Zielhafen rechtsfreier Illiberalität

In einem Land zu leben, wo Richter und Staatsanwälte zu Protestmaßnahmen greifen müssen, um auf die Notwendigkeit des Erhalts der Unabhängigkeit der Justiz zu pochen, das ist deprimierend. Unter diesen Umständen einen der schmierigsten und kriecherischsten Justizminister im Amt behalten zu sehen, ohne zu protestieren, das ist schäbig.

Die zivilgesellschaftliche Bewegung, die gegen die konsequent und mit devoter Beflissenheit des Justizministers Tudorel Toader betriebene politische Zerlegung und Unterordnung des Rechtswesens durch die Politik (mittels hinterlistiger Nutzung aller demokratischer Hebel) protestiert, ist die einzig mögliche demokratische Antwort. Dass aber Teile der bürgerlichen Bewegung gegen eine Teilnahme der politischen Opposition an den Protesten sind, ist falsch. Das zeigt die sich vertiefende Kluft in der Opposition, der die in Rumänien unabdingbare einigende Figur („die Vatergestalt“) fehlt, die der Mentalität und dem innigsten Wunsch des Volkes entspricht.

Der Dăncilă-Regierung guten Willen zu unterstellen, in allem, was sie in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen/Steuern und Rechtsstaatlichkeit (transparenzlos, jede Debatte unterbindend, rechthaberisch und verlogen, mittels Eilbeschlüssen) anstellt, ist lächerlich. Eines sollten auch die EU-Vertreter verstehen, dass nämlich Diplomatie in diesem Fall nicht wirksam ist.

Die Regierung und die PSD-Führung verdienen es nicht, anders als Orbán-Ungarn oder die anderen ehemals kommunistischen Staaten Ost-europas behandelt zu werden, denen es zeitweilig gelungen war, Westeuropa und die EU an ihre tiefe demokratische Überzeugung glauben zu machen. Man denke wieder einmal an das rumänisch/balkanische Sprichwort: „Sei verbrüdert mit dem Teufel, bis du über dem Steg bist!“ Im Klartext: der „Teufel“ sind die westlichen Demokratien, der „Steg“ ist der Zugang zu ihnen und ihren Annehmlichkeiten – nicht zu ihren Verpflichtungen, Regeln und Umgangsweisen! Einmal mehr zeigt sich, dass der EU-Beitritt der Mehrheit der ex-kommunistischen Staaten Osteuropas ein vorzeitiger war. Ihre Antwort: Illiberalität. Und zentrifugales Streben (auch Selbstbestimmung und Eigenständigkeit genannt, hart am Limit der von Ceaușescu immer wieder betonten „Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten“), ganz Staatensouveränität des 19. Jahrhunderts.

Angesichts der Entwicklungen in Rumänien – wegen Straffälligkeit der Spitzenpolitiker steht hier die Justiz im Zentrum der „Nichteinmischungswünsche“ – gibt es eine einzige akzeptable innenpolitische Reallösung: jede mögliche und auch unmögliche bürgerlich-politische Allianz zu schließen, um die Landes- und Volksverachter an der Landesspitze in Bann zu halten und möglichst bald abzusetzen. Der Vormarsch ins Dunkel des beugbaren Rechts muss gestoppt werden – auch mit aktiver Unterstützung der EU. Gerade der Wahlkampf für das neue EU-Parlament bietet dazu Freiräume, um öffentlich Tacheles zu reden. Auch seitens der EU-Spitzen. Für freundschaftliches Blödeln a la Juncker ist jetzt keine Zeit. Die Leute von der PSD, die neuerdings im Fernsehen vorgeschoben werden, zeigen sich von einer derart indoktrinierten Seite (mich erinnerten sie an die auf einem öffentlichen Platz interviewten Nordkoreaner, als ihr Großer Führer nach Vietnam fuhr), dass man als Normalbürger, der immer noch glaubt, in einem normalen Land zu leben, instinktiv weiterzappen musste.

Sicher: von der politisch betriebenen Aufweichung der Gesetze profitieren auch andere Gesetzesbrecher (siehe den „Fall Țăndărei“). Das Ziel der gegen die Justiz gerichteten Gesetzesnovellierungen bleibt aber unverändert: die Spitzen von PSD und ALDE reinzuwaschen für künftige politische Ämter.