WORT ZUM SONNTAG: Vom Himmel berührt

Teil der Gemeinschaft zu sein, war in Siebenbürgen kein Thema. Man lebte in einem guten, nachbarschaftlichen Verhältnis zueinander, wie auch in Großfamilien, wo Freude und Leid zu teilen, eine Selbstverständlichkeit war. Man kannte somit den Wert eines jeden Menschen, weil man andererseits aufeinander angewiesen war. Deshalb können wir uns heute eine Situation schwer vorstellen, in welcher jemand ausgestoßen ist und als Gesetzloser lebt. Wohl gab es einzelne Fälle, wo Kinder oder Geschwister verstoßen wurden, doch diese fanden immer wieder Aufnahme bei Verwandten und Bekannten, auch wenn ihr Schicksal noch so hart gewesen war. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft wurde früher groß geschrieben. Heute sieht die Welt anders aus.

Vor mehr als zweitausend Jahren war das nicht so. Ein Beispiel dafür sind die Berichte der Bibel, wo Jesus aussätzigen Menschen begegnet. Denn tot zu sein oder Aussatz zu haben, das war zu Jesu Zeiten das Gleiche. Für das jüdische Gesetz war nämlich ein Aussätziger tot und rechtlos. Vom schlimmsten Übel war er befallen und als Sünder gestempelt. Tot und mit Schuld beladen galt der Aussätzige selbst für die Familie, für das Dorf, für die Stadt. Niemand durfte mit ihm sprechen, niemand durfte ihn anrühren. Die Aussätzigen lebten damals abgesondert von der Zivilisation, und das bis ins späte Mittelalter hinein. Ohne irgendwelchen Erwerb waren diese Ausgestoßenen auf Almosen angewiesen, nur um zu überleben. Der Aussatz, die Lepra, war nämlich nicht heilbar. Der Leprabazillus wurde erst 1873 durch Gerhard A. Hansen entdeckt. Dem Krankheitserreger ist man jedoch bis auf den heutigen Tag nicht ganz auf die Schliche gekommen. So leben heute, zwar in isolierten Dörfern, noch immerhin mehr als 2,5 Millionen Leprakranke auf der Welt, in Asien, Afrika und in Südamerika. Die WHO unterstützt weiterhin Länderprojekte und Stiftungen. Doch früher gab es keine Hoffnung für die Aussätzigen.

In der Bibel finden wir nun ein Beispiel, passend zum Thema des Sonntages, wo gerade diesen aussichtslosen Menschen geholfen wird, siehe auch das Evangelium des Markus, Kapitel 1, Verse 41-45. Kein Almosen wird dem einen Aussätzigen von Jesus gegeben. Doch die Hilfe, die er vom Gottessohn erfährt, wiegt mehr als tausend anderer Hilfen. Denn sie befreit ihn nicht nur von der ekligen Krankheit, sondern auch von der seelischen Not, die durch das allzu strenge Gesetz verursacht wird. Hier nun wirft er sich vor Jesus auf die Knie, weil er von den heilenden Händen Jesu erfahren hatte. Zaghaft bittet er den Gottessohn Jesus: „Wenn du willst, kannst du mich freisprechen!“ Und Jesus heilt ihn. Noch mehr, Jesus übertritt auch das Verbot, mit dem Kranken Kontakt zu haben. Denn das Volk Israel sollte doch, als das auserwählte Volk Gottes, ein reines Volk, ein edles Volk sein. Arme, Aussätzige, Blinde und selbst Kinderlose waren darin abgeschrieben.

Doch hier geschieht nun ein Wunder. Der kranke, von Geschwüren und Aussatz befallene Mann wird rein! Er ist wieder gesund! Er ist nicht mehr von der Gemeinschaft und der Gnade Gottes ausgeschlossen, sonder er ist jetzt, dank Jesu, allein der Gnade und der Barmherzigkeit Gottes unterstellt. Denn diese Gnade Gottes gehört allen Menschen, lässt uns Jesus hier durch diese Begebenheit wissen. Ganz gleich welcher christlichen Glaubensrichtung wir auch angehören, Gottes Gnade ist uns sicher ! Denn Gott, der Herr, zeigt sich allen getauften Menschen, wo und wann er will, in gleicher Weise. Das Heil wird dem angeboten, welcher an Jesus glaubt. Diese Erkenntnis hat auch unser Reformator, Martin Luther, im Kleinen Katechismus in dem ersten Artikel sehr gut beschrieben. Die Gnade Gottes gehört allen Menschen und wird von dem himmlischen Vater uns allen zuteil: „aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn´ all mein Verdienst und Würdigkeit; des all ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin“. Das ist wohl das Beste, was Gott den Menschen in seiner Liebe geben kann.

Dem Aussätzigen ist nun wahrlich Gott begegnet. Nachdem er sich den Priestern gezeigt hat und als rein erklärt wird, ist er auf rechtlichem Wege wieder Teil der Gesellschaft geworden. Er darf wieder nach jüdischem Recht Sohn seiner Eltern sein, Mann seiner Frau, Vater seiner Kinder. Er darf wieder der Gemeinschaft nützlich werden und dem Nachbarn fröhlich begegnen. Jesus hat ihn berührt! Der Himmel hat ihn berührt! Gott war ihm hier näher als nah! Das ist ein großes Gnadengeschenk. Ob die Gemeinschaft (die Gemeinde) ihm wieder, wie früher, bevor ihn die Krankheit ereilt hatte, begegnet ist, wissen wir nicht. Doch wenn der Himmel die Menschen einmal berührt, dann ändern sie sich. So eine Berührung wirkt Wunder. Lassen wir uns doch einmal vom Himmel berühren. Er ist so nah!