WORT ZUM SONNTAG: Recht und Gerechtigkeit

Seit es zwischen der Ukraine und Russland gewaltig knistert, habe ich mir Gedanken gemacht und mich gefragt: Was ist da los? Was stimmt da nicht? Was für Interessen gibt es da nun wieder? In den Medien werden viele Meinungen geäußert. Der Tenor der Haltungen zu diesem Konflikt ist: Sympathie und Unterstützung für die Ukraine, Unverständnis und Ablehnung für Russland und allzumal seinen Präsidenten Wladimir Putin.

Der russische Präsident ist auf sein Bild in der Öffentlichkeit sehr bedacht. Er zeigt sich den Medien in verschiedenen Situationen immer als ein dominanter, die Lage beherrschender, vielseitig interessierter, Sport treibender, tierliebender Mann, der alles im Griff hat und alles bestimmt. Auch geht er ab und zu in die Kirche und bekreuzigt sich brav. Das ist für mich der springende Punkt: Gott spielt eine Rolle in seinem Leben? Welche Rolle spielt er? Wie ernst nimmt Präsident Putin Gott?

Wie ernst haben unsere Präsidenten der Neuzeit Gott genommen, als sie sich vor der Kamera bekreuzigten? Wie ernst rechnen unsere heutigen Politiker mit Gott in ihrem Leben und in ihrem politischen Alltag? Geht das überhaupt zusammen: Politik und Gott? All diese Fragen stellte ich mir, als ich unlängst im Buch des Propheten Amos las. Er war vor ungefähr zweieinhalb Jahrtausenden der Mund Gottes unter dem König Usija (im Südreich der Juden – Judäa) und König Jerobeam (im Nordreich der Juden – Israel). Gott hatte ihn aus dem Stand eines Schafzüchters herausgeholt und in den sehr schweren Stand eines Propheten versetzt. Er durfte nicht schweigen. Angesichts der großen Missstände im geteilten jüdischen Reich musste er Kritik üben: an den Herrschern, an den Reichen, an den heuchlerischen Gottesdiensten.

Wenn Gott, der HERR, redet, kann der Prophet nicht schweigen. Wenn Gott beauftragt, muss der Knecht prophezeien. Er wendet sich z. B. gegen die Reichen in Samaria, welchen den Geringen Gewalt antun, die Armen schinden und viele Saufgelage veranstalten. Er bemängelt die Gottesdienste mit ihren Schlachtopfern, Dankopfern und Rauchopfern – herrliche, prächtige Gottesdienste mit Gesang und Harfenspiel. Und doch: Gott wird nicht ganz ernst genommen. Nicht Gott steht im Mittelpunkt, sondern die Mächtigen in ihrer Selbstverherrlichung und Selbstgenugtuung. Gott in seiner Heiligkeit hat das Volk Israel und seine Machthaber durch seinen Diener Amos wissen lassen, was auf es zukommen wird: Strafe – in Form von Dürre, Hunger, Pestepidemien, Getreidebrand, gefräßige Raupen, Zerstörung und Tod. Und trotz aller Warnung muss Gott feststellen: „Und dennoch bekehrt ihr euch nicht zu mir“ (Amos 4,10 c).
Sonntagsgehabe und Alltagsverhalten klaffen weit auseinander. Frömmelei auf der einen Seite, Rechtsbruch und Rechtsverdrehung auf der anderen Seite.

Ist es nicht erstaunlich, dass sich in 2500 Jahren im Verhalten der Menschen diesbezüglich kaum etwas verändert hat? Die vielen Propheten haben gesprochen oder stumm gelitten wie ein Lamm, sie haben Zeichen gesetzt und Spott erduldet. Einige wurden sogar getötet. Gott hat gestraft oder lange geduldet. Er hat geliebt und nie ganz verworfen. Er hat um die Seinen gerungen und gekämpft. Er hat unzählige Propheten in den Kampf gesandt. Den Amos lässt er verkündigen: „Suchet mich, so werdet ihr leben!“ (Amos 5,4).

Das ist ein guter Tipp, gültig zu allen Zeiten: Suchet GOTT, so werdet ihr leben! Dieser Ratschlag kommt daher, weil Gott Recht und Gerechtigkeit liebt! Er ist ein Gott des Rechtes und der Gerechtigkeit (Sprüche14,34 und Amos 5,24). So fordert Gott durch seinen Propheten Amos: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach!“ (Amos 5,24). Das ist ein berührendes Bild: Recht und Gerechtigkeit wie ein Leben spendender, reinigender Strom mitten in einer Welt des Unrechts und der Ungerechtigkeit.

Die große, weite Welt werden wir nicht retten, aber in unserem Mikrokosmos können wir Gottes Anspruch an uns teilweise erfüllen. Amos rät konkret: Meidet und hasst das Böse, sucht und tut das Gute, richtet das Recht auf in eurer Mitte.

Suchet Gott, so werdet ihr leben!