Zur Begrüßung des chinesischen Neujahrs

Folklore aus China im Hermannstädter Radu-Stanca-Theater

In den kurzen, ausdrucksstarken Individualtänzen wurden Interpretationen einzelner Tänzer zu Elementen der Volkstänze frei aufgeführt.

Mitreißend waren die live gespielten Rhythmen beim „Trommeltanz“ der Volksgruppe Chaoxian.
Fotos: Dragoş Dumitru

Die Tanzaufführung „Schätze der Folklore aus China“ der „Beijing Dance Academy“, einer der sowohl in China als auch international bekanntesten Tanzschulen, im Hermannstädter Radu-Stanca-Theater erweckte am vergangenen Donnerstag großes Interesse: Der Andrang bei der Abendkasse war beträchtlich, auch wenn bereits fast alle Sitze im Saal besetzt waren. Zur Eröffnung der Tanzaufführung ergriff Theaterdirektor Constantin Chiriac das Wort und begrüßte die 37-köpfige Delegation aus China als Vorbote des Internationalen Theaterfestivals. Eingeladen wurden Vertreter der Tanzakademie im Rahmen einer in Hermannstadt begonnenen Tournee in Rumänien mit weiteren Auftritten in Bukarest und Arad, in Ungarn und der Slowakei zum Anlass des Chinesischen Neujahrs: Das Jahr des Feuerhahnes steht an und begann gerade am 28. Januar. Die Vizepräsidentin der Pekinger Tanzakademie, Deng Youlin, ergriff das Wort auf Chinesisch: „Wir freuen uns sehr über diese Gelegenheit, Ihnen unsere Tänze vorzustellen. Für die Aufführung haben wir Tänze der miteinander lebenden Völker aus dem Nordosten, Nordwesten und Südwesten Chinas vorbereitet.“

Die Vorstellung war in 12 kürzere Abschnitte unterteilt, die jeweils Tänze einer Volksgruppe aus der Volksrepublik China wiedergaben. Was zunächst zu sehr abgehakt erschien, da zwischen den einzelnen Tänzen kaum ein Übergang zu erkennen war, stellte sich als Vorzug der Tanzaufführung insgesamt dar: Eine bunte, so kaum bekannte Vielzahl von Traditionen spielte sich in kürzester Zeit vor den Augen der Zuschauer ab und lies kaum einen gemeinsamen Nenner erkennen. Wenn auch als Bühnentanz stilisiert, wurde bei den Tänzen viel Wert auf Natürlichkeit und Gefühl gesetzt: Auffallend waren die freudigen Gesichter, die Heiterkeit der Tänzer, zuweilen auch Verschmitztheit oder gar Wehmut. So stellten die Tänzer glaubhaft die Tänze und Kostüme der verschiedenen Volksgruppen vor. „Die Tänzer lernen diese Tänze bereits von Kind auf. Schon ab zwölf Jahren werden sie damit vertraut. Sie lernen sogar den jeweiligen Dialekt und können die Melodien der Volksmusik mitsingen. Diese Gruppe ist aus Studenten des vierten, letzten Jahrgangs zusammengestellt“, so die Direktorin der Abteilung für Chinesische Folklore und Volkstänze, Huang Yihua. Allein die Kostüme boten eine fast unüberschaubare Vielfalt an: von der relativ schlichten schwarzen Kleidung mit kurzen Röcken der Volksgruppe Miao beim „Tanz der Holztrommel“ über die bunte, mit Pink durchsetzte Bekleidung der Tänzerinnen mit zu Kreiseln geschwungenen Taschentüchern beim „Yangko“-Tanz der Volksgruppe Han aus dem Nordosten Chinas bis zu den hoch zugeschnürten langen Kleidern im kazachischen Tanz „Kara jorga“. Im Angesicht der aufwendigen Kleidung und des gekonnten Tanzschrittes schien allerdings die mit modernen, westlichen Klängen durchsetzte Musik vom Band stilistisch nicht recht mithalten zu können, auch wenn sie den Rhythmus hergab.

Umso mehr überzeugten daher die live gespielten Trommeln. Im „Tanz der Holztrommel“ gab ein einziges Instrument den Rhythmus an. Beeindruckend inszeniert, stand bei dem Tanz der Trommler zunächst alleine auf der Bühne, als die Tänzer wie aus dem Nichts im Hintergrund auftauchten, einen ausgefallenen Tanz aufführten, um dann wie im Nichts wieder zu verschwinden, sodass erneut allein der Trommler mit seiner Trommel auf der mit Nebel versetzten Bühne stand. Beim „Trommeltanz“ der Volksgruppe Chaoxian saß im Vordergrund auf der Bühne eine kleine Gruppe Trommler. Diese waren perfekt aufeinander eingespielt und schienen eher dem Klang zu folgen, als diesen selbst zu erzeugen. So konnte man erahnen, wie die Stimmung auch bei den anderen Tänzen durch Originalinstrumente noch mehr gesteigert hätte werden können. Die gesamte Vorstellung schien wie ein Marathon der Volkstänze, bei der die Tänzer ihr Können bewiesen, unterschiedliche Schritte und Körperbewegungen zu beherrschen. Als Zuschauer konnte man sich kaum alle Tänze merken, umso weniger, wenn man die Trachten der einzelnen Volksgruppen nicht vorher schon kannte. Neben der Mehrheitsbevölkerung Han gibt es 55 weitere Volksgruppen allein in der Volksrepublik China, wobei die in Taiwan lebenden noch nicht hinzugezählt sind. Einen Bruchteil der damit verbundenen unterschiedlichen Traditionen hat die Aufführung der „Beijing Dance Academy“ sinnlich vermittelt. Die Gewissheit, dass es sich lediglich um eine sehr kleine Auswahl von Tänzen handelt, die fast schon ins Unzählige reichen, entstand gerade durch ihre Vielgestaltigkeit. So vielseitig bekommt man China selten zu sehen.

Die Aufführung endete mit den Tibetischen Tänzen „Zhuo“ und „Yi“ aus der Autonomen Tibetischen Präfektur Yushu der Provinz Qinghai. Diese Tänze drücken in der Erntezeit die Dankbarkeit für die Gaben der Natur aus. Die Tänzer dürfen hierbei die Musik frei interpretieren, wobei sie sich langer, sehr langer, bis zum Boden reichender Ärmel bedienen. Die umhergewirbelten Ärmel geben ein sonderbares Bild ab, zumal die Hände der Tänzer dabei keineswegs zum Vorschein kommen können. Allerdings wirkte das Bild der schnellen, fast schon ekstatischen Tänzer an sich einladend mitzumachen. Und tatsächlich luden die freudestrahlenden Tänzer zum Abschluss mehrere Leute aus dem Publikum auf die Bühne ein, um sich dem Tanz anzuschließen. Die Vorstellung wurde unterstützt von der Chinesischen Botschaft in Rumänien, dem Rumänisch-Chinesischen Haus sowie von Niro Investment Group. Sie ist Teil eines neueren Projektes, ganzjährig Veranstaltungen außerhalb des beliebten und bekannten Hermannstädter Internationalen Theaterfestivals zu bieten. Wie Theaterdirektor Chiriac eröffnete, entstanden während des Aufenthalts der Delegation in Hermannstadt auch weitere Projekte mit der Lucian-Blaga-Universität, die auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit schließen lassen. Auch kündigte Chiriac an, dass im März im Rahmen desselben Projekts Gäste aus Japan erwartet werden.