Zwischen Bühne und Katheder

Claudia Miriţescu – Sängerin, Liedermacherin, Musiklehrerin

Claudia Miriţescu

Mit dem Honterus-Schülerchor bei einem Auftritt am Kronstädter alten Marktplatz.
Fotos: privat

Beim diesjährigen Kronstädter Oktoberfest mit der Burzenländer Party-Band.
Foto: Ralf Sudrigian

„Du packst so vieles an. Pass auf, dass du dich dabei nicht verzettelst!“ Den Ratschlag von einem väterlichen Freund befolgte Claudia nicht. „Wenn ich gleichzeitig Verschiedenes tue, so gelingt mir alles besser, als wenn ich nur einem Ziel folge“, sagt sie mit einem ansteckenden Lachen. Zum Beispiel beim Autofahren: Da kommt ihr eine Melodie in den Kopf und die muss festgehalten werden. Rechts abbiegen, anhalten und ins Smartphone summen. Hoch lebe die moderne Technik!

Alles dreht sich um die Musik

Von klein an hat es der in Oberwischau/Vişeu de Sus im Norden des Landes Geborenen gefallen, zu singen, vor  Publikum aufzutreten, im Mittelpunkt zu stehen. Ihr „Debüt“, erzählt sie, sei an der Schwarzmeerküste erfolgt, als sie bei einem der Freilicht-Unterhaltungsabende auf die Bühne kletterte, das Mikro in die Hände nahm und, als knapp vierjähriges Mädchen ihre Variante des populären rumänischen Schlagers „Ionel, Ionelule“ zum Besten gab. Musik war ihr in die Wiege gelegt worden – Claudias Mutter studierte Canto bei Lucia Stănescu. Schnell war Claudia klar: Musik und Singen sollten nicht nur eine Freizeitbeschäftigung bleiben, sondern auch beruflich im Mittelpunkt stehen. Nach erfolgreichen Auftritten und internationalen Tourneen mit der Kronstädter Band „Grup 74“ und Shows mit bekannten Namen der rumänischen Leichtmusikszene wie Mihai Constantinescu, Gabriel Cotabiţă, Dumitru Lupu oder Mihaela Runceanu, wollte sich Claudia Miriţescu nicht ausschließlich auf die Rolle einer Vokalsolistin beschränken, sondern ihre Musikkenntnisse vertiefen. Also folgte das Musikstudium in Bukarest, mit Schwerpunkt Klavier und Querflöte. Heute ist die zuletzt im Festzelt beim Kronstädter Oktoberfest kurz vor Schulanfang zusammen mit der „Burzenländer Party-Band“ reichlich mit Applaus belohnte Claudia auch Musiklehrerin am Honteruslyzeum. Schulnoten und Musiknoten bringt sie dabei nicht durcheinander!

Ein Kreis schließt sich

Deutsch spricht man bekanntlich auch unter den Zipsern in Oberwischau in der Maramuresch. Claudias Urgroßmutter (eine geborene Spitzer) stammte aus Österreich. Die kleine Claudia wurde in die erste Klasse mit deutscher Unterrichtssprache eingeschrieben. Doch die Eltern übersiedelten nach Kronstadt/Braşov, wo man in jenen Jahren sein Kind nicht in die deutschen Klassen einschreiben konnte, weil die damaligen Reglungen ausdrücklich die deutsche Abstammung zumindest eines Elternteils verlangten. Also musste die Aneignung von Deutsch-Sprachkenntnissen noch etwas auf sich warten lassen.

 Bis Claudia, nach 1989, für fünfeinhalb Jahre in Deutschland nicht nur auf Deutsch singen, sondern selbstverständlich auch Deutsch sprechen lernte. In den ersten beiden Jahren stand sie für drei Monate im Jahr unter Vertrag mit dem Düsseldorfer Polizeiorchester. „Es war eine wunderbare Zeit, eine unvergessliche Erfahrung. Alles - Menschen, Sprache, Alltag, Arbeit – hat mir so gut gefallen, dass, wenn ich im Ausland leben sollte, nur Deutschland in Frage käme“, schwärmt sie auch heute noch. Zusammen mit ihrem Mann, dem Musiker Adrian Văluşescu (Keyboard, Akkordeon, Geige, Gitarre), gleichzeitig auch Chef der Abteilung für Förderung und Pflege traditioneller Kultur beim Kulturzentrum Redoute, kehrte Claudia nach Kronstadt zurück. Sie bewarb sich für die Stelle der Musiklehrerin am Honteruslyzeum, bestand die Deutsch-Sprachprüfung und unterrichtet nun  seit 13 Jahren an diesem traditionsreichen Lyzeum.

Selbstverständlich leitet sie auch den Schülerchor dieser Schulanstalt, der bei verschiedenen Anlässen öffentlich auftritt und der hauptsächlich deutsches Liedgut im Repertoire führt.
Sohn Dominick Christopher Văluşescu wird übrigens in diesem Jahr  am Honteruslyzeum seine Reifeprüfung ablegen. Musikalisch und künstlerisch tritt er in die Fußstapfen seiner Eltern: In vier Musikfilmen ist er bereits aufgetreten, im Tanzsport ist er ebenfalls ein bekannter Name.

Die Deutschland-Erfahrung nützte Claudia Miriţescu sehr, auch bei der Mitarbeit in der vor zwei Jahren gegründeten „Burzenländer Party-Band“. Diese wurde extra fürs Oktoberfest ins Leben gerufen und bietet ausschließlich deutsche Schlager- und Partymusik für die in Kronstadt alljährlich versammelte Oktoberfest-Fangemeinde. „Das ist auch touristisch ein Erfolg. Und ein deutsch-bayerischer Farbtupfen für eine Stadt, die schließlich auch als ‚Kronstadt’ bekannt ist“, unterstreicht die Sängerin der Burzenländer Party-Band und erzählt, dass sie selbst mehrere rumänische Kronstädter Familien kennt, wo die Frauen fürs Oktoberfest sich ein Dirndl gekauft haben, welches sie dann auch stolz anlegen.

Eine „Schneeflocke“  am Kronstädter Musikhimmel

Außer Dominick habe sie noch ein Kind, verrät Claudia. Es wird zwölf Jahre alt und heißt „Viva la Musica“. Den Verein gründete die Musiklehrerin, um junge musikalische Talente zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu bieten, öffentlich aufzutreten. Denn zum Zeitpunkt der Gründung war es in Kronstadt schwach bestellt um Musikfestivals oder andere Veranstaltungen, insbesondere für Kinder. Kurze Zeit danach veranstaltete Claudia das nationale Leichtmusikfestival für Kinder „Fulg de nea“ (Schneeflocke), das alljährlich im Dezember stattfindet. In Altersgruppen konkurrieren Mädchen und Jungen darin sowohl im Gesang als auch in der Sektion für Komposition. Die Besten dieses Festivals konnten sich anschließend bei der Casting-Show „X-Faktor“ oder bei ähnlichen Kindermusikfestivals in Italien behaupten.

Erfolg verzeichnete Claudia Miriţescu auch mit von ihr betreuten jungen Sängerinnen von „Viva la musica“. Zuletzt waren es Alexandra Băncilă aus Törzburg/Bran, Siegerin der Alterskategorie 4-6 Jahre beim Kinderfestival in Mamaia, und Alexandra Ilie aus Tohanu Nou, die in Polen den ersten Preis gewinnen konnte - sowohl in Volksmusik als auch in Unterhaltungsmusik. Vereinsmitglieder kamen bei der Verfilmung von zwei rumänischen Musicals (Melodie: Dumitru Lupu, Text: Florin Pretorian) zum Einsatz. Die Kinder von „Viva la Musica“ machen auch bei der Veranstaltungsreihe „Vivat copilăria“ mit, sowie bei mittelalterlichen Festivals in Kronstadt oder Schäßburg/Sighişoara, wo es mit Liviu Pancu und mit dem leider verstorbenen Schauspieler Adrian Pintea eine sehr gute Zusammenarbeit gab.

Einen Wermutstropfen gäbe es dennoch, bedauert die ansonsten dynamisch-optimistische Festivaldirektorin von „Fulg de nea“. Nachdem der Kreisrat Kronstadt in den ersten drei Jahren diese Veranstaltung finanziell getragen hatte, die übrigens landesweit als eine der besten ihrer Art gilt, wurden die Zuwendungen gestrichen. „Da muss ich von September bis November betteln gehen“, sagt Claudia. In diesem Jahr läuft die X. Auflage. „Ich geb nicht auf und mach weiter. Da bin ich wie seinerzeit die Pioniere, die nur eines kannten: ‘tot înainte’“. Also stets voran, im Sinne von „immer bereit!“ Es sind eben Tage, an denen man traurig und unglücklich ist, weil man wirklich meinen könnte, Undankbarkeit sei der Welten Lohn. Manchmal schafft es Claudia, der Situation selbst dann etwas Positives abzugewinnen: „Solche  Tage motivieren dich auch, Lieder zu schreiben.“ Selbstverständlich sei es aber besser, wenn die Verdienste anerkannt werden und wenn dadurch zusätzliche Motivation aufkommt. Für sie war das der Fall, als sie in einem der Vorjahre mit dem „Femina-VIP“-Preis der Kronstädter Unternehmerinnen im Bereich Kultur ausgezeichnet wurde.

Mangel an neuen Kinderliedern

Heutzutage, wo die Kinder viel ungehemmter als vor drei Jahrzehnten seien und wo es nun auch zahlreichere Möglichkeiten gebe, öffentlich aufzutreten und Erfahrung zu sammeln, sei es schade, dass die rumänischen Tondichter keine neuen, kindgerechten Lieder beisteuern. „Wenn ein sechs-siebenjähriges Mädchen von der großen Liebe ihres Lebens, von Verliebtsein singen soll, so klingt das unpassend und forciert.“ Es sei wichtig, den Kindern die Lust am Singen zu vermitteln, sie rechtzeitig zu ermutigen, wenn sie dafür begabt sind. Musik, Tanz und Kunst im Allgemeinen tue ihnen psychisch und physisch gut, erweitere ihren Horizont, bereichere sie an Erfahrungen in der Zusammenarbeit untereinander und mit Erwachsenen. Schwieriger sei es, wenn es um die Förderung der Volksmusik geht.

Claudia und Adrian hatten begonnen, Schulen aufzusuchen, Volkstänze und Brauchtum vorzustellen und Volkstrachten zu erklären, mit dem Ziel, dass dann später vielleicht junge Volkstanzgruppen entstehen, welche für Nachwuchs bei den bereits  etablierten Ensembles sorgen. Ohne Unterstützung ginge das aber nicht – in den Sportsälen der Schulen müssten, zumindest bis zum Einlernen, ein Choreograf und zwei drei Profi-Volkstanzpaare erscheinen. Claudia Miriţescu hat in der Vermittlung der rumänischen Volksmusik bereits sehr viel geleistet: auch als Volksmusiksängerin, die ihrerseits am Anfang ihrer Laufbahn von Stars wie Sava Negrean Brudaşcu oder Veta Biriş unterstützt und ermutigt wurde, aber auch als Ansagerin und Mitorganisatorin von Aufführungen, sowohl im Kreis Kronstadt als auch im Ausland, z.B. in Nürnberg.

„Ich liebe es, auf der Bühne vor dem Publikum zu stehen. Dort bin ich zu Hause“, gibt Claudia zu. Sowohl als Sängerin, als auch als Ansagerin. Lampenfieber hat deshalb bei ihr kaum eine Chance. Die Aufregung sei größer, wenn es um Veranstaltungen von Freunden in engerem Rahmen gehe, wie zum Beispiel unlängst bei der Buchvorstellung eines Lyrikbandes von zweien ihrer Mitarbeiter des Kronstädter Fernsehsenders TVS. Dorin Duşa hatte die Verse geschrieben, Bianca Bucă zeichnete für die Grafik verantwortlich.

Claudia Miriţescu schreibt auch Gedichte. Für die Kronstäder Liedermacherin ist es unwichtig, ob zuerst der Text oder die Melodie vorliegt. Sie kann spielerisch auf mehreren Ebenen kreativ sein. „Ich müsste vielleicht auch an einen Roman denken“, sagt sie. Das könnte ein Scherz gewesen sein – oder auch nicht.