WORT ZUM SONNTAG: Rätsel des Lebens

An der Fassade eines prunkvollen Hauses in Berlin waren von Künstlerhand die vier Lebensalter dargestellt: Kind, Jüngling, Mann, Greis. Vor dem ersten und nach dem letzten Bild sah man eine eigenartige Gestalt: eine Sphinx, jenes Fabelwesen, das den Menschen Rätsel aufgab und sie tötete, wenn sie das Rätsel nicht lösen konnten. Damit wollte der Künstler ausdrücken: Was vor der Jugend ist und was nach dem Alter kommt, ist für uns Menschen ein unlösbares Rätsel. Woher wir kommen und wohin wir gehen, können wir von uns aus nicht wissen. Unser Leben ist ein Kommen aus unbekanntem Dunkel und ein Gehen in unbekannte Finsternis. Wir fragen: Ist unser Leben ein unlösbares Sphinxrätsel?
Ernste Menschen beschäftigen sich intensiv mit diesen Lebensfragen. Das tat auch Napoleon, allerdings nicht, als er sich mit Eroberungsplänen beschäftigte, sondern erst in seiner Verbannungszeit auf der Insel Sankt Helena. In einer Unterredung sagte er: „Wenn der Mensch ins Leben tritt, so fragt er sich: Woher komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich? Dies sind geheimnisvolle Fragen.“ Aber wenn der gesunde Mensch noch mitten im Leben steht, drängt sich ihm noch eine Frage auf: Welchen Sinn hat mein irdisches Leben, eingezwängt zwischen Wiege und Grab? Die Psychologin Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck erklärte: „Das höchste Gut bleibt der Sinn des Lebens. Beim Sinn geht es aber nicht um Glück, sondern um das Wertvolle!“

Was ist uns im Leben wertvoll? Was zählt wirklich im Leben? Hasso Plattner, 70 Jahre alt, einer der reichsten Deutschen mit geschätzten sechs Milliarden Euro Vermögen, sagt: „Geld macht überhaupt nicht glücklich. Natürlich strebt man nach Geld, und mit Geld kann man etwas kaufen. Glück aber kann man nicht kaufen. Wir sind so nicht gebaut, und das ist auch gut so.“ Ein so reicher Mann muss es ja aus ureigenster Erfahrung wissen. Nach einer Studie eines britisch-amerikanischen Forscherteams fällt die Lebenszufriedenheit ab einem Bruttoinlandsprodukt von rund 27.000 Euro pro Kopf und Jahr sogar leicht ab. Dafür nennen die Wissenschaftler zwei Gründe. Wer etwas zu verlieren hat, entwickelt Angst vor dem Verlust. Zugleich entsteht plötzlich Raum für unerfüllte Wünsche und Neid. Man will noch mehr verdienen, ein besseres Auto besitzen oder ein ebenso großes Haus wie die Nachbarn von gegenüber. Der Unterschied zwischen tatsächlichem Einkommen und dem Einkommen, das wir gern hätten, frisst Teile der Lebenszufriedenheit regelrecht auf.“  Andere meinen, das Wertvolle im Leben sei der Machtbesitz über das Schicksal anderer Menschen. Denen widerspricht der 60 Jahre Daimler-Chef Dieter Zetsche: „Es heißt, je mächtiger du bist, desto freier bist du. Wahr ist eher das Gegenteil.“ Recht hat er. Der Mächtige ist stets in Sorge, es könnte ein Rivale auftauchen und ihn stürzen. Furcht, Sorge und Misstrauen bestimmen sein Leben. Beispiel dafür ist Stalin.

Angesichts dieser Tatsachen schlagen lebenserfahrene Persönlichkeiten sehr ernste Töne an. Steve Jobs (1955-2011), der amerikanische Apple-Gründer, erklärte kurz vor seinem Krebstod vor kalifornischen Studenten: „Eure Zeit ist begrenzt, vergeudet sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben.“ Der Milliardär formulierte sein philosophisches Vermächtnis so: „Lasst den Lärm der Stimmen anderer nicht eure innere Stimme ersticken!“ Die Suche nach den Dingen, für die es sich zu leben lohnt, leitet zwangsläufig zum Lebensende, zum Tod. Der Gedanke an die Endlichkeit unserer irdischen Existenz liefert die entscheidenden Impulse für die Sinnfragen. Das war schon immer so, angefangen beim griechischen Denker Aristoteles bis zum lebensfrohen Mozart. Napoleon hat auf die Lebensfragen: „Woher komme ich, wohin gehe ich?“ folgerichtig den Schluss gezogen: „Dies sind geheimnisvolle Fragen, die uns auf die Religion verweisen!“  Für uns, gläubige Christen, steht weder am Anfang noch am Ende unseres Lebens eine Rätselsphinx. Die Offenbarung Gottes in der Bibel lüftet das Geheimnis bereits auf den ersten Seiten: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild“. Und das Buch der Weisheit bekräftigt diesen Ausspruch: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht“ (Kap.2,23). Unser Woher kommt also von Gott. Was ist mit unserem Wohin? Das erklärt uns feierlich Christus: „Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten!“