WORT ZUM SONNTAG: Zugesprochene Hoffnung

„Wir gehen jetzt da hinein, drücken uns noch einmal fest, drehen uns um und gehen dann einfach. Jede in ihre eigene Richtung. Wir gucken uns nicht noch einmal um und machen jetzt kein großes Ding draus, ja?! Und wir sehen uns einfach bald wieder!“

In mir regen sich Widerstände. Ich stehe am Bahnhof mit einer engen Freundin, die gleich abreist. Abschiede sind ihr ein Graus. Deshalb soll es immer am besten schnell gehen. Kein langes Festhalten oder Umarmen. Keine langen Reden und guten Wünsche. Das fällt mir schwer, da ich sie so lieb habe und vermissen werde. Ehrlicherweise wissen wir auch nicht, wann denn dieses „Bald“ sein wird.

Es ist schon eine wahre Krux im Leben. Jedes Wiedersehen mit lieben Menschen gleicht einem Freudenfest. Schon seit dem letzten Abschied herbeigesehnt und gewünscht. Innerlich oft ausgemalt, was dann alles passieren soll, über was unbedingt gesprochen werden müsse, was zu unternehmen sei. Aber mit dem ankommenden, geliebten Menschen nähert sich noch mehr. Es schwingt etwas in der Luft. Zunächst ganz unscheinbar. Dann größer werdend, je schneller die Zeit verrinnt. Und schließlich beschattet das unvermeidliche Lebewohl die Gemüter. Der Genuss der gemeinsamen Stunden verkehrt sich in ein Nicht-Loslassen-Wollen. Es scheint unwirklich, dass es so bald schon wieder anders sein soll als jetzt, wo es sich doch schön und nahezu perfekt anfühlt. Diese Gefühle werden umso einnehmender, desto weniger häufig ein Sehen und Zeitverbringen möglich ist.

So wie damals in Ostberlin, als sich am Bahnhof Friedrichstraße Verwandte und Geliebte aus beiden Landes-teilen verabschiedeten, ohne zu wissen, wann und ob ein nächstes Treffen möglich sei. Im Volksmund erhielt die Ausreisehalle nach Westberlin den Namen „Tränenpalast“. Einst wurden an diesem Ort viele Tränen der Trauer und Zerrissenheit vergossen. Erst der Mauerfall und die damit einhergehende Wende brachte in den Weinenden Tränen der Hoffnung und Freude hervor. Heute erinnert das Gebäude an die Trauer über die getrennten Schicksale und gleichzeitig an die Hoffnungskraft auf Wiedersehen.

Wie ist es wohl denen ergangen, die den tot Gewussten als Auferstandenen erneut um sich hatten? Kündigte er auch diesmal an, nicht für immer leibhaftig bei ihnen zu sein, sondern nur noch eine kleine Weile?

Die Evangelien und die Apostelgeschichte schweigen sich in dieser Frage aus. Vielmehr erzählt uns Lukas, dass Jesus den Seinen gebot, nicht aus Jerusalem wegzugehen. Stattdessen sollen sie auf die Geisttaufe warten. Er sprach zu ihnen: „Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“ (Apostelgeschichte 1,7-8)

Nach diesen Worten fuhr Jesus auf in den Himmel, so schreibt Lukas. Gerade sind die Trauertränen getrocknet. Die Freude über das Wiedersehen war groß. Und nun der gefühlt endgültige Abschied mit dem Aufruf zum Warten auf das Kommende, von dem sie wiederum nicht wussten, wie es sich ereignen wird. Jesus mutet den Seinen sehr viel zu in dieser Zeit. Der Abschied an sich steht auch weniger im Fokus. Wichtig ist der Auftrag: warten, empfangen, bezeugen. Ohne Jesus befinden sich die Seinen aber in einer zeitlosen Zwischenzeit. Die Worte Jesu klingen noch im Ohr. Seine Bewegungen sind noch präsent. Er scheint da zu sein und doch auch wieder nicht.

Diese Zwischenzeit erleben wir nun innerhalb des Kirchenjahres. Soeben haben wir der Himmelfahrt unseres Herrn gedacht. Nun warten wir auf das, was kommt. Im Gegensatz zu damals gibt unser Jahreskreislauf einen festen Termin für die Geisttaufe vor. Eine gute Woche noch, dann feiern wir sie.

Aber bis dahin klingt das Evangelium dieses Sonntags in uns nach, das uns Hoffnung zuspricht: Jesus selbst wird uns den Tröster aller Abschiedstränen senden. Denn in ihm ist er mit uns vereint und verheißt uns, es wird ein Wiedersehen geben! Das ist das Evangelium, das uns geschenkt ist. Ob dies aber hier auf Erden oder bei Gott selbst sein wird, das weiß er allein.