WORT ZUM SONNTAG: Der leidende Gottesknecht

Jesaja 50, 4-9

„Von wem redet der Prophet solches, von sich selbst, oder von einem andern“ – so fragte einst der „Kämmerer aus dem Mohrenland“, der Finanzminister der Königin Kandache aus Äthiopien, den Apostel Philippus. Dieser Mann war auf der Suche nach dem wahren, lebendigen Gott. In Jerusalem, dem Zentrum des Glaubens, hatte er auch nicht viel erfahren. Er hatte sich eine Bibel gekauft (AT) und las nun auf seinem Wagen eine Stelle aus dem Propheten Jesaja, in der von dem leidenden „Gottesknecht“ die Rede war. Und wohl ihm, dass er so fragte. Denn ohne diese Frage wäre er nie dazugekommen, etwas über Jesus Christus, den Heiland der Welt, zu erfahren.

Auch wir lesen am Palmsonntag eine Stelle aus dem Propheten Jesaja, in der vom „Gottesknecht“ die Rede ist. Auch für uns ist dieses Wort nicht so leicht verständlich. Diese Botschaft vom „leidenden Gottesknecht“ wird in Babylonien, in der Gefangenschaft des israelitischen Volkes laut, 600 Jahre vor Christus. Das Volk war müde, ohne Freiheit und Hoffnung auf Erlösung auf der einen Seite, mit Menschen ohne Lebensmut und ohne Perspektiven. Auf der andern Seite aber gibt es bei vielen Aufbruchstimmung: Es näherte sich das Ende einer 70-jährigen Gefangenschaft im fernen Babylonien. Mit gewaltiger militärischer Macht nähert sich der Perserkönig Kyros und zerschlägt die babylonische Großmacht und befreit die Gefangenen aus Israel. Liegt es da fern, in diesem mächtigen Kyros ein Werkzeug Gottes zu sehen? Sicher hat Gott sich dieses Perserkönigs bedient. Aber schleicht sich in diese Deutung nicht ein gefährliches Virus ein: politische Macht mit göttlicher Macht gleichzusetzen?

Vielleicht war nun dieser „Gottesknecht“ eine jener Stimmen, die vor solcher Gleichsetzung warnte: Glaubt nicht, dass mit eurer politischen Freiheit automatisch Gottes Gerechtigkeit herrscht! Glaubt nicht, dass nun automatisch soziale Gerechtigkeit und das Ende aller Unterdrückung und Benachteiligung kommt! In dieser politischen Freiheit muss nun ein innerer Wandlungsprozess, die Umkehr eines jeden einzelnen kommen! Und dazu bedarf es einer wahren Hinwendung zu Gott!

Passen diese Warnungen nicht auch auf uns heute?
Vielleicht musste der geheimnisvolle „Gottesknecht“ gerade für diese Warnungen leiden. Die ihm hart zusetzten, waren keineswegs Gegner des Glaubens, sondern solche, die sich diesen Optimismus nicht kaputtmachen lassen wollten. Wer aber hat nun Recht? Beide Parteien berufen sich darauf, im Namen Gottes zu sprechen. Waren die Zeichen der Zeit nicht deutliche Zeichen für das Handeln Gottes und somit für Hoffnung und Optimismus?! Womit legitimiert sich nun aber der Gottesknecht? „Gott, der Herr, hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden.“ Und das ist nicht auftrumpfende Rechthaberei, der die Müden und Schwachen mit ihren Argumenten unterlegen sind. Es ist vielmehr die leise Stimme, die sich den Müden und Verzweifelten „zur rechten Zeit“ zuwendet.

Am Palmsonntag wird in allen christlichen Kirchen des Einzugs Jesu in Jerusalem gedacht: Wie Jesus auf einem Esel in die Königsstadt Davids einreitet. Das Volk läuft ihm mit Palmzweigen entgegen und sie schreien: „Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel“. Nur wenig später steht es auch am Kreuz des Hingerichteten zu lesen: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Ein König auf seine Weise, ein König, der, wie er selbst sagt, für die Wahrheit Zeugnis ablegen soll und dessen Reich nicht von dieser Welt ist.

Mischten sich nicht auch in diesen Jubel politische Gedanken und Erwartungen hinein? Auf dem Weg nach Jerusalem kam es keinem der Jünger in den Sinn, Jesus mit dem „leidenden Gottesknecht“ gleichzusetzen. Selbst nach der Kreuzigung herrschte bei den Jüngern große Enttäuschung: „Und wir hofften, er würde Israel erlösen …“ sagten die beiden Emmausjünger. Erst nach der Auferstehung, als Jesus ihnen erscheint, erkennen sie die Wahrheit und ihre Augen und Ohren werden geöffnet. Und mit dieser gewaltigen Botschaft gehen sie ungeachtet der großen Gefahren in die Welt hinaus.

Aus dem Verhalten des Gottesknechtes können wir etwas viel Wichtigeres lernen: Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten?