WORT ZUM SONNTAG: Der Schlüssel zum Aufbau guter Gemeinschaft

Das Motto unseres Erntedankfestes war  „Gemeinschaft erleben”. Erweitert könnte es aber auch lauten: „Gemeinsam statt einsam“, denn es richtet unsere Aufmerksamkeit auf die Gemeinschaft. „Gemeinschaft“, lateinisch Communio, ist eines der Hauptworte unseres Glaubens. Zugleich ist die Gemeinschaft aber auch ein Wert von allgemeinmenschlichem Rang, sie wird von jedermann geschätzt und anerkannt, aber nicht unbedingt gelebt. Im Gegenteil: Noch nie haben so viele Menschen unter Einsamkeit gelitten wie zu unsrer Zeit. Das hat viele Gründe, ich zähle nur einige auf: Zunächst ist es der allseits beklagte Geburtenrückgang: Wir haben nicht mehr so viele Kinder, und entsprechend kleiner sind die Familien geworden. Dazu kommt die von vielen abverlangte Mobilität: Wie oft müssen Menschen aus beruflichen Gründen umziehen, oft ins Ausland, und ihre angestammten Wurzeln verlassen. Wie schwierig ist es dann jedes Mal, neue Kontakte zu knüpfen. Ferner gibt es heute viele Möglichkeiten, die freie Zeit allein zu verbringen: vor dem Fernseher oder dem Computer, Tablet und Facebook. Die Bindungen werden lockerer oder zerbrechen ganz. Hieran haben oft auch verfehlte Einstellungen der Menschen schuld: Ein wachsender Egoismus, die Angst sich zu binden aufgrund übertriebener Liebe zur Freiheit und ein Lust-und-Laune-Denken. Wir sehen: die Einsamkeit hat vielfältige Wurzeln.

Keineswegs haben die Einsamen immer selbst schuld an ihrer Einsamkeit. Aber ebenso wenig dürfen sie die Schuld grundsätzlich bei den anderen suchen. Ich möchte zum Erntedankfest zwei Dinge besonders ansprechen: den Wert der Gemeinschaft und den Schlüssel zum Aufbau guter Gemeinschaft. Die traditionellen Bindungen, wie unsere Vereine und unsere Kirchengemeinden, helfen uns, unsere Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Das Evangelium hilft uns, diese Tatsache besser zu verstehen. Jeder Mensch ist auf viele andere angewiesen und steckt in einem Netz von Abhängigkeiten, ohne welches er gar nicht überleben könnte. An dieser Tatsache kann man vorbeisehen und denken, dass man doch ganz gut ohne andere leben kann. Aber das ist eine Illusion, die nur aufgrund des Geldes möglich ist. Wir brauchen nur Geld – könnte man meinen –, dann haben wir andere Menschen nicht nötig. Aber das ist eine Illusion. Zum zweiten gibt es noch eine Reihe von Dingen, die man zwar alleine tun kann, die aber nur mit anderen zusammen richtig Spaß machen. Auch glauben, hoffen und lieben geht mit anderen zusammen viel besser als allein. Die Frucht guter Gemeinschaft ist vollendete Harmonie. Das zeigt uns auch unser Erntedankfest.

Aber das ist nicht immer so. Es gibt auch Gemeinschaft, die anödet, nervt, einengt, fesselt und erstickt. Dann möchte man ausbrechen. Ein Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Es gibt also Hindernisse guter Gemeinschaft, und damit hat auch Jesus zu tun, der seine Jünger gerne zu einer guten Gemeinschaft aufbauen will. Er merkt, dass dies gar nicht so einfach ist. Im Evangelium hören wir, wie die Jünger sich streiten. Worüber? Sie wollen alle der Größte sein. Wer ist der Wichtigste, der Schönste, der Beste, der Klügste? Diese Frage stammt aus einem tief sitzenden Geltungsdrang, aus Eitelkeit und Ehrsucht, und sie führt zu Neid, Missgunst, Eifersucht und Mobbing. Im anderen nicht den Bruder/die Schwester sehen, sondern den Konkurrenten – das ist die eigentliche Wurzel für die schlechte Stimmung unter den Jüngern, das macht die Gemeinschaft schwer erträglich. Wenn man dies erfährt, möchte man ausbrechen aus der Gemeinschaft. Was empfiehlt Jesus also zu tun? Welchen Schlüssel hat er anzubieten? Er sagt: „Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende.“ (Lk 22,26) Das heißt, Gemeinschaft lebt von der Liebe, die bereit ist zu dienen.
Was würde am Erntedankfest wohl passieren, wenn keiner mit anpacken und mithelfen würde? Es gäbe nichts zu essen und zu trinken, keine Musik, nichts. Sein Leben als Dienst verstehen, seine Gaben als Aufgaben, seine Talente einsetzen für die Gemeinschaft. So ergänzt sich alles zu wunderbarer Harmonie. Das ist der Schlüssel zum Aufbau guter Gemeinschaft: die Bereitschaft zum Dienen. So können wir gemeinsam unser Erntedankfest feiern. Der Grund für unsere Gemeinschaft ist schon gelegt: Jesus Christus. In der Eucharistie führt er uns in die Kommunion mit ihm und untereinander.