Zwischen Parks und Treppen

Auf ungewöhnlichen Wegen durch Bukarest

Im vergangenen Jahr besuchten über eine Millionen Menschen Rumänien. Natürlich ist Bukarest, neben dem beschaulichen Siebenbürgen und dem Donaudelta, eine der Hauptattraktionen des Landes. Häufig in großen Gruppen oder mit einem Reiseführer vor der Nase tummeln sich viele auf gängigen Pfaden zwischen Altstadt und Parlamentspalast.
Aber es geht auch anders. Es ist ein sonniger Nachmittag, als ich mich mit Beatrice in der Bukarester Innenstadt treffe. Für einige Stunden wird sie mir einige ihrer Lieblingsplätze zeigen. Ich habe die 24-Jährige nicht zufällig getroffen. Sie ist eine Freiwillige der Initiative „Bucharest greeters“. Anstatt mit einem Reiseführer oder einer kommerziellen Stadtführung entdecke ich Bukarest durch die Augen von Beatrice. Wir kommen sofort ins Gespräch. Sie könne mir zwar nicht viel über die Geschichte der Stadt erzählen, mir jedoch die besten Cafés zeigen. Damit bin ich zufrieden. Erster Stopp ist eine bemalte Treppe in der Strada Xenofon. Ein gemalter Wasserfall schlängelt sich die Stufen hinunter. Vor ungefähr einem Jahr wurden die Stufen von der Künstlerin Eva Radu zum ersten Mal bemalt und seit Kurzem nun ersetzt der Wasserfall ein Bild von verschiedenen Bukarester Sehenswürdigkeiten. „Die Treppe wurde schon häufiger zu den schönsten der Welt gezählt“, weiß Beatrice. Wir gehen weiter.

Das Wort „Greeter“ also „Begrüßer“ ist (bei den „Bucharest Greeters“) wortwörtlich zu verstehen, erklärt mir Irina, die Koordinatorin der Initiative. Ziel sei es, Reisende willkommen zu heißen und ihnen einen authentischen Eindruck von der Stadt zu geben. Gemeinsam mit ihrem Freund Filip gründete sie die „Bucharest Greeters“ im Jahr 2013, nachdem sie das Konzept der Greeter in Tel Aviv kennenlernte. Außer in der Hauptstadt gibt es die Organisation seit letztem Jahr auch in Klausenburg/Cluj-Napoca. Beide sind Teil eines mehr als 30 Nationen umspannenden Netzwerks, das von Metropolen wie London, Paris oder Tokio bis hin zu beschaulichen Kleinstädten wie Subotica in Serbien oder Suffolk Coast in Großbritannien reicht. Die Idee der „Greeters“ geht zurück auf die New Yorkerin Lynn Brooks, die 1992 die „Big Apple Greeters“ gründete. Gemeinsam mit der damaligen Stadtverwaltung war es ihr Anliegen, Reisenden ein New York abseits der gängigen Klischees zu zeigen. Besonders wichtig war ihr, dass die Führungen kostenlos sind. Es gehe nicht um Profit, sondern den Kontakt zwischen unterschiedlichen Menschen und natürlich darum, eine Stadt aus einer anderen Perspektive zu erkunden. Praktisch bedeutet dies, dass sich Interessierte auf der Internetseite bucharestgreeters.ro einschreiben können. Es muss ein Formular ausgefüllt werden und anhand dessen wird jedem Reisenden ein Greeter zugeordnet.

Von den bunten Stufen ist es nur ein Katzensprung zum Parcul Carol. „Hier ist so viel Platz“ – Beatrice breitet die Arme aus. Wir stehen unweit des Mausoleums, einer wirklich großen, freien Fläche. Links von uns schwimmen einige Enten im Wasser. „Ich hätte nur nicht gedacht, dass wir hier heute noch andere Leute sehen.“ Skeptisch beäugt sie eine Schulklasse, die mit ihren Smartphones vor dem Denkmal posiert. Ich bin erst die vierte „Touristin“, mit der sich Beatrice getroffen hat. Allerdings muss sie zugegeben, dass sie sich vor allem im Bereich der Koordination einbringt und seltener Touren leitet als andere. „Hier streiten sich die Greeter beinahe um jeden Urlauber.“ Beatrice lacht. Natürlich bekäme die Initiative im Sommer deutlich mehr Anfragen als im Winter, trotzdem gäbe es immer noch deutlich mehr Freiwillige als Touristen.
Vom Park begeben wir uns zur letzten Station unserer Tour: zur Calea Victoriei. Zuerst verlaufen wir uns aber ein bisschen in den Sträßchen rund um den Park. Dabei zeigt Beatrice immer wieder nach rechts oder links. Dieses Restaurant sei gut. Dort um die Ecke befinde sich ein nettes Café und hier drüben ist ein hübsches Graffiti.

Schließlich finden wir die Calea Victoriei und laufen in Richtung Piaţa Romană. Obwohl sie das Gegenteil behauptet hat, trumpft Beatrice hier mit solidem Geschichtswissen. Etwa macht sie mich auf ein Café aufmerksam, in dem sich seinerzeit die kommunistische Elite getroffen hat. Oder sie zeigt mir an der Piaţa Revoluţiei , wo Ceauşescu seine letzte Rede hielt.
Nach ungefähr zweieinhalb Stunden ist es vorbei und ich verabschiede mich von Beatrice.