WORT ZUM SONNTAG: Von Gott erfasst werden

Der Kirchenvater Aurelius Augustinus, ein gelehrter Kirchenmann und Bischof des frühen Mittelalters (354-430), ist durch seine Schriften von großem Einfluss bis auf den heutigen Tag. Von ihm stammt das tiefsinnige Gebetswort: „Gott, unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“

Martin Luther, Augustinermönch, las gerne den Augustinus und zitierte ihn auch oft. Das trug ihm im Kloster zu Erfurt den Beinamen „Augustinus“ ein.
Von dem Kirchenvater Augustinus wird erzählt, dass er bei einem Spaziergang am Meer wandernd über die Dreieinigkeit nachgedacht habe. In seinem Denken wurde er unterbrochen. Ein Knabe spielte am Strand. Im Sand hatte er eine Grube gegraben. Mit einer Muschel schöpfte er Wasser und lief zu der Grube, es auszuschütten. Das Wasser versickerte. Unermüdlich lief er hin und her, zu schöpfen und zu schütten. Augustinus sah sein unnützes Treiben und fragte: Was machst du da? – Als Antwort bekam er aus dem Kindermund: Ich will das Meer in meine Grube schütten.

Er sagte sich: O, Mensch, du bist auch nicht gescheiter als dies Kind, welches das Meer ausschöpfen will. Du willst in deinem kleinen Kopf alle Dinge erfassen, ja selbst das Geheimnis der Dreifaltigkeit.

Was Augustinus und die anderen berühmten Kirchenlehrer über die Dreieinigkeit meinten, haben die Reformatoren auch vertreten, besonders was das Wort „Person“ angeht. Gott besteht nicht aus drei Personen, sondern Gott hat drei Personen. Philipp Melanchthon setzte im Augsburgischen Bekenntnis fest: Dies Wort aber muss so verstanden werden, wie es die Väter des frühen Christentums verstanden wissen wollten. Das Wort Persona, ein lateinisches Wort, bedeutet im eigentlichen Sinn nicht das, was man heutzutage darunter versteht, nämlich ein Wesen an sich, „personare“ bedeutet „durchklingen“. Gott klingt durch die Schöpfung durch, wir sehen ihn mit Jesu Christo am Werk und merken seine Kraft des Geistes in dem Leben der Kirche. Da klingt er auf dreierlei Weise durch: Natur, Christus und Geistesgeschehen. Dies dreifache Durchklingen ist nicht eine naive Theologie, als glaubten wir an drei Götter.

Das Wort „Person“ übernahmen die Kirchenväter aus dem römischen Theaterleben. Dort bedeutete es soviel wie „Maske“. Die Schauspieler redeten durch die Maske. Ihre Stimme klang durch die Maske – die „Persona“, die Schauspieler selber wurden nicht erkannt.

Das Wort „Dreieinigkeit“ oder „Dreifaltigkeit“, oder lateinisch „Trinität“ ist eine falsche Rechnung, denn drei ist nicht eins und eins ist nicht drei. Mit diesem absichtlichen Rechenfehler sind uns die Grenzen des Aussagbaren in unserer Sprache angezeigt. Die Kirchenväter des frühen Mittelalters führten den Begriff der „Trinität“, der in der Bibel nicht vorkommt, in die kirchliche Lehre ein.
Es ist eine schwere theologische Aufgabe, die Dreieinigkeit Gottes predigend zu erklären. Ein Theologe aber ist nicht nur der Prediger, der sich bemüht, zu erklären, Theologe ist jeder, der darüber nachdenkt. Und so wie dem Kirchenvater Augustin geht es uns auch: Wir erkennen, dass wir´s nicht fassen können. Müssen wir nicht ausrufen wie Salomo im Tempel-Einweihungsgebet: „Gott, aller Himmel Himmel können dich nicht fassen, wie sollte es denn das Haus tun, das ich gebaut habe?“ (2 Chr 6,18) Wohl uns, wenn wir empfinden und bitten: Vom dreieinigen Gott möchten wir erfasst werden. Nicht wir erfassen ihn, sondern er erfasst uns in sich in seiner umgreifenden Macht.

Zur Einsicht kommen wir in unserer Blindheit nicht so leicht. Wir sind in der sichtbaren Welt und auch in uns eingetrichterten Dogmen gefangen. Manchmal verstehen wir so viel wie der Maulwurf vom Jubeln der Lerche. Wilhelm Busch sagte das in einem Vers:

„Der Maulwurf hört in seinem Loch ein Lerchenlied erklingen und spricht: Wie sinnlos ist es doch zu fliegen und zu singen.“

Für den Maulwurf, der gar nicht mit dem Maul, sondern mit den Füßen wirft, besteht die Welt aus Erdlöchern, aus Gängen, Stollen. „Die Lerche schwingt sich in die Luft“ (Gb. 397,2) Das ist ein „fabelhafter“ Vergleich im eigentlichen Sinn des Wortes „fabelhaft“. Eine Fabel erzählt von Tieren und meint Menschen.
Der Mensch in Christo dringt in die höhere Dimension ein. Das ist nicht ganz richtig gesagt, denn allein kann er das nicht, er muss hineingenommen werden. Der Mensch stellt sich ins Mitwirken unter Gottes Willen. Das Sein in Christo können wir nur begreifen, wenn wir selber ergriffen sind. Wenn wir nicht ergriffen sind, bleiben wir der Maulwurf in der Erde.

Christen sind durch die Taufe einbezogen in den Namen des dreieinigen Gottes, das ist die „Luft“, in die wir uns staunend und anbetend „schwingen“.