WORT ZUM SONNTAG: Im Fischerboot des Lebens

Der amerikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger Ernest Hemingway (1899 – 1961) schrieb ein Werk, das viel gelesen wurde. Es heißt: „Der alte Mann und das Meer“. Darin berichtet er über den alten Fischer Santiago. Dieser hatte schon viele Tage hindurch keinen Fang mehr gemacht. Die Leute redeten abschätzig über ihn und sagten, er solle sein Fischernetz an den Nagel hängen, er sei zum Fischen schon zu alt. Das erbitterte den alten Mann. So stieg er ein letztes Mal in sein Boot und fuhr hinaus auf das Meer. Er wollte seinen Mitmenschen beweisen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehöre und noch immer ein hervorragender Fischer sei.

Weit im Meer legte er seine Leine aus. Und er hatte Glück. Ein riesengroßer Fisch, wie er ihn bisher noch nie gesehen hatte, biss an. Zwischen dem alten Mann und dem Riesenfisch entbrannte ein heftiger Kampf. Der alte Mann erkannte, dass dies hier seine letzte Chance im Leben war, um seinen guten Ruf wieder zur Geltung zu bringen. Drei Tage lang kämpfte der alte Mann mit dem Riesenfisch. Schließlich war der Fisch so erschöpft, dass der Fischer, selbst schon am Ende seiner Kraft, ihn mit einer Harpune tötete. Nun konnte er augenscheinlich beweisen, dass er noch immer ein berühmter Fischer sei. Der Fisch war aber für das Boot viel zu groß. Auf der Heimfahrt zog er ihn hinter dem Boot her. Aber unterwegs, von der Blutspur angelockt, erschienen Haie. Nun kämpfte der Fischer mit den Haien um seinen Fang. Ganz erschöpft erreichte er endlich mit seinem Boot den Hafen. Dort erschrak er gewaltig, denn was er jetzt sah, waren nur die fleischlosen Reste des Riesenfisches. Die Haie hatten den Rest gefressen. Mit leeren Händen kam er von seinem letzten großen Fang nach Hause.

Ist diese Geschichte Hemingways nicht ein Bild für unser Leben? Auch wir wollen im Leben viel erreichen. Manche arbeiten und schuften bis ans Ende ihrer Kräfte. Viele haben tatsächlich mehr Erfolg und Glück als der alte Fischer. Aber wie lange? Eines Tages landet jeder von uns im Hafen des Todes. Alles, was wir erlangt, erkämpft, erworben haben, bleibt hier zurück. Wir alle werden diese Erde mit leeren Händen verlassen müssen. „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Ist das unser ganzer Lebensinhalt, unser ganzer Lebenssinn, dass wir am Ende des Lebens als Verlierer dastehen? Für Menschen, denen diese materielle Welt ihr Ein und Alles ist, wird das todsicher zutreffen.

Wir gläubigen Christen aber wissen, dass Gott uns nicht nach unserem Erfolg bewertet, wie es die Menschen tun, sondern nach unserem guten Willen, der in unserer Dienstwilligkeit wahrnehmbar ist. Wir müssen nicht mit Heldentaten beweisen, dass wir gute Christen sind. Wir müssen aber die innere Überzeugung haben, dass wir nur mit der Hilfe Gottes, gepaart mit unserer Willenskraft, den Lebenskampf mit dem Riesenfisch „Welt“ bestehen können, wollen wir nicht als Verlierer, sondern als Sieger dastehen. Rüsten wir unser Lebensboot entsprechend und vernünftig aus. Aber womit?

Die alten Heiden glaubten, das ganze Weltgebäude ruhe auf vier gewaltigen Säulen. Würde nur eine davon bersten, so gäbe es an dem ganzen Gebäude ungeheure Risse und Sprünge. Zuletzt folge der totale Einsturz. Das ist im sichtbaren Weltgebäude nicht der Fall, kann aber in unserem Leben geschehen. Unser Leben, soll es geordnet sein und bleiben, beruht auf vier geistigen Säulen: Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Starkmut. Ist eine dieser vier geistigen Säulen nicht solide, wird unser geordnetes geistiges Leben großen Schaden erleiden. Denn die Klugheit lehrt, das Leben richtig zu werten. Die Gerechtigkeit lehrt, das Leben zu ordnen. Die Mäßigkeit lehrt, das Leben im Zaume zu halten. Der Starkmut lehrt, das erkannte Gute durchzusetzen. Die Klugheit gießt Licht in die Dunkelheit des Lebens. Die Gerechtigkeit gibt Ordnung in den Fragen von Dein und Mein. Die Mäßigkeit wahrt die Herrschaft des Geistes in den Genüssen des Lebens. Der Starkmut verleiht die Kraft, die Beschwernisse des Lebens zu überwinden.

Rüsten wir unser Lebensboot mit diesen geistigen Kräften aus. Wir werden den Kampf mit dem Riesenfisch „Welt“ bestehen und keine „Haie des Bösen“ werden unser Errungenes uns entreißen können. Wir werden im Hafen Gottes als Sieger über den „Fisch der Welt“ und die „Haie des Bösen“ landen.