Zwei zurück

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Die Hoffnung, dass die parlamentarische Mehrheit von den Vorgaben ihrer verurteilten oder prozessbedrohten Führer abweicht und, gesichtswahrend, auf die Aufweichung und Verwässerung der Strafgesetze verzichtet – sie hat sich weder bei Präsident Johannis noch bei uns erfüllt, die wir hofften, dass Rumänien die Illiberalität Polens, Ungarns, Mitteleuropas und die Autokratie der Türkei meidet. Es ist eine Etappe beim „Ein Schritt vorwärts – zwei zurück“-Polittänzeln Rumäniens. Wir haben „zwei zurück“ getan. Die Korrupten, die Straffälligen, die Betrüger haben ein bedeutendes Etappenziel erreicht. Wäre die Bevölkerung dieses Landes politisch integer und gebildet, müssten jeder anständige Parlamentarier sowie alle aus der Opposition den Hut nehmen. Bleiben sie, sind sie Kollaborateure.

Die „straffälligen Flüchtlinge“ werden mit Hilfe skrupelloser Medienmogule immer lauter. Die diebische Skandalnudel Elena Udrea, Bevorzugte des Ex-Präsidenten Băsescu (dessen Enthüllungsprozess als Initiator des politisch-geheimdienstlichen Übels läuft, an dem Rumänien leidet), der primitive Neureiche Sebastian Ghiță, ein manipulationsaktiver Medienmogul, die Ex-Spitzenstaatsanwältin und Udrea-Freundin Alina Bica oder der smarte Immobilienschwindler Puiu Popoviciu, sie versuchen aus dem Ausland – in- und außerhalb der EU – ihren Strafvollzug hinauszuzögern und Zeit zu schinden. Anscheinend warten sie auf eine Generalamnestie aller Urteile in Prozessen, die nach 2009 stattfanden (als der Zusammenarbeitsvertrag zwischen der Antikorruptions-Staatsanwaltschaft DNA und dem Inlandsgeheimdienst SRI unterzeichnet wurde).

Bis dahin dürfen wir uns wohl auf einen weiteren Exodus der Strafbaren gefasst machen. An der Generalamnestie aber wird konsequent und strikt im Eigeninteresse gearbeitet, wie bisher an der Novellierung des Strafgesetzbuchs. Alle warnenden europäischen Instanzen sind den Strippenziehern egal. Der Verdacht, dass die Advokaten- und sogar die Richtergilde impliziert ist, verhärtet sich: Manche Beobachter sprechen bereits von einem Geheimkomplott der Gesetzesvertreter gegen den Rechtsstaat, bei dem Mittel des Rechtsstaats genutzt werden, um Straftaten durch überlange Prozesse oder Strafuntersuchungen verjähren zu lassen. Man denke an „Microsoft“: Sieben Ex-Minister kamen durch Verjährung davon. Ist das schon die „Kultur unendlich hingezogener Prozesse“?

Aggressiv und effizient werden in diesen Vorgängen die gekauften Medien eingesetzt. Sie arbeiten an der Einschüchterung der Richter (bis zum Mobbing und zu medialen Lynchvorgängen), an der Verunglimpfung der Justiz (Untergrabung der Glaubwürdigkeit von DNA-Staatsanwälten und der Richter, die in causae von Potentaten urteilen), sie fabrizieren falsche Beweise, die öffentlichkeitswirksam in Umlauf gesetzt werden. Die Gerichtsinspektion (IJ) wird zur Waffe gegen missliebige Rechtsvertreter (nicht umsonst hat der „Ausschuss Iordache“ die Unabhängigkeit der IJ beschränkt). All das sind Mittel zur Prozessverzögerung – bis zur Verjährung – oder zum Neuaufrollen von Prozessen (jüngst: der Fall Vlad Cosma). Zur Beantragung des Status als „politischer Flüchtling“ (Udrea in Costa Rica) sind medial gestützte Tricks handhabbar. Dass auch der Skandal um das Geheimprotokoll DNA-SRI dazu ausgenutzt wird, stand bereits an dieser Stelle. Jetzt steigt die Zahl der Klagen der straffällig Gewordenen gegen die Staatsanwälte, die ihre causae untersuchen. Wir beobachten ein Auf-den Kopf-Stellen der Justiz: Straffällige klagen gegen Rechtsvertreter.

Der Fall Udrea bleibt eine Premiere (und Präzedenzfall für andere?). In einem EU-Land, in dem von internationalen Beobachtungsgremien der Justiz Unabhängigkeit bescheinigt wurde, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt (die sie vor Verlassen des Landes nicht angetreten hatte), versucht sie in Lateinamerika den Status eines politischen Flüchtlings zu erwirken. Solange das Verfahren läuft, ist sie geschützt.