WORT ZUM SONNTAG: Die Königin der guten Taten

Ein Jude war schon zehn Jahre verheiratet. Es hatte sich aber noch kein Kindersegen eingestellt. Er ging zum Rabbi und bestürmte ihn, er möge für ihn Kinder erflehen. Einmal nahm er auch seine redegewandte Frau mit. Sie sagte: „Wir werden dir keine Ruhe lassen, bis du uns mit einem Sohn segnest.“ Der Rabbi erwiderte: „Gebt mir den Zahlenwert des Wortes ‘Ben’ (Sohn). Das sind 52 Dukaten, so werde ich für euch einen Sohn erflehen“. Da fing der Jude an zu handeln. Er könne nur zehn Dukaten geben. Aber der Rabbi blieb hart. Schließlich legte der Jude zwanzig Golddukaten auf den Tisch und sprach: „Das ist unser letztes Geld!“ Der Rabbi aber blieb bei seiner Forderung. Da wurde die Frau wütend und schrie: „Mann, nimm das Geld zurück! Da wird uns Gott selber helfen müssen!“ Erfreut sagte der Rabbi: „Das wollte ich doch. Ihr seid gekommen und habt mich angefleht, aber Gott habt ihr vergessen. Nun endlich richtet ihr eure Hoffnung auf den Einen, der allein euch helfen kann!“ Seine Hilfe traf ein. Das Gebet ist die Königin aller guten Taten. Sie kann alle anderen Taten nicht ersetzen, aber sie ist die wichtigste Tat, die durch keine andere zu ersetzen ist. Viele haben in ihrem Leben diese Königin abgesetzt. Die Gier nach dem Mehr und die Angst vor dem Weniger treiben uns als grausame Tyrannen in die Besinnungslosigkeit. Setzen wir doch das Gebet, die Königin allen guten Tuns, wieder auf den Thron. Das Gebet ist die größte Möglichkeit der Menschen, aber leider nimmt es den kleinsten Raum in ihrem Tun ein. Das Gebet ist die schönste Pflicht der Glaubenden, aber sie wird am schlechtesten erfüllt. Allen Menschen steht im Gebet die Tür zu Gott offen, aber die wenigsten gehen wirklich hindurch. Wir glauben, dass das Gebet am meisten bewirkt, aber wir leben, als ob alles von unserem Wirken abhängt. Gott weiß, was wir brauchen und Er möchte es uns geben, wenn wir darum bitten.

Christus ermahnt uns zum häufigen Gebet. Er erläutert uns das im Gleichnis von der zudringlichen Witwe und dem gottlosen Richter. Da sie ihn ständig bedrängt und er endlich Ruhe von ihr haben will, verhilft er ihr zu ihrem Recht. Christus fügt hinzu: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen!“ Nehmen wir diese Worte Christi ernst und bauen wir sie in unser Leben ein. Es soll uns nicht der Tadel treffen wie einen Eingeborenen in Surinam. Die Hütten dieser Christen bestanden nur aus einem einzigen Raum. Darin konnte man nicht andächtig beten. So suchte sich jeder im Wald einen Gebetsplatz. Da sie im Beten eifrig waren, wurden ihre Gebetswege zu kleinen ausgetretenen Pfaden. Ein Mann vernachlässigte das Gebet. Sein Nachbar mahnte ihn: „Bruder, auf deinem Gebetsweg wächst schon Gras!“ Wie würde dort unser Gebetsweg aussehen? Bei vielen wäre er schon zu einem undurchdringlichen Dickicht geworden.

Der Kirchenlehrer Augustinus hat einmal gesagt, dass wir Menschen dazu geschaffen wurden, um Gott zu genießen und die Welt zu gebrauchen. Aber der Mensch hat diese Ordnung auf den Kopf gestellt. Er will die Welt genießen und Gott gebrauchen. Das geht aber nicht. Der schrankenlose Weltgenuss führt zur Zerstörung und vernichtet die Welt. Die Ursünde des Menschen liegt darin, dass er seine Welt zum Gott und seinen Gott zum Gebrauchsgegenstand macht. Das führt zum Scheitern. Darum müssen wir umdenken und umkehren. Setzen wir die Königin wieder auf den Thron. Im Gebet erhalten wir Einsicht und geistige Kraft, die Dinge der Welt so zu gebrauchen, dass sie uns helfen, unser Lebensziel zu erreichen. Ohne die ständige Verbindung mit Gott wandeln wir im Niemandsland.