Zwischen Vektorenbekämpfung und Volkstanzgruppen

ADZ-Reihe: Der Mensch hinter der Kulisse des Deutschen Forums – Dr. Klaus Fabritius, Leiter des Regionalforums Altreich

Dr. Klaus Fabritius auf der letzten Tagung des Regionalforums Altreich in Tulcea

Der begeisterte Fotograf bei der Eröffnung seiner Ausstellung zum Donaudelta in Tulcea
Fotos (2): die Verfasserin

Deportationsgedenken im Schillerhaus: mit Aurora Fabritius als Projektkoordinatorin und Forums-Kollegen Christiane Cosmatu und Erwin Josef Ţigla
Foto: George Dumitriu

„Sind Sie mit dem CSU-Politiker Bernd Fabritius verwandt?“ ist eine der Fragen, mit denen Klaus Fabritius häufig konfrontiert wird. „Natürlich“, kontert er dann und der Schalk blitzt in seinen Augen auf, wenn er erklärend hinterher schiebt: „Wir sind doch beide Siebenbürger Sachsen!“ Immer wieder würzt sein trockener Humor seine detaillierten sachlichen Ausführungen. Man kennt ihn als versierten Erzähler von Geschichte und Geschichten, sei es, zum Deportationsgedenken im Bukarester Schillerhaus, sei es auf einem der biennalen Treffen des Altreichforums. Doch der Mensch, der sich jenseits der Kulissen seines Amtes verbirgt, hat noch ganz andere Facetten. Gleich entführt er uns in die phantastische Welt der Fliegentönnchen-Parasitoiden, erklärt, wie man die Kohleule biologisch bekämpft oder warum chemische Pflanzenschutzmittel heute viel weniger schädlich sind als früher.
 

Klaus Fabritius ist Biologe mit Leib und Seele. Schon als Kind machte er, angeregt von seinem Naturkundelehrer Rolf Weihrauch am Brukenthal-Lyzeum, sonntags die Wiesen um Hermannstadt/Sibiu unsicher, um Schmetterlinge zu fangen: „Mit einem Zyankali-Glas in der Tasche, das damals gar nicht leicht zu beschaffen war!“ Zuhause wurde die Trophäe dann auf eine Insektennadel gespießt, „die gab es in zehn Größen“, auf dem Spannbrett ausgerichtet, getrocknet und etikettiert. „Das war mein Anfang“, schmunzelt der heutige Toxikologe. Als Enkel eines Apothekers und Sohn einer „gefürchteten“ Physik- und Mathematiklehrerin mag ihm das Wissenschafts-Gen in die Wiege gelegt sein. Die Liebe zur Natur stammt von den Eltern, Helmut und Therese Fabritius (geb. Binder), beide begeisterte Bergwanderer. „Man erzählt sich, was natürlich nicht stimmt, sie seien zur Trauung mit dem Rucksack erschienen, hätten ihn in der Kirche an die Klinke gehängt und danach – ab in die Berge!“ scherzt er und fährt fort: „Die Karpaten gehörten damals sozusagen den Deutschen, niemand sonst war dort oben. Als Kind habe ich erst Skifahren gelernt und dann Laufen.“ Ach ja, und der Name? Da müsse man immer dazusagen, aus welcher Linie, klärt Klaus Fabritius auf. „In meinem Fall ist es die des Bodenkreditanstalt-Fabritius“. Der Großvater väterlicherseits hatte sich diesen Spitznamen durch seine lebenslange Anstellung als Hauptkassier bei dieser Bank in Hermannstadt erworben.

Vom Schmetterling zum Fliegentönnchen-Parasitoiden

Heute leitet Dr. Fabritius im Bukarester Institut für Forschung und Entwicklung für den Pflanzenschutz ein Team von sechs Forschern, ist Vorsitzender der „Rumänischen Vereinigung für Vektorenbekämpfung in der öffentlichen Hygiene“ und korrespondierendes Mitglied der Akademie für Forst- und Landwirtschaftswissenschaft „Gheorghe Ionescu Siseşti“. Nach dem Studium der Biologie in Jassy/Iaşi, dem Diplom in Bio-Zoologie 1964 und einer Zeit am Lehrstuhl an der Uni in Konstanza - die er 1976 verließ, weil ihm die Partei die Bewilligung zum Dozenten vorenthielt und seine Universitätslaufbahn damit blockierte- wechselte er als Forscher ans Hygieneinstitut nach Bukarest. Dort befasste er sich mit Schädlingsbekämpfung und Pestiziden und war zehn Jahre lang Vorsitzender der biologischen Sicherheitskommission für die Zulassung genetisch modifizierter Pflanzen.

Vom schönen Schmetterling war er unversehens in die hässliche Welt der Fliegen und Küchenschaben gelangt: Dort ging es darum, diese Insekten giftfrei zu bekämpfen, bzw. ihre Entwicklung ins schädliche Stadium zu unterbinden. Denn während die Fliege als Überträger von Keimen als Schädling gilt, ist die Made als Zersetzer organischer Abfälle nützlich. So soll nur ihre Metamorphose zur Fliege verhindert werden. „Dies geschieht durch eine Schlupfwespe, ein Parasitoid, der seine Eier in Fliegentönnchen legt“, erklärt Dr. Fabritius. „Daraus schlüpft dann statt der Fliege ein winziges, harmloses Wespchen, kleiner als ein Millimeter, stechen kann es auch nicht, es hat nur einen Legebohrer.“ Andere Schädlinge, etwa die Kohleule, eine überaus gefräßige Raupe, bekämpft man durch spezifische Eiparasiten. Ist der Schädling eliminiert, stirbt auch der Parasitoid, sofern er auf diesen Wirt spezialisiert ist und nicht auch andere Insekten befällt. Diese biologischen Methoden können allerdings nicht großflächig eingesetzt werden, weil der Parasitoid nicht in entsprechenden Mengen herstellbar ist“, gibt Dr. Fabritius zu bedenken. „Man kann die Kohleule auf ein paar Hektar bekämpfen, nicht mehr.“

Enormer Druck auf die Pestizidindustrie

Doch auch für die großen Kulturen hat die Welle der biologische Schädlingsbekämpfung etwas bewirkt: „In den 70er Jahren hat sie enormen Druck auf die Industrie der chemischen Pflanzenschutzmittel ausgeübt“, so Fabritius. „Wenn wir die Palette der damaligen Pflanzenschutzmittel mit den heutigen vergleichen, ist das ein haushoher Unterschied!“ Damals wurde bei der Zulassung nur die Wirksamkeit geprüft. Heute wird eine ganze Palette an Umweltverträglichkeitstests durchgeführt: für Bienen, Fische, Wasserflöhe, ganze Ökosysteme. „Es gibt 56 Tests allein für Auswirkungen auf Säugetiere, viele davon eliminatorisch“, erklärt der Forscher. „Große Hersteller testen bis zu 20.000 Moleküle pro Jahr“ fährt er fort. „Wenn von 10.000 eins gefunden wird, dass allen Normen entspricht, ist das ein großer Erfolg.“ Vom Molekül zum Pflanzenschutzmittel vergehen 10 bis 12 Jahre, erläutert der Toxikologe, der in den 80er Jahren selbst eine standardisierte Testmethode entwickelt hat und zudem zu jenen gehörte, die das Verbot des hochgiftigen DDT in Rumänien durchsetzten.

„Wenn Sie mit Ärzten sprechen, die sagen, die Zahl der Krebsfälle hätte sich vergrößert und daran seien auch Pflanzenschutzmittel schuld, muss man wissen, dass dies auf die Mittel vor 30 bis 40 Jahren zurückgeht. Heute hat ein krebserregendesMolekül keine Chance“, ist Fabritius überzeugt. Und ergänzt: „Das ist ein Erfolg der EU!“

Doch es gibt auch Wermutstropfen: Bis zu den 90er Jahren wurden an seinem Institut solche Tests noch durchgeführt. Heute gibt es in ganz Rumänien kein akkreditiertes Labor mehr, bedauert der Forscher. Die Zulassungen sind vor Jahren ausgelaufen, wolle man sie wieder erwerben, käme dies enorm teuer. „Das ist schlimm, denn wenn wir jetzt ganz einfache Tests durchführen wollen, müssen wir uns an Labors in Ungarn oder Österreich wenden.“

Ein weiteres Problem ist der Nachwuchs: „Vor der Wende, wenn wir einen Posten ausgeschrieben haben, hatten wir 20 bis 30 Anwärter – heute schreiben wir dreimal aus, weil wir niemanden finden“, vergleicht er. „Die besten sind im Ausland, dann kommt die Industrie - für uns bleibt der Rest.“ Auch was Geräte betrifft, gab es einen starken Rückschlag nach dem Kommunismus. Ganze Forschungszweige wurden aus Geldmangel eingestampft.

Wissenschaft und Forumsarbeit

Wir verlassen das Feld der Forschung, nicht ohne den ein oder anderen Abstecher, und landen bei einer anderen Facette: dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR). Seit der Gründung des Bukarester Forums und des Regionalforums Altreich ist Dr. Klaus Fabritius ununterbrochen im Vorstand vertreten. Mit seinem Umzug in die Hauptstadt 1976, der nicht nur dem Beruf, sondern auch der Ehe mit der Bukarester Journalistin Aurora Fabritius zu verdanken ist, gab es für den Siebenbürger Sachsen endlich wieder eine deutsche Gemeinschaft. Zwar existierte damals kein Treffpunkt, doch der evangelische Stadtpfarrer Günter Ambrosi setzte alles daran, seine Glaubensgemeinde zusammen zu halten. Gemeinsam wurde Fasching und Neujahr gefeiert, erinnert sich Klaus Fabritius.

Nach der Wende, am 28. Dezember 1989, wurde dann im Gemeindesaal der Kirche das Forum der Deutschen in Bukarest gegründet. Er selbst wurde ins Komitee gewählt, der erste Vorsitzende war Robert Schwartz, damals Lehrer am Goethekolleg, dem ersten Forumssitz. „Bis Schwartz in Deutschland blieb und die Schulleitung uns nahelegte, dass dort kein Platz mehr für uns sei, so kamen wir 1991 ins Schillerhaus.“ Klaus Fabritius wurde Vorsitzender, zuerst des Bu-karester, 1996 dann des Altreich-Forums, 1997 schließlich Staatssekretär des Forums in der Vorgängerbehörde des heutigen Departements für Interethnische Beziehungen an der rumänischen Regierung (DRI). „Vier Jahre, unter zwei Ministern und vier Regierungen, eine davon nur einen Tag“ bemerkt er amüsiert. Seine Forschung hat er nicht aufgegeben: „Um acht war ich im Institut, um elf an der Regierung“. Ohnehin sei der Premierminister ein Nachtmensch gewesen, der Besprechungen abends ansetzte.

An der Tagesordnung standen damals Rückerstattungen, die Charta der Minderheitensprachen, die Verhandlungen für den NATO- und EU-Beitritt – eine spannende Zeit.

Das Altreich-Forum ist das größte unter den fünf Regionalforen, eine der Herausforderungen das Zusammenhalten, aber auch das Motivieren einzelner Leitfiguren in den weit auseinanderliegenden Lokalforen, die viel Eigeninitiative beweisen müssen. „Jedes Lokalforum hat eine selbstständige Kulturtätigkeit aufgebaut“, lobt Fabritius, zählt Tanzgruppen, Chöre, Musikkapellen, Sprachkurs-Gruppen oder deutsche Kindergärten zwischen Piatra Neam] und Konstanza auf. Damit die Leute sich gegenseitig kennen, gibt es alle zwei Jahre ein Regionaltreffen. „Wir versuchen jetzt, auch dazwischen ein kleineres, jährliches mit kulturellem Schwerpunkt zu organisieren - letztes Jahr war das 60-jährige Jubiläum des Schillerhauses der Anlass“, verrät Fabritius. Was ist wichtiger, Forschung oder Forum? Für ihn stellt sich diese Frage nicht. Nach all den Jahren passen beide immer noch ganz gut unter einen Hut.