WORT ZUM SONNTAG: Ein Lied geht durch die Zeit

Grausamer als der Dreißigjährige Krieg war nur die Zerstörung Jerusalems!
1621 – drei Jahre nach dem Beginn der entsetzlichen Auseinandersetzungen, wurde in Langensalza, im Thüringischen, Georg Neumark geboren. Er brachte eine beachtliche musikalische Begabung mit, und seine Eltern Michael und Martha Neumark stellten ihm bald eine Viola da Gamba zur Seite, auf der er fleißig übte. Er besuchte das Gymnasium in Schleusingen, später in Gotha und studierte ab 1640 Jurisprudenz in Königsberg. Im Jahr 1641 unterbricht Neumark das Studium, bedingt durch die Kriegswirren, und wandert zu Fuß nach Hamburg, in der Hoffnung, dem Hexenkessel des Krieges zu entkommen. Er strebte eine Hauslehrerstelle an, wurde jedoch öfter abgewiesen, weil er in Hamburg in abgerissenen Kleidern angekommen war. Etliche Wirte hatten ihn schon einige Male erbarmungslos auf die Straße gesetzt; da riefen einige Seebären in einer Kneipe: Wirt, wo bleibt die Musik?  Georg Neumark holte seine Gambe hervor und spielte auf. Sehr zur Genugtuung aller.

Die Wirtin fragte ihn hinterher, was er weiter im Sinn habe. Nun, er möchte in Kiel ankommen. Darauf erklärte sie: Mein Schwager fährt in diesen Tagen mit Salz und Mehl nach Kiel. Er kann Euch mitnehmen. In Kiel nahm er gemeinsam mit einem Schneidergesellen Quartier in einer billigen Unterkunft. Wenn ihn an trüben Abenden das Heimweh plagte, spielte er seine traurigen Weisen. Eines Abends, im Frühjahr 1641, trat ein vornehmer Herr in die Herberge und forderte ihn auf, seine beiden Kinder als Hauslehrer zu unterrichten. Georg Neumark nahm das Anerbieten sofort an – und noch in derselben Nacht entstand das Lied: „Wer nur den lieben Gott lässt walten / und hoffet auf ihn alle Zeit, / den wird er wunderbar erhalten / in aller Not und Traurigkeit. / Wer Gott dem Allerhöchsten traut, / der hat auf keinen Sand gebaut.“ Das Lied enthielt sieben Strophen und verbreitete sich schnell. Es erhielt etwa zwanzig Melodien. Die Melodie in g-Moll hat Neumark selbst komponiert; sie wurde erst 1657 in Jena gedruckt. Inzwischen hatte der Dichter und Komponist sein Studium in Königsberg erfolgreich abgeschlossen. Er kehrte aber erst 1651 in seine thüringische Heimat zurück, wo ihn Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar als Bibliothekar in die Pflicht nahm. Kurz vor seinem Ende erblindete er – und sein Lied tröstete ihn ein weiteres Mal. Er starb sechzigjährig am 8. Juli 1681 in Weimar und wurde auf dem Jacobsfriedhof beigesetzt.

Die katholische Schwesterkirche hat das Lied schon im siebzehnten Jahrhundert in ihre Gesangbücher in der Schweiz und in Freiburg/Br. aufgenommen. Eine Art Ökumene vor der Ökumene. Im Jahr 1966/67 haben wir in Moritzdorf, im Nösnerland, die dortige Schule in eine Kirche umgebaut. Das Schulgebäude wurde nach dem Ersten Weltkrieg aus Bohlen gefertigt. Weil die Steinkirche zusammengefallen war, diente das Gebäude als Pfarrwohnung, Schule und Kirche. Seit 1945 gab es keinen Pfarrlehrer mehr. Und die Sechzig-Seelen-Gemeinde ging daran, Mauern niederzureißen und Mauern aufzurichten. So entstand ein geräumiger liturgischer Raum. Aus der aufgelassenen Kirche von Schönbirk wurden das Altarbild, der Taufstein und das Pfarrgestühl herzugebracht. Am 11. September 1967 sollte das Bethaus durch Bischof D. Dr. Friedrich Müller geweiht werden. Als ich fragte, welches Lied wir zum Bischofsempfang singen sollten, erwiderte Frau Minna Schuster, die Frau des Organisten Johann Schuster: „‘Wer nur den Lieben Gott lässt walten’ … das war unser Russlandlied – denn sehen Sie, wir sind alle heimgekehrt.“