: Wie kommt denn das Land Baden-Württemberg mit der hohen Zuwandererwelle zurecht?

Wir haben enorme Probleme. Wir haben eine gravierende Steigerungszahl vom Jahr 2014, als wir etwa 24.000 Flüchtlinge bei uns hatten. In diesem Jahr rechnen wir mit 52.000 Flüchtlingen, wahrscheinlich sogar mit mehr. Wir gehen auch davon aus, dass es 80.000 werden können und das stellt uns vor enorme Probleme, Wohnraum zu schaffen. Wir haben die Anzahl der Plätze in den sogenannten Erstunterbringungseinrichtungen in den letzten vier Jahren verzehnfacht und unternehmen weiterhin große Anstrengungen, die Zahl der Plätze bis zum Ende kommenden Jahres auf 20.000 zu erhöhen, um den Flüchtlingen humanitär zu begegnen. Wir machen aber auch klar, dass es auch Menschen gibt, die keine Zukunft in Baden-Württemberg haben, weil sie nicht unter das Asylrecht fallen, sondern aus anderen Gründen nach Deutschland kommen und deswegen werden wir diese Menschen in ihre Herkunftsländer zurückführen müssen. Das machen wir nicht gerne, aber sonst wird uns die Chance genommen, denen, die nun wirklich durch Krieg und Bürgerkrieg verfolgt sind, Perspektiven bieten zu können.

In Deutschland herrscht nach wie vor akuter Fachkräftemangel. Wie steht das Land Baden-Württemberg den Zuwanderern aus Rumänien gegenüber, die als Facharbeiter bestimmte Bereiche abdecken?

Ich habe ein zwiespältiges Gefühl, denn ich weiß, dass auch in Teilen Rumäniens Fachkräftemangel herrscht, wie beispielsweise hier in Temeswar. Logischerweise sind wir daran interessiert, dass wir unseren Fachkräftemangel nicht größer werden lassen, deswegen müssen wir aus eigenem Interesse hinaus Zuwanderung ermöglichen. Ich habe heute mit deutschen Unternehmen gesprochen, die sich gerade deshalb hier angesiedelt haben, weil sie qualifizierte Ingenieure  finden können. Die könnten wir übrigens auch benötigen. Deswegen muss die Balance sehr sorgfältig ausgewogen werden: Menschen auch in unserem Bundesland Perspektiven zu bieten, aber auch dafür zu sorgen, dass nicht alle jungen Menschen im Osten Europas auswandern.

Deswegen unterstützen wir die duale Ausbildung und versuchen, mit bestimmten Programmen deutschsprachige Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen zu halten, damit sie dafür sorgen können, dass junge Menschen qualifizierte Arbeitsplätze in Rumänien übernehmen. Gleichwohl haben wir als Bundesland Interesse, Fachkräfte zu finden, und deswegen werben wir für ein Einwanderungsgesetz. Es gibt auch in anderen Ländern dieser Welt Fachkräfte, die eine Zukunft suchen, und auf die werden wir uns konzentrieren müssen.