WORT ZUM SONNTAG: Die Kraft, die wir nötig haben

Wir haben das Brot zum leiblichen Leben nötig. Darum beten wir; „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Aber wir besitzen auch ein geistiges Leben. Das macht uns erst zu Menschen. Auch dieses geistige Leben in uns hat Nahrung notwendig. Sie besteht aber nicht aus materieller, sondern geistiger Nahrung. Dieses „geistige Brot“, das wir notwendig haben, heißt „Hoffnung!“ Jeder, der eine schwere, ausweglose Situation durchleben musste, wird bestätigen, dass aus der Hoffnung die nötige geistige Kraft geflossen ist, die half, die Notlagen zu überwinden. Diese Erfahrung haben alle Russlanddeportierten, die eine glückliche Heimkehr erleben durften, gemacht. Fehlt die Hoffnung in schweren Lagen, ist es, als ob das Rückgrat gelähmt, als ob die Flügel gebrochen wären. Wir haben also die Hoffnung so notwendig wie das tägliche Brot. Sie kann aber nur dann zur Tatkraft werden, wenn sie aus einer wirksamen Quelle gespeist wird. Kann diese Quelle unserer Alltagswelt entspringen? Das Leben verneint diese Möglichkeit. Wer nur aus der Quelle der Alltagswelt trinkt, erlebt viele Enttäuschungen. Es heißt: Die schönste Zeit ist die Jugendzeit. In der Jugend erscheint uns die Zeit in rosigem Licht. Wir leben und streben einer verheißungsvollen Zukunft zu. Der Jugendliche ist voller Pläne und Hoffnungen. Aber später kommen die Enttäuschungen. Im Lebenskampf werden die Hoffnungen zertrümmert. Blickt der alte Mensch zurück, so erkennt er, dass die Jugendzeit darum die schönste war, weil sie noch keine Enttäuschungen kannte.

Der Evangeliumsbericht von den beiden Emmausjüngern unterstreicht diese allgemeine Erfahrung. Beide waren begeisterte Jesusanhänger und hofften, er werde als Messias ein großes, unüberwindliches Reich gründen, in dem sie, als seine Getreuen, hohe Posten einnehmen werden. Da kam der Karfreitag. Das Erdbeben beim Tode Jesu spaltete nicht nur Felsen, es zertrümmerte auch ihre Zukunftshoffnungen. Sie waren verwirrt, ratlos, hoffnungslos geworden. Da begegnete ihnen der Auferstandene. Sie erkannten ihn nicht. Er erschloss ihnen eine neue Hoffnungsquelle, die nicht dieser vergänglichen Alltagswelt entspringt, sondern aus seinen überweltlichen Verheißungen gespeist wird. An dieser Gottesquelle entbrannte ihr Herz zu einer Hoffnungsflamme, die bis zu ihrem Tod nicht erlöschen sollte.
Diese Hoffnungsquelle ist für jeden von uns am Osterfest entsprungen. Trinken wir aus ihr. Sie ist für uns die geistige Kraftquelle, die uns hilft, das Leben so zu meistern, dass keine Enttäuschungen des Lebenskampfes uns überwinden können. Hoffnung geschöpft aus der Quelle des Osterfestes, macht uns so stark, dass wir auch an traurigen Tagen voller Zuversicht bleiben.

Der Böhmerfürst Wenzel der Heilige (928-935) wurde von dem Sachsenkönig Heinrich besiegt und geriet sogar in Gefangenschaft. Verzweifelte er? Man befragte ihn, wie er diesen Schicksalsschlag ertrage. Seine Antwort: „Mir ging es niemals besser als jetzt. Als ich noch im Besitz meiner ganzen Macht war, fand ich fast keine Zeit, an Gott zu denken. Jetzt aber, von allem entblößt, von allen verlassen, denke ich nur noch an Gott und setz auf Ihn meine ganze Hoffnung. Er wird mich nicht verlassen, sondern mich erhören, da ich zu Ihm rufe!“ Hoffnung aus der Quelle Gottes gibt Kraft!
Der berühmte englische Chemiker und Erfinder der Sicherheitslampe für die Bergleute, Sir H. Davy (1778-1829), hat die Wirkung dieser Kraftquelle so sehr an sich erfahren, dass er auf seinen Grabstein die Worte meißeln ließ: „Ich hoffe!“
So wie der auferstandene Christus in den Herzen der beide Emmausjünger das Feuer der Hoffnung entzündete, so möge Er auch unsere Herzen mit diesem Feuer der Hoffnung in Brand setzen. Das ist die Kraft, die wir nötig haben!