WORT ZUM SONNTAG: Glauben um zu verstehen

Der Schriftsteller Carl Zuckmayer (1896-1977) schrieb das bekannte Drama: „Des Teufels General“. Darin ist General Harras die zentrale Figur. Er steht zwar im Dienste des Hitler-Regimes, lehnt es aber als ein „teuflisches System“ ab. In seinem Inneren ist er zu weich und zu unentschlossenen, um auf die Seite der Widerstandskämpfer zu treten. Eines Tages kommt er mit einem verwundeten Fliegeroffizier ins Gespräch. Dieser war vorher ein„ gläubiger“ Nationalsozialist gewesen, aber als er zusehen musste, wie die SS ein Ghetto „durchkämmte“, gingen ihm die Augen auf und er trat dem Kreis der Widerstandskämpfer bei.

In dem Gespräch fragt der junge Fliegeroffizier den General: „Glauben Sie an Gott?“ Der General überlegt lange, dann antwortet er: „Ich weiß es nicht. Gott ist mir noch nicht begegnet. Aber daran bin wahrscheinlich ich selbst schuld. Ich wollte ihm nicht begegnen. Er hätte mich vor Entscheidungen gestellt, denen ich ausweichen wollte. Ich habe bisher nur an das Erdenkbare und Erkennbare geglaubt, also an das, was man prüfen und entdecken kann. Aber die größte Findung aller Zeiten, die sicherlich Gott ist, habe ich noch nicht erkannt. Allerdings den Teufel kenne ich, dem habe ich Aug in Auge gesehen. Darum glaube ich, dass es Gott geben muss.“ Das Bekenntnis des Generals macht uns auf etwas sehr Wichtiges aufmerksam. Wer Gott begegnen und Ihn erkennen will, darf den Entscheidungen, vor die ihn Gott und das Leben stellen, nicht ausweichen. Alle wirkliche Gotteserkenntnis erwächst aus der Glaubensentscheidung, die im Vertrauen vollzogen wird. Das unterstreicht der Kirchenlehrer Augustinus (354-430) mit seinem berühmten Ausspruch: „Suche nicht zu verstehen, um dann zu glauben, sondern glaube, damit du verstehen kannst!“

Wollen wir Gott als unseren Schöpfer und Christus als unseren Erlöser erkennen, müssen wir als Vorleistung unser Herz öffnen. Wir müssen für die Botschaft offen sein. In der Geheimen Offenbarung (Kap.3,20) heißt es: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir!“
Das Anklopfen Gottes ist kein gewaltsames Pochen. Das Anklopfen Gottes ist leise, darum überhören wir es leicht. Vielleicht überhören wir es auch gerne, weil wir uns, wie der General im Drama, vor Entscheidungen drücken wollen. Dafür öffnen wir unsere Herzenstür der „Frau Welt“ umso lieber, da sie uns mit einschmeichelnden Schlagern zum lüsternen Bankett der Weltfreuden und Genüsse einlädt. Hier sollten wir eigentlich unser Ohr verstopfen.

Freiherr von Rechenbach hörte, als der Erste Weltkrieg ausbrach, die Trommeln, die zum Kampfe riefen, mit offenem Herzen. Sein vaterländisches Herz folgte willig dem Trommelklang. Freiwillig zog er in den Krieg. Als geistige Nahrung nahm er Goethes „Faust“ mit. Er berichtete: „Ich las den „Faust“ vor Soissons. Ich wollte ihn lesen, als die Kameraden fielen, als Menschenleben zerbrachen und die Heimat aufweinte unter den Opfern. Und ich blieb bei dem Lesen weiter hungrig. Es war alles so weise, was ich las, und so unweise, was ich sah. Es war nicht genug zum Sterben, was da der Dichter erschaute und erzählte. Das große Buch wurde auf einmal klein vor dem ungeheuren Erleben.“

An einem Tag lag er schwer verwundet zwischen den Stellungen bei Arras. Niemand getraute sich, ihn zu holen. Und da erlebte er das Große: Christus ging über das Feld. Er berichtet: „Und es war ein Licht in mir wie einst vor Paulus auf dem Weg nach Damaskus. Und eine unsagbare Liebe ergriff mich zu dem, an dem ich mein ganzes Leben hindurch vorübergegangen war. Es vergingen ein Tag und eine Nacht, bis sie mich fanden und zu den Ärzten brachten. Es folgten drei Jahre Bett und Rollstuhl. Aber das war alles nichts gegenüber dem Großen, das ich erfahren hatte. Mit Goethes ‘Faust’ zog ich in den Krieg und mit Christus aus dem Evangelium kehrte ich in die Heimat zurück.“