WORT ZUM SONNTAG: Übermittler der Geistesenergie

Ein Schiffsjunge musste einmal im Sturm den Mast hinaufklettern. Die Meereswogen gingen hoch und die Wellen trugen das Schiff bald nach oben in schwindelnde Höhen und bald hinab in abgründige Tiefen. Dem Schiffsjungen begann schwindelig zu werden und er drohte herabzustürzen. Der Kapitän erkannte die Gefahr und rief dem Jungen zu: „Junge, schau nur nach oben!“ Der Schiffsjunge riss seinen entsetzten Blick von den tobenden Wellen los und richtete ihn nach oben. Dieser Blick zum Himmel rettete ihn. Er konnte nun sicher nach oben klettern und seine Aufgabe erledigen.
Ergeht es auch uns nicht oft auf unserer Fahrt über das Meer des Lebens ähnlich wie dem Schiffsjungen? Es überfallen uns Stürme von Leid, von Krankheiten, Unglücksfällen und Not und wir verlieren den Lebensmut. Stürme von unbeherrschten Leidenschaften suchen unser „besseres Ich“ zu zerstören und uns fehlt die nötige Widerstandskraft. Da hilft nur eines: Den Blick nach oben richten! Herz und Sinn zu Gott erheben, mit anderen Worten: Da hilft nur noch das Beten!
Es gibt viele Menschen, die in „sturmfreien Zeiten“ sich allein auf ihr Wissen, ihr Talent, ihre Kraft verlassen. Aber es gibt keine sturmfreie Reise über das Meer des Lebens. Was machen wir dann, wenn Stürme hereinbrechen?

Jede Maschine, soll sie arbeiten, benötigt Energie, die sie selbst nicht erzeugen kann. Auch wir, wollen wir unser „besseres Ich“ erhalten und entfalten, haben geistige Energie nötig, die wir nicht erzeugen können. Diese geistige Energie, theologisch „Gnade“ genannt, kommt von Gott. Wir erhalten sie vor allem durch das Gebet. Das Gebet ist der Übermittler der Geistesenergie. Christus ermuntert uns: „Bittet, und ihr werdet empfangen; suchet, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan werden!“ Dass diese Verheißung in Erfüllung geht, zeigen uns wundersame Ereignisse. Der hl. Jugendapostel Don Bosco (1815-1888) sammelte die elternlosen und verkommenen Kinder von den Straßen Turins, um sie zu verköstigen und zu erziehen. Er verließ sich dabei nicht auf seinen Geldbeutel, der war ja immer leer, sondern einzig auf das Gebet und die Hilfe Gottes. Sein Werk gedieh großartig.
Der hl. Pfarrer von Ars (1786-1859) gründete ein Armenhaus und hatte keinen Groschen in der Tasche. Aber er besaß etwas Erfolgreicheres: Zwei Hände, die er zum Gebet faltete, einen Mund, der vertrauensvoll zu Gott rufen konnte, und ein Herz, das auf Gott vertraute. Schier provokativ nannte er sein Armenheim „Haus der Göttlichen Vorsehung“. Keiner ist in diesem Haus an Hunger gestorben oder durch Viren angesteckt worden, obwohl es keine Desinfektionsmittel im Hause gab. In der atheistischen Sowjetunion mussten viele an Dystrophie sterben.

Die Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa (1910-1997) sammelte in Kalkutta die verlassenen, vergessenen, sterbenden Menschen von der Straße und pflegte sie. Was gab ihr und ihren Helferinnen den Mut und die Kraft dazu? Kein gefüllter Geldbeutel, sondern die zum Gebet gefalteten Hände und das Vertrauen auf die Macht und Wirksamkeit des Gebetes. Seien wir davon überzeugt: Die stärkste Kraft, die den Menschen gegeben ist, entströmt den zum Gebet gefalteten Händen. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), den die Braunen ermordeten, sagte: „Das Gebet ersetzt keine Tat, aber es ist eine Tat, die durch nichts zu ersetzen ist!“ Das hat er mit seinem Blutopfer bezeugt.
Der heilige Benedikt, der Patron Europas, schuf mit seinem berühmten Spruch „Ora et labora – bete und arbeite“ die Basis für ein gutes und erfolgreiches Leben. Ora et labora hat die europäische Zivilisation und Kultur erst ermöglicht. Jeder von uns hat dieses Programm zur guten Lebensgestaltung nötig. Ein Konzertpianist bekannte: „Wenn ich einen Tag nicht übe, merke „ich“ es. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merken es meine Freunde. Wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es das Publikum. Ähnlich geht es mir mit dem Beten. Wenn ich einen Tag nicht bete, merkt es Gott. Wenn ich zwei Tage nicht bete, spüre ich es selber. Wenn ich drei Tage nicht bete, spürt es meine Umgebung.“ Wir haben nicht nur das tägliche Brot, sondern auch täglich die geistige Energie nötig. Sie fließt uns durch das Gebet zu. Gott nimmt nicht die Lasten, Er stärkt die Schultern.