WORT ZUM SONNTAG: Die größte Liebestat der Weltgeschichte

Eine afrikanische Sage erzählt: Das Land wurde von einer großen Hungersnot heimgesucht. Menschen und Tiere litten äußerste Not. Sie waren ratlos und zerbrachen sich die Köpfe, wie sie die Hungersnot überbrücken und ihr Leben retten könnten. In diesem Land befand sich auch ein Pelikan. Er sorgte sich nicht so sehr um sich, sondern wie er das Leben seiner Jungen erhalten könnte. Sie forderten Tag für Tag ihre Nahrung. Der Pelikan wusste keinen Ausweg mehr. In seiner großen Not bohrte er mit dem Schnabel ein Loch in seine Brust und gab den Jungen sein Blut zu trinken. Als bald die Hungersnot vorbei war, konnten die Jungen gekräftigt ins Leben hinausfliegen. Der alte Pelikan aber war an Entkräftung gestorben. Er hat sein Blut und sein Leben an die Jungen verschenkt.

Das ist nur eine erbauliche Legende. Aber die Wirklichkeit hat sogar die edelsten Fantasien der Sagenerzähler übertroffen. An jedem Karfreitag wird dies uns eindringlich zum Bewusstsein gebracht. Am Tag vor dem Passahfest der Juden im Jahr 33 vergoss der menschgewordene Sohn Gottes, Jesus Christus, sein Blut und opferte sein Leben für uns. Er wollte uns von Sünde, Schuld und ewiger Gottesferne erlösen. Er selbst hat dieses, sein Lebensopfer, laut den Evangelien, als Hauptaufgabe seiner Sendung angekündigt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele!“ (MT. 20,28)

Zu dem Ratsherrn Nikodemus sprach er: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt, richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird!“

Noch mit vielen anderen Worten hat er darauf hingewiesen, dass er mit seinem Leiden und Sterben uns erlösen werde. Diese Kreuzesbotschaft der Erlösung haben die Apostel in alle Welt hinausgetragen. Die klassische Form dieser Apostelbotschaft ist im ersten Petrusbrief enthalten (1,18): „Ihr wisst, dass ihr aus einer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel!“

Das wird in der christlichen Kunst oft mit dem Pelikan dargestellt, der mit seinem Blut die Jungen am Leben erhält.

Das Kreuz, das am ersten Karfreitag auf dem Kalvarienberg als Todeszeichen errichtet wurde, ist für uns zum Heilszeichen geworden. Das Kreuz ist das eigentliche Symbolzeichen des Christentums. Für uns ist es das heilige Zeichen unserer Erlösung und der Versöhnung mit Gott. Wir sollen es mit dankbarem Herzen verehren. Christus hat am Kreuz für uns, als unser größter Wohltäter, als unser Erlöser und Retter, sein Blut vergossen. Es ist die größte Liebestat der Weltgeschichte. Sie ist für nichtchristliche Menschen so unfassbar, dass die Moslems den Kreuzestod Christi geradezu leugnen. Solche Liebe können viele Menschen nicht begreifen, vor allem solche nicht, die mit Schwert und Gewalt ihre eigene Lehre verbreiten.

Auch uns Christen ist diese größte aller Liebestaten unbegreiflich. Aber wir verneigen uns vor dem Kreuz in tiefster Ehrfurcht und suchen in unserem Leben, die Kraft dieser Liebe wirksam zu machen. Der evangelische Theologe Walter Uhsader hatte mit dem berühmten Psychologen Carl Gustav Jung im Jahre 1938 in dessen Haus zu Küsnacht ein kurzes Gespräch. Jung wies auf eine Nachbildung des Königsfelders Glasfensters, das die Kreuzigung Christi darstellt, und sagte: „Sehen Sie, das ist das Entscheidende für uns.“ Als der Theologe ihn fragte, warum er das sage, antwortete der Psychologe: „Ich komme gerade aus Indien, da ist mir von Neuem aufgegangen: Der Mensch muss mit dem Problem des Leides fertig werden. Der östliche Mensch will sich des Leides entledigen, indem er es abstreift. Der abendländische Mensch versucht, das Leiden mit Drogen zu unterdrücken. Aber das Leid muss überwunden werden, und überwunden wird es nur, indem man es trägt. Das lernen wir alle von Christus!“