WORT ZUM SONNTAG: In der Nachfolge Christi

Als Jesus vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber des ewigen Heils geworden.      Hebr. 5,9

Der Sonntag Judika, der Sonntag vor Palmsonntag und der Karwoche, mit dem nach altem Brauch die eigentliche Passionszeit beginnt, leitet seinen Namen vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: „Judica me, Deus, et discerne causam meam de gente non sancta“ (Ps 43,1 - Gott, schaffe mir Recht und führe meine Sache wider das unheilige Volk und errette mich von den falschen und bösen Leuten!). Gottes Antwort auf diesen Schrei nach Recht und Gerechtigkeit ist sein geliebter Sohn Jesus. Doch damit nicht genug: Er musste Gehorsam lernen, obwohl er Gottes Sohn war! Christus hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte; und er ist auch erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. (Hebr. 5,7) Dadurch ist er für alle, die ihm gehorsam sind, zum Urheber des ewigen Heils geworden. Das klingt alles sehr theologisch und theoretisch. Was bedeutet das für uns heute? Es geht um die Nachfolge, um unseren Gehorsam, es geht um unsere Antwort auf Gottes Handeln und sein Gebot. Nehmen wir die Gnade Gottes an, so kann sie wirken. Wenn sie nicht angenommen wird, kann sie nicht wirken. Das große Geschenk Gottes, seine Gnade in seinem Sohn Jesus Christus, muss nur bedingungslos angenommen zu werden.

Es kann in der Passionszeit nicht oft genug gesagt sein: Ziel allen Leidens ist nicht die Verherrlichung des Todes, sondern die Ehrfurcht vor dem Leben. Und die Ehrfurcht vor dem Leben beginnt damit, dass wir Gott in Ehren halten. Ziel all unserer Mühen, all unserer Traurigkeit, all unserer Nöte und Leiden ist somit die Stärkung des Vertrauens auf den lebendigen Gott. Wir sind als wanderndes Gottesvolk unterwegs wie auch die Empfänger des Hebräerbriefes. Da wird uns auch als Kirche Mut gemacht, immer wieder neu aufzubrechen, es zu wagen, mit dem Blick auf den Gott, der vom Tod erretten kann, neue Schritte zu tun. Auch wenn Ringmauern, Kirchtürme oder auch Kirchen einstürzen, sollen wir nicht resignieren oder müde werden, denn in jedem Leidensprozess liegt die Chance der Erneuerung. Denn im Kreuzestode Jesu geht es um das Leben selbst, um das Leben aller Menschen und auch um die Lebendigkeit seiner Gemeinden, seiner Kirche.

Eindrücklich veranschaulicht das folgende Legende: In einer Oase treffen sich einige Menschen am Lagerfeuer unter einer eigenartig geformten Palme. Ein alter Mann beginnt die Geschichte dieser Palme zu erzählen: Als sie noch jung und zartwüchsig war, hob ein Mann in seiner Wut und Verzweiflung einen schweren Stein auf die zarte Krone der Palme. Die junge Palme schüttelte sich und bog sich und versuchte, die schwere Last abzuwerfen. Vergebens. Zu fest saß der Stein in der Krone. Wie sollte sie jetzt so weiterleben? Da riet ihr der Wind: „Akzeptiere deine Situation! Versuche nicht, den Stein abzuwerfen, du schaffst es doch nicht! Lerne mit dem Stein zu leben.“ Es kostete sie viel Kraft, doch die Palme schaffte es. Sie trieb ihre Wurzeln tief in den Wüstensand, bis sie eine Quelle fanden. Durch das Wasser angelockt, siedelten sich dort bald auch andere Palmen an und es entstand nach und nach eine Oase. Nach vielen Jahren kam der Mann wieder und erkannte den Ort nicht mehr. Da neigte die stolzeste Palme ihre Krone, zeigte dem Mann den Stein und sagte: „Ich muss dir danken. Deine Last hat mich stark gemacht.“  (Die Steinpalme – nach einer Legende aus der Sahara)