WORT ZUM SONNTAG: Zielorientiert leben

Christus sprach zu seinen Jüngern ein Wort mit zielklarer Sicherheit: „Ich gehe nun zu dem, der mich gesandt hat!“ Er sagte dieses Wort nicht kurz vor seiner Himmelfahrt, sondern kurz vor dem Beginn seines blutigen Leidensweges, einige Stunden vor der Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung. Er sah die furchtbaren Stunden, die seiner harrten, voraus. Dennoch sprach er nicht: „Ich gehe jetzt leiden und sterben“, sondern „ich gehe zu dem, der mich gesandt hat!“ Er verweilte nicht bei den Qualen und Schmerzen des Weges, sondern blickte auf das Ziel.

Das haben auch die Apostel von ihm gelernt: Den Blick nicht ausschließlich auf den Weg, sondern auf das Ziel zu richten. Vom Ziel kommt die Kraft, den Weg zu gehen, auch wenn er ein Kreuzweg ist. Der Apostel Paulus hatte auf seinen Missionsreisen viele Christengemeinden gegründet. Nun reiste er nach Jerusalem. In Cäsarea kehrte er beim Diakon Philippus ein.

Da kam ein Prophet, namens Agabus, nahm den Gürtel des Paulus, band sich damit Hände und Füße und sprach: „So spricht der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem fesseln und den Heiden ausliefern!“ Die Anwesenden suchten nun den Apostel von der Jerusalemreise abzubringen. Entschlossen sagte Paulus: „Was macht ihr mir das Herz so schwer? Ich bin bereit, für den Namen des Herrn Jesus mich in Jerusalem nicht nur fesseln, sondern sogar töten zu lassen.“ Er ließ sich von seinem als richtig erkannten Weg weder durch Leid noch durch Todesgefahr abbringen.

Diese Zielklarheit hat er von dem gelernt, der gesagt hat: „Ich gehe nun zu dem, der mich gesandt hat!“ Paulus wurde tatsächlich in Jerusalem verhaftet, war zwei Jahre lang Gefangener in Cäsarea und wurde nach Rom überstellt. Dort war er noch zwei Jahre in Haft. Zuletzt starb er in Rom den Märtyrertod.

Wollen wir vom guten Weg nicht abweichen, müssen wir immer das Ziel vor Augen haben. Wir sollen „zielorientiert“ leben. Wie sagt doch das Sprichwort: „Zwei Dinge bedenke: woher, wohin! Dann hat das Leben den rechten Sinn!“ Wozu leben wir auf Erden? Nur um für die Nahrung des Leibes zu sorgen? Dann sind wir ärmer als die Tiere dran. Sie müssen für ihre Nahrung nicht schuften wie wir und leben dabei sorglos. Sollen wir uns abmühen, um die „Geisteskultur“ der Menschen zu heben? Sicherlich ein erhabenes Ziel. Aber gelingt uns das, wenn wir den Weg verlassen, der „zum Vater führt?“

Der lebenserfahrene Dichter Goethe gibt ein pessimistisches Urteil ab: „Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, um tierischer als jedes Tier zu sein!“ Wir schauen auf die zwei Weltkriege und Diktaturen des 20. Jahrhunderts zurück und auch heute sehen und hören wir täglich von Gräueltaten, die Menschen anderen zufügen. Da sehen wir, wie weit wir noch vom Ziel der Geisteskultur entfernt sind, weil wir nicht den Weg gehen, der „zum Vater führt.“

Menschen, die endlich ihr Lebensziel erkannt haben und ihr Leben danach gestalten, erwächst eine Geisteskraft, auch das Schwerste tragen zu können. Maximilian, der Bruder Kaiser Franz Josefs, (1832-1867) wurde von Napoleon III. überredet, Kaiser von Mexiko zu werden. Er wurde es auch. Aber die republikanischen Mexikaner wandten sich gegen ihn. Unter Juarez wurde das Heer des Kaisers geschlagen, er selbst gefangen genommen und zum Tode durch Erschießen verurteilt. Er hatte ein Tagebuch geführt, das erhalten geblieben ist. Darin findet sich folgende Eintragung: „Mein Gott, ich danke Dir, dass Du mir endlich die Augen geöffnet hast. In meiner Jugend hieß es, ich sei zum Staatsmann geboren. Als ich Soldat wurde, hieß es, ich sei zum General geboren; aber niemand hat mir gesagt, dass ich für Gott geboren bin!“ Was die Erzieher und die Schmeichler versäumt hatten, das hat ihn Gott durch das Unglück gelehrt. Dazu sagte der Kaiser: „Gott, ich danke Dir!“

Menschen, die zielorientiert auf Gott hin leben, lassen sich von ihrem Lebensweg nicht abbringen, mag dieser Weg ein Palmsonntags- oder Karfreitagsweg sein. Nicht die Muskelkraft, sondern der zielorientierte Wille ist das geeignete Mittel dazu, treu den Weg von der Wiege bis zum Grabe zu gehen.