Ein Winter-Städtetrip nach Temeswar

Weihnachtsmarkt in der europäischen Kulturhauptstadt 2023

Die Lichterkuppel ist seit einigen Jahren ein beliebtes Fotomotiv beim Weihnachtsmarkt in Temeswar. | Fotos (3): Alin Zelenco/ Târgul de Crăciun Timișoara

Eine Aufführung der beiden Schauspieler vom Theater Magic Oz fand auf der Schlittschuhlaufbahn am Freiheitsplatz statt.

Rumänische Traditionen, wie etwa die Ziege/Capra, die die wandernden Singgruppen begleitet, konnte man schon beim Weihnachtsmarkt hautnah erleben.

Einkaufen für den Weihnachtstisch: Auf dem Modex-Parkplatz gibt es Leckeres vom Schwein. | Foto: Raluca Nelepcu

Vor dem Lichterbaum, der am Freiheitsplatz in Temeswar/Timișoara links vor dem einen Ende der Alba-Iulia-Straße steht, steht eine junge Frau. Sie fährt sich noch einmal schnell mit ihrer rechten Hand durch das Haar und lächelt, während ihre Freundin mit dem Handy ein Foto schießt. Bei 1 Grad Celsius ist der heutige Winterabend eigentlich mild. Auf seiner Gitarre spielt, gleich gegenüber dem Lichterbaum, ein Straßenmusiker mit langem Haar und schwarzer Mütze, der dem Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz irgendwie ähnlich sieht. Es herrscht reger Menschenverkehr in der Temeswarer Fußgängerzone. Die Kinder scheinen von der Weihnachtsdeko besonders angetan zu sein. 

Auf der Bühne vor dem Rektorat der Politehnica singt gerade ein Kinderchor und Eltern und Großeltern, aber auch Passanten schauen sich begeistert das Konzert an. In die Nasen dringt ein verführerischer Geruch nach Bratwurst und Glühwein. Der Temeswarer Weihnachtsmarkt ist eine der touristischen Attraktionen in der europäischen Kulturhauptstadt 2023 – und zu Recht, denn die Stadt scheint in diesem Winter ein besonders schönes Antlitz zu haben. 

Mehr als eine Million LED-Leuchten – etwa 500.000 Lichter mehr als im Vorjahr – zieren heuer die zentralen öffentlichen Plätze bzw. sind in Stadtvierteln, Parks und auf den Hauptverkehrsstraßen angebracht worden. Immerhin lautet das Motto der europäischen Kulturhauptstadt „Erleuchte deine Stadt“. Vor allem im Stadtzentrum sind zahlreiche funkelnde Lichter zu bewundern. Sie hängen entweder an Bäumen oder bilden leuchtende Figuren, mit denen sich die Weihnachtsmarktbesucher gerne fotografieren lassen. Auf dem Freiheitsplatz steht das Lichtertor einer imaginären Festung, das oft zum Fotomotiv wird, in der Alba-Iulia-Straße sind es die leuchtenden Engelsflügel und am Opernplatz ist die Lichterkuppel mit dem meterhohen Tannenbaum und dem Weihnachtsmann ein beliebter Treffpunkt für all die, die Weihnachtsmarktflair erleben wollen. 

Vor 16 Jahren wurde in Temeswar die Tradition des Weihnachtsmarktes erstmals eingeführt. Der Markt fand zu Beginn in einem kleinen Format statt, das jedes Jahr ausgebaut wurde. Manchmal waren es eher kitschige Figuren, die in Weihnachtsstimmung vesetzen sollten, in anderen Jahren weniger. Fakt ist: In diesem Jahr scheint der Weihnachtsmarkt der bisher schönste zu sein, sind sich viele Besucher und Temeswarer einig. Und wenn auch an manchen Ecken auch ein bisschen Kitsch dabei ist (gibt es überhaupt kitschlose Weihnachten?), lohnt es sich, hierfür einen Winter-Städtetrip nach Temeswar zu unternehmen. 

Der Temeswarer Weihnachtsmarkt erstreckt sich in diesem Jahr über drei zentrale Plätze: der Sankt-Georgs-, der Freiheits- und der Opernplatz, allesamt in der Fußgängerzone, sind der Schausplatz für den Winterzauber. Der Sankt-Georgs-Platz ist mit leuchtenden Tannen, Eisbären und Pinguinen zu einem kleinen Nordpol oder so ähnlich geworden – Pinguine und Eisbären treffen sich in Wirklichkeit nie, doch für die Weihnachtsstimmung darf man wohl ein bisschen improvisieren. Am Freiheitsplatz steht heuer eine Eislaufbahn, die Groß und Klein zum Gleiten über die Eisfläche einlädt. Man kann seine eigenen Schlittschuhe mitbringen oder vor Ort welche ausleihen. Der Eintritt kostet 30 Lei pro Stunde, Schlittschuhe inbegriffen. Kinder bis 6 Jahre haben freien Eintritt auf die Eisbahn und bekommen bei Bedarf auch Schlittschuhe geliehen. Natürlich sollte ein Erwachsener immer dabei sein.

Am Opernplatz können Besucher gleich mehrere Attraktionen entdecken. Ein Karussell und ein kleiner Zug begeistern vor allem die kleinen Besucher, und aus dem Riesenrad, das weiter in Richtung Kathedrale steht, hat man nach Einbruch der Dunkelheit einen wunderschönen Panoramablick über die beleuchtete Innenstadt. Die Fahrt mit dem Riesenrad kostet 25 Lei für Erwachsene und 20 Lei für Kinder, man dreht langsam drei Runden. Ebenfalls am Opernplatz sind, beidseitig, Holzhäuschen angebracht, an denen Verschiedenes verkauft wird. Jene, die spontan noch Geschenke für ihre Lieben besorgen oder Touristen, die Andenken aus Temeswar nach Hause mitbringen wollen, kommen an den Verkaufsbuden ganz bestimmt auf ihre Kosten. Es gibt auch einige handgefertigte Geschenkideen und Unikate, sodass es sich gewiss lohnt, dort vorbeizuschauen. Für den kleinen Hunger bieten einige Händler Baumstriezel/ Kürtöskalacs an – zu 20 bis 25 Lei, oder Teigtaschen mit salziger Füllung zu 10 bis 15 Lei das Stück. Auch Glühwein kann dort erworben werden – ein Glas kostet in diesem Jahr 10 Lei, heiße Schokolade und Tee sind etwas billiger (6 Lei).

Wer größeren Hunger hat, muss nur dem Geruch nach leckerem, warmem, frisch zubereitetem Essen folgen. Auf dem Parkplatz vor dem Modex-Kaufhaus stehen auch in diesem Jahr die Imbissbuden, an denen verschiedene Speisen – meist aus der traditionellen rumänischen Küche – zubereitet werden. Das Essen sieht verlockend gut und frisch aus. Die Preise sind ziemlich hoch, doch die Qualität ist gegeben und man kauft ja nicht jeden Tag auf dem Weihnachtsmarkt ein. Die Bratwurst kostet 12 Lei pro 100 Gramm, Hackfleischröllchen/„Mici“ gibt es zu 7 Lei das Stück, Schafspastrami ist zu 15 Lei pro 100 Gramm erhältlich, und das Eingemachte kann man zu 7 Lei pro 100 Gramm erwerben. Wer Fleischwaren für zu Hause einkaufen möchte, hat auf dem Weihnachtsmarkt eine große Auswahl. Der geräucherte Schinken kostet, genau so wie die Grieben oder die Wurst, 70 Lei pro Kilomgramm. Der in Wein gereifte Käse oder der Schafskäse ist zu 100 Lei das Kilo erhältlich. Die Fleischwaren und Käsesorten stammen meist aus Siebenbürgen. Das Einkaufen für den Weihnachtstisch lohnt sich. 

Und wenn man schon auf dem Weihnachtsmarkt in Temeswar ist, dann sollte man die Konzerte, die fast jeden Abend hier stattfinden, nicht verpassen. Am Wochenende gibt es bekanntere Bands, die auftreten, und während der Woche gehört die Bühne den Kulturgruppen aus Temeswar und Umgebung. Vor allem Weihnachtslieder stehen auf dem Programm, und am 22. Dezember wird der Weihnachtsmann erwartet, der nach dem „Nussknacker“, einer Aufführung einer Balett- und Tanzschule, auf dem Weihnachtsmarkt ankommt. Auch auf der Eislaufbahn werden am Wochenende kleine Theateraufführungen für Kinder organisiert – dafür sorgt das Theater Magic Oz. Wer also im Dezember Lust auf einen Ausflug hat, dem ist der Temeswarer Weihnachtsmarkt zu empfehlen. Der Markt bleibt bis zum 7. Januar 2024 geöffnet.