Zum Wegschmeißen

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Müll ist teuer, das weiß heutzutage jeder. Doch nicht nur in der Entsorgung, sondern vor allem im Erwerb! Täglich kaufen wir Gegenstände, die von vorne herein nur zum Wegschmeißen gedacht sind. Nein, nicht von Fehlkäufen sei hier die Rede – die nie benutzten Schuhspanner, der überflüssige batteriebetriebene Milchschaumhäubchenquirl für echten Cappucino, das Superschnäppchenkleid, von dem man erst zuhause feststellt, dass es sich hinten so komisch bauscht... Schauen wir doch einfach mal mit anderen Augen in unseren Einkaufskorb:

Da wäre die in Folie eingeschweißte, goldbedruckte Glanzkartonschachtel mit dem futuristisch geformten Plastikdöschen drin, dessen nach oben eingedellter Boden fast den Deckel berührt, woran ihn nur ein überflüssigerweise eingeschobenes Plastikplättchen hindert... Damit das Löffelchen Hautcreme darunter nur ja nicht zu üppig ausfällt! Oder der Parfümflakon, dessen Deckel, zum Kunstobjekt hochstilisiert, den Raum, der die Nutzlast trägt, bei weitem übersteigt. Müll ist er schon deswegen, weil eine Wiederverwendung von vornherein ausgeschlossen ist. Nicht nur, weil das Fläschchen sich nicht zum Nachfüllen öffnen lässt, ohne den aufgeschweißten Sprühmechanismus mit der Zange zu zerstören, sondern auch, weil dieser ohnehin gegen Ende des Inhalts mehr oder weniger vorzeitig seinen Geist aufgibt. Man produziert eben nicht mehr für die Ewigkeit, sondern gleich für den Mülleimer.

Dass man dies noch weiter auf die Spitze treiben kann, zeigte mir einst ein Paket sündhaft teurer französischer Markenschokolade. In Rumänien als Protokollgeschenk vergeben, löste es beim Empfänger, obwohl dieser kein armer Schlucker war, nahezu einen Kulturschock aus. In der edlen Geschenktüte in Kleinkofferformat, mit überdimensionaler Samtschleife dekoriert, lag eine farbenprächtige, vollendet designte voluminöse Schachtel. Nachdem man sie vom schützenden Zellophan befreit hatte, konnte man die sie umhüllende Deckelschlaufe seitlich abziehen und einen Blick auf ihr vielversprechendes Innenleben werfen. Dies bestand zunächst aus einem üppigen Bett an semitransparentem Papierlametta, in dem – allerliebst anzuschauen – fünf dekorative Miniaturschächtelchen ruhten.

Zwei davon bargen wiederum quadratische Metalldöschen, in denen hauchdünne, in Metallfolie gewickelte Plättchen lagen, jedes zusätzlich umhüllt von einer Banderole, die den Inhalt identifizierte: Milchschokolade. Andere zwei wiederum enthielten transparente Döschen, die beim ersten Anblick das Herz trügerisch in die Höhe hüpfen ließen, ähnelten sie doch täuschend jenen für sündhaft teure Kosmetikprodukte. Der Inhalt des ersten: winzige braune Kügelchen, dicht an dicht. Gesichtspuder? Duftbadeperlen? Orientalisches Räucherwerk? Bei näherem Betrachten entpuppen sie sich als –Milchschokolade. Im zweiten Döschen dann etwas größere Kügelchen, nun einzeln wie Bonbons in Glanzpapier eingeschlagen. Oh lala! – Haselnüsse in Milchschokolade.

Edles will eben edel präsentiert werden, so wohl die Message. Noch harrt ein weiteres Schächtelchen seiner Entdeckung. Sein Innenleben wirkt so glanzvoll wie trügerisch: Aus den spärlich gesäten Vertiefungen eines güldenen Plateaus leuchten vier kleine glänzende Gebilde heraus. Endlich... Der Kohinoor und Konsorten? Die britischen Kronjuwelen? Das verschwundene Bernsteinzimmer? Mit angehaltenem Atem von ihrer Umhüllung befreit, entpuppen sie sich als –Milchschokolade.

Spätestens jetzt fühlt man sich betrogen. Wo ist denn nun die Überraschung? Hastig wird jetzt alles auf einmal ausgewickelt. Die Handvoll Milchschokolade, die übrig bleibt, übersteigt kaum die Menge einer der handelsüblichen Tafeln. Das Verpackungsmaterial hingegen lässt jeden Mülleimer überquellen – doch anstatt sich darüber zu ärgern,  fragt man sich auch noch mit einem Anflug schlechten Gewissens, ob man diese Pracht denn einfach so schnöde wegwerfen kann. Immerhin hat ihre Produktion ein Vermögen gekostet! Ganz zu schweigen vom Transport der raumfüllenden Schachteln in Lastwägen quer durch Europa.

Ein Häufchen weitgereister Schokolade als nachhaltiger Umweltverschmutzer. Doch was soll man sonst anfangen mit all den Schleifchen, Bändern, Döschen und Kistchen, auf denen groß und breit ein vielversprechender Firmenname prangt, sodass sich eine Wiederverwertung als Geschenksverpackung verbietet?

Stünde es nicht so ernst um die Umwelt – es wäre zum Wegschmeißen komisch: Die Erkenntnis, dass ein Großteil der Produkte von vorne herein zum Wegschmeißen produziert wird...