Ein Wochenendausflug auf dem Motorrad

Von Kronstadt übers Szeklerland bis in die Bukowina

Perfekt für eine erholsame Pause: das Kalnoky-Schloss in Micloșoara
Fotos: Șerban Căpățână

Dracula-Schloss am Tihuța-Pass

Ein erfrischendes Bad im Colibița-See vor der Weiterfahrt

Bicaz-Klamm

Bicaz-Stausee

Kálnoky-Schloss in Micloșoara

Motorradfahrer finden in Rumänien unzählige Strecken, auf denen sie ihre „Geschosse“  gleiten lassen und gleichzeitig wundervolle Aussichten genießen können. Immer mehr Nebenstraßen wurden in den letzten Jahren erneuert und bieten entspannende und sichere Fahrbahnen auch für Zweiräder. Denn Motorradfahren ist grundsätzlich ganz anders als Autofahren: Nicht das Ankommen steht im Vordergrund, sondern der Genuss einer abwechselungsreichen Landschaft, den Fahrtwind im Gesicht, der Duft der Bauernhöfe und Laubwälder sowie die Freiheit, fast überall hinein oder hinauf zu fahren, wohin man möchte, unbeschwert - bloß weg von Stau, LKWs oder hupenden PKWs.

Auch wenn viele Motorradfahrer Zelt und Schlafsack dabei haben, um irgendwo unter freiem Himmel oder auf einem Campingplatz zu übernachten, gibt es auch unzählige kleine Gasthäuser entlang jeder Strecke, die ein entspannendes Bett und eine warme Dusche nach einem langen Tag im Sattel anbieten.


Eine der schönsten und abwechlsungsreichsten Strecken führt aus Kronstadt/Brașov nördlich ins Szeklerland, dann an die Grenze zur Bukowina, um sich nach Süden weiter durch kurvige Täler zu drehen, wobei man in der Moldau wieder die Karpaten ins Szeklerland überquert.

Durchs Szeklerland: Kronstadt - Odorhellen - Neumarkt

Das Szeklerland ist für Motorradfahrer sicherlich eine der ruhigsten und gemütlichsten Regionen. Die Hügellandschaft und die kurvenreichen Straßen sowie das geringere Verkehrsaufkommen sorgen für ein entspanntes Fahrerlebnis. Aus Kronstadt führen zahlreiche Wege ins Szeklerland, aber für einen entspannenden Tag durch die Dorflandschaft habe ich mich entschlossen, über Brenndorf/Bod in Richtung Norden zu fahren. Kurz nach der Brenndorfer Kirchenburg erscheinen bereits die ersten Szeklerfahnen an den Häusern. Über die Landstaße 103 lege ich nach rund einer Fahrstunde einen ersten Stopp ein: am Museum des siebenbürgischen Lebens in Miclo{oara, Kreis Covasna, im 500 Jahre alten Schloss Kálnoky. Im weitläufigen Park rasten bereits einige Reisende im Schatten der hohen Bäume auf der Wiese und genießen die Stille, welche nur vom Brummen meines Motors gestört wird. Das 500 Jahre alte Schloss ist nicht groß, wurde aber vor einigen Jahren sehr schön saniert und bietet einen Einblick in das alltägliche Leben der Grafenfamilie Kálnoky und der mittelalterlichen Siebenbürger. An der gegen-überliegenden Straßenseite, im Stone-Pub, gibt es köstliche hausgemachte Speisen und frischen Holundersaft.

Die kurvenreiche und fast verlassene Straße gen Norden führt weiter an der katholischen Kirchenburg von Baraolt und der anliegenden, verlassen wirkenden orthodoxen Kirche vorbei. Die Qualität der Straße steigt schlagartig bei der Einfahrt in den Kreis Harghita: keine einzige Unebenheit, kein Schlagloch – ein Genuß.

Nach einem kurzen Abstecher nach Odorhellen/ Odorheu Secuiesc kommt es einige Kilometer nördlich in Richtung Praid zum nächsten Besichtigungsstopp: die Ausstellung von Szeklertoren und die Miniaturdarstellungen der wichtisten Siebenbürger Bauwerke im Mini-Siebenbürgen-Park. Seit meinem letzten Besuch hier vor drei Jahren wurde der Park um zahlreiche Exponate ergänzt, etwa die Fogarascher Burg oder das Hunyadi-Schloss. Eine Mini-Dampflok führt durch das Gelände. Neu ist auch der ausgedehnte Parkplatz.

Als nächstes lockt mich ein kurzes, erfrischendes Salzbad in Praid, für die Besichtigung der Salzmine ist auf dieser Tour keine Zeit.

Mein Tag klingt aus mit einem Spaziergang in Neumarkt/Târgu Mureș. Nach so viel Landschaft bieten das sanfte Summen der Stadt am Abend, die am Springbrunnen des Hauptplatzes spielenden Kinder und die zahlreichen Cafes am Straßenrand Entspannung pur. Im Lokal neben der katholischen Kirche genieße ich zum traditionellen Gulasch ein Original Szekler Cziki-Sör Bier.

Bergrouten pur: Neumarkt, Transrar²u, Bicaz-See, Mördersee

Der nächste Tag wird lang und ich freue mich bereits auf das Abendessen in einem der Terassenlokale am Mördersee/Lacul Roșu... Als ersten Stopp wähle ich nicht Sächsisch-Regen/Reghin, sondern Bistritz/Bistrița. Die Strecke bis dahin verläuft auf einer stark befahrenen Hauptstraße und fordert hohe Konzentration. Aber der kurze Spaziergang am Ziel durch die sanierte Fußgängerzone und das köstliche Waldfruchteis machen die Anstrengung wieder wett. Und wenn schon in Bistritz, dann unbedingt hinauf auf den Turm der evangelischen Kirche, um den Panoramablick zu genießen. Ein weiteres Denkmal, das ich schon immer sehen wollte, ist das älteste Gebäude in Bistritz: eine gotische, ehemalige katholische und danach evangelische Kirche aus dem 13. Jahrhundert, welche derzeit unter der Obhut der rumänischen orthodoxen Kirche steht, mit den typischen Heiligenfiguren und einer Ikonenwand - ein wunderbares Beispiel siebenbürgischer Multikulturalität.

Auch Dracula-Liebhaber können auf dieser Strecke ihren Spaß haben, denn gleich neben der Kirche steht das Hotel „Zur Goldenen Krone“, in dem auch Bram Stokers Hauptfigur Jonathan Harker übernachtet hat. Und weiter nordöstlich am Tihu]a-Pass liegt die nächste Dracula-Sehenswürdigkeit: das während der Ceaușescu-Ära erbaute Hotel „Castel Dracula“, vor dem die neue Büste Bram Stokers thront. Das Gebäude steht genau an dem Ort, an dem Bram Stoker das Dracula-Schloss in seinem Roman angesiedelt hat und zieht jährliche Tausende Touristen an.
Aber vorher ist ein kurzer Abstecher zum Schwimmen im Colibița-See angesagt, gleich am Ende des Sees, denn fast das gesamte Ufer ist inzwischen bebaut. Hier fühlt man sich sicherlich nicht wie in Rumänien – die meisten Häuser haben einen alpin geprägten, bayrischen oder österreichischen Stil.

Kurz vor Câmpulung Moldovenesc, in der Ortschaft Pojorâta, muss man rechts abbiegen in Richtung Süden, um den Trans-Rarău zu erreichen. Diese Strecke über das Rarău-Gebirge ist voller  Aussichtsplattformen und Souvenirläden. Die Aussichten sind aber wunderschön, die Straße perfekt asphaltiert und die Temperatur rund zehn Grad geringer als in der Stadt.

Die Strecke führt entlang des breiten Flusses Bistritz und bietet atemberaubende wilde Aussichten, um dann beim Bistritz-Stausee hoch hinauf zu steigen - die pure Natur ist ein schöner Kontrast zu dem stark bebauten Ufer des Colibița-Sees.

Der letzte Teil der Strecke führt bergauf zur Bicaz-Klamm. Da es bereits später Nachmittag ist, fällt sehr wenig Licht zwischen den steilen, teilweise über 150 Meter hohen und fast senkrechten Felswände auf die Straße hinunter.

Der Tag endet wie geplant am Mördersee mit einem Glas Wein und einer gegrillten Forelle.

Zurück über Piatra Neamț, Mărășeăti, Szekler Neumarkt

Gleich in der Früh, nach einem erholsamen Schlaf in der kühlen Berggegend, geht es wieder los, diesmal aber mit einem kurzen Rudererlebnis am Mördersee zwischen versteinerten Baumstämmen, danach ein Spaziergang durch die Bicaz-Klamm, jetzt bei Tageslicht. Die Klippen sind tatsächlich atemberaubend und können frühmorgens, vor Ankunft der Touristenscharen, in aller Ruhe genossen werden.

Das nächste Ziel ist die Synagoge in Piatra Neam], wahrscheinlich die älteste im Land, die auch eine sonderbare Historie der gesamten jüdischen Gemeinde der Stadt bietet. Es gab vor knapp 100 Jahren 23 Synagogen in der Stadt und nur eine Handvoll Kirchen.

Auf den nächsten Stopp freue ich mich bereits: „Das Tal der Zwölf“, ein Komplex mit Hobbit-Häusern wie im Film „Herr der Ringe“, welche in der nahen Ortschaft Dobreni liegt. Ein Erlebnis wie in einer Filmkulisse: unterirdische Häuser, Drachenköpfe an der Wand, ein großes Wikinger-Boot als Bartheke und sogar ein frisch vorbereiteter Galgen.

Nun führt mich die Strecke wieder gen Süden an der stark befahrenen Hauptstraße. Nach knapp zwei Stunden erreiche ich meinen nächsten Halt vor der Berg-strecke: das Mausoleum von M²r²{e{ti. Erbaut nach dem Ersten Weltkrieg zum Gedenken der gefallenen Helden in den Kämpfen gegen Österreich-Ungarn, kann man hier rumänische, gleichwohl wie deutsche, ungarische oder jüdische Namen ablesen.

Von dort führt eine wunderbar asphaltierte und gleichzeitig kurvenreiche Straße über die Karpaten zurück ins Szeklerland, über Lepșa und Ojdula. Nur selten wird die Wildnis von Fahrzeugen und einigen Wohnmobilen gestört, an-sonsten scheint die Natur nur für mich da zu sein. Ein echtes Erlebnis, perfekt zum Motorradfahren.

Nach drei Stunden ständigem Links-Rechts kommen das Flachland um Szekler Neumarkt/Târgu Secuiesc und die Schnellstraße zurück nach Kronstadt wie gerufen.

Am frühen Abend erreiche ich wieder den Ausgangspunkt und bin voller Energie. Die wilde Natur, das ständige Brummen des Motors, die Vibrationen des Lenkrads und die volle Konzentration, insbesondere auf den überaus kurvenreichen letzten Teil der Strecke, haben auch diesmal ihre Wirkung getan.