WORT ZUM SONNTAG: Hilfe zur Entspannung

Jeder Mensch möchte seinen Willen durchsetzen. Das gelingt aber nur selten. So viele Hindernisse stellen sich in den Weg, nicht zuletzt der Wille anderer Menschen. Da möchte man sich am liebsten mit Gewalt durchsetzen. Das probieren auch viele, sei es in der Familie oder in der Gemeinschaft. Rücksichtslos werden die eigenen Interessen vorangetrieben und der Widerstand der anderen gebrochen. Wir Menschen werden so leicht zu Tyrannen, wir wollen lieber Hammer statt Amboss sein. Die Folgen solchen Handelns stellen sich sofort ein: Zwist, Streit, Hader, Feindschaft. Wenn man Hammer sein will, gelingt es nicht immer, den Widerstand der anderen zu brechen, aber sicher wird das gute Einvernehmen und der Friede zertrümmert. Goethe sagte dazu: „Hammer zu sein scheint jedem rühmlicher und wünschenswerter als Amboss; und doch, was gehört nicht dazu, diese unendlichen, immer wiederkehrenden Schläge auszuhalten.“

Das alles wäre vermeidbar, würde uns nicht eine Qualität fehlen: Die Sanftmut! Christus preist die Sanftmütigen: „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben!“ Er sagt uns nicht: „Lernet von mir, denn ich heile Kranke, vermehre Brote und erwecke Tote“, sondern: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen!“ Wir fragen: „Ist denn die Sanftmut für das Leben so wichtig, dass wir sie von Ihm erlernen sollen?“ Überlegen wir: Selten brauchen wir im täglichen Leben etwas so notwendig und hilft uns, so viele bittere Stunden zu ersparen, wie die Sanftmut. Ein Vergleich soll das veranschaulichen: In den Fabriken gibt es viele Maschinen, die durch Räder und Wellen angetrieben werden. Die Räder drehen sich lautlos und mit großer Geschwindigkeit.

Auf allen rotierenden Rädern und Wellen sind kleine Büchsen angebracht. Sie sind äußerst wichtig. Ohne sie würden in wenigen Minuten die Räder und Wellen zu rauchen beginnen, in Stücke zerspringen, die Maschine zerstören. In diesen Büchsen ist Öl. Das Öl schmiert die beweglichen Teile und verhindert, dass sie heiß laufen. So unglaublich es scheinen mag, aber es ist wahr: Von diesen Büchsen mit Öl hängt der ganze Maschinenbetrieb ab.
Genau so ist es mit uns. Wir haben so viele Schwächen und Fehler unserer Mitmenschen zu ertragen. Wir reiben uns oft aneinander, werden heiß, aufgeregt und aufgebracht. Wie oft sagen wir: Diese Person bringt mich „auf die Palme“! Wir werden dann zum zerstörenden Hammer, der die Freundschaft, das gute Einvernehmen und den Frieden zerstört, wenn uns dabei eines fehlt: Das Öl der Sanftmut. Wie für die rotierenden Maschinen das Öl notwendig ist, so notwendig ist für uns – wollen wir gut miteinander auskommen – die Tugend der Sanftmut. Mit Gewalt kann man Menschen in den Staub zwingen, kann man Menschennacken beugen, aber niemals Menschenherzen bezwingen. Das gelingt nur der Sanftmut. Auf diese Wahrheit stößt uns schon das Sprichwort auf die Nase: „Mit einem Tropfen Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass Essig!“

Ein Beispiel: In New York sammelten zwei Ordensschwestern milde Gaben für ihr Armenhaus. Sie kamen auch in einen Fleischerladen. Der Inhaber war ein grober Klotz. Kaum hatten sie ihr Anliegen vorgebracht, da jagte er sie aus dem Laden und warf ihnen in seinem Zorn noch einen großen Knochen nach. Eine Schwester hob den Knochen auf und rief lächelnd zurück: „Danke! Das gibt eine gute Suppe!“ Dieses eine Wort der Sanftmut entwaffnete den groben Mann so sehr, dass er den Schwestern ein großes Stück Fleisch gab und es sogar zum Armenhaus bringen ließ. Von nun an schickte er jede Woche Fleisch ins Armenheim und blieb ein Wohltäter dieses Heims. Es ist so: Ein sanftmütiges Wort bewirkt immer Gutes; ein Redeschwall von Flüchen und Verwünschungen nur Böses.

Sanftmut haben wir alle im täglichen Leben nötig, soll Harmonie zwischen uns herrschen. Woraus besteht sie? Wenn man gelbe Farbe mit blauer Farbe vermischt, entsteht daraus grüne Farbe. Sanftmut ist ebenfalls das Resultat einer Mischung von zwei Tugenden: Demut und Liebe. Die Demut schützt uns vor Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Dadurch vermeiden wir zwei üble Folgen: Wir schlüpfen nicht in die Rolle des ewigen Lehrmeisters und wir zwingen unseren Willen anderen Menschen nicht auf. Dadurch verzichten wir auf das Richteramt über andere Leute und schieben dem Tyrannen in uns einen Riegel vor.  Die Liebe hilft uns, den Mitmenschen mit Sympathie zu begegnen und gibt uns die Kraft, Schwachen zu helfen. Die Sanftmut ist eine geistige Kraft, die andere Menschen verwandeln kann. Wie steht es mit uns? Auf jedem Transformatorenhaus ist eine Warnschrift angebracht: „Vorsicht! Hochspannung! Berühren der Drähte lebensgefährlich!“ Wie vielen Menschen müsste man diese Warntafel umhängen. Sie sind ständig gereizt wie ein entzündeter Blinddarm und überempfindlich wie eine Mimose. Gehören wir zu ihnen? Brausen wir gleich auf? Dann ist es notwendig, die Hochspannung auf das normale Maß zu bringen. Die Hilfe zur Entspannung heißt Sanftmut! Lernen wir das von Christus, der gesagt hat: „Ich bin sanftmütig und demütig von Herzen!“