Heiliges Meteora

Über Askese und Tourismus in einer Mondlandschaft

Hoch auf den Felsklippen gelegen, dem Himmel näher – eines der Klöster von Meteora

Das „Semantron“

Die Felsen von Meteora
Fotos: Ştefana und Cristian Ciortea-Neamţiu

Die Landstraße, die von der Autobahn, der „Egnatia Odos“, abzweigt, spielt mit links, rechts, links, rechts, im Sirtaki-Rhythmus. Über zwei Stunden lang. Es ist später Abend, als wir bei der Pension ankommen. Die Dunkelheit lässt einige noch dunklere Brocken, die aus der Landschaft hervorstechen, erahnen, ein sehr mystisches Gefühl liegt in der Luft.

Die Aufnahme ist sehr freundlich, die Pension perfekt in der Ausstattung und überraschend gut im Preis. Am nächsten Morgen eröffnet sich beim Frühstück auf der Terrasse das Panorama: schwarze Berge, die Pilzen ähneln, im Garten der Pension blühen – das ist griechenlandweit so – die Oliven-, Oleander- und Zitronenbäume und geben im Vordergrund die nötigen Farbtupfen ab. Fast zu schön zum Atmen: eine Mondlandschaft auf Erden, mit der Mittelmeervegetation davor, ein Versprechen auf Mystisches, Übernatürliches, Besinnlichkeit.

Nach dem Frühstück stehen noch zwei weitere Autos aus dem Kreis Temesch auf dem Parkplatz. Die Familien, die aussteigen, haben auch ihren Urlaub am Meer verbracht und wollen jetzt, auf dem Heimweg noch ein besonderes Stück Griechenland als Erinnerung mitnehmen: Meteora – nicht nur als landschaftliche Besonderheit zu verstehen, sondern neben dem Berg Athos der bedeutendste Pilgerort der Orthodoxen hier in Griechenland. Denn die schwarzen Felsen, die wie Pilze herausragen, eine Kreation des Windes und des Wassers, beherbergen nahe ihrer Gipfel unzählige Klöster und Einsiedlerhöhlen. Wenn den Athos-Berg nur die männlichen Pilger betreten dürfen, so ist Meteora für alle zugänglich und man bedarf auch keiner Voranmeldung. Sobald wir das Plateau anfahren, wird auch klar, dass nach den Griechen die Rumänen die meisten Besucher hier sind. Auf jedem Parkplatz stehen Autos und Busse mit rumänischer Nummer. Dritte sind die Serben, ab und zu ein anderes Auto, auch aus Deutschland. Die „schwebenden Klöster von Meteora“ sind UNESCO-Weltkulturerbe und ziehen allein schon deshalb an.

Auf zu den „Aghia Moni“

Es ist Freitag und ein Tag vor der Enthauptung von Johannes dem Täufer, der warme Spätaugustmorgen beginnt am Fuße des Plateaus. Die Landschaft ist atemberaubend schön und mystisch. In diese Einöde hat sich vor 600 Jahren zum ersten Mal ein Eremit zurückgezogen: der Heilige Athanasios von Meteora war Mitte des 14. Jahrhunderts der Gründer des Einsiedlerlebens hier, seine Klause ist jetzt im größten Kloster noch zu sehen. Hoch, ganz hoch sind viele der Höhlen gelegen, von Menschen entfernter und näher zu Gott. Nach und nach sind Klöster entstanden. Für den Zugang hat bis vor einigen Jahrzehnten – das fotografische Material spricht dafür – der Flaschenzug gesorgt: der Mönch ließ sich in einem Netz herunter und wurde von seinen Brüdern genauso hinaufbefördert.

Heute herrscht mit Ausnahme der Tage, an denen die Klöster für  Publikum geschlossen sind, viel Gedränge. Immer sind ein paar Klöster zur Besichtigung offen und andere geschlossen, um einerseits die Pilger und Touristen nicht zu enttäuschen und andererseits den Mönchen und Nonnen die nötige Ruhe zu gewähren. Wir entscheiden uns für drei Klöster, die wir besuchen wollen: das Kloster Sankt Nikolaus, des Schutzpatrons der Kinder, das Große Meteor, das größte und älteste Kloster in diesem Komplex und - ein Muss für alle Touristen - das Kloster Sankt Stefan. Eine Bekannte – und sie stellt keine Ausnahme dar – hat zwei Tage in Meteora verbracht und die Klöster der Reihe nach besucht. Wenn sich von außen die meisten Klöster hier wegen der Beschaffenheit der Landschaft und dem Baumaterial stark ähneln, so stellt im Inneren jedes ein anderes Kleinod dar.

Im Megalo Meteoro

Das „Megalo Meteoro“, das große Meteor, ist nur über eine lange, enge, steile und steinige Treppe mit 143 Stufen erreichbar, vom Parkplatz aus sieht man die Menschen darauf wie schwarze Ameisen. Hier werden viele Fotos gemacht, die anderen Touristen warten in der Zwischenzeit, denn sie hegen dieselbe Absicht, die Apparate zu zücken. Beim Eingang an der Kasse erhalten die noch sommerlich luftig bekleideten Touristen lange Umhänge, um die Beine zu bedecken - und einen ersten Einblick in das Leben der Eremiten: hier steht noch ein Netz und der Flaschenzug, der lange Zeit den einzigen Zugang zu dem Kloster dargestellt hat. Der Ort ächzt fast von Touristen. Es gibt auch einen Plan des Klosters, damit sich ein jeder auswählt, womit er anfangen will: zwei Kapellen, der Innengarten, das Museum, die alte Küche, das Refektorium (der Speisesaal), die Ölpresse und andere Räumlichkeiten sowie die Souvenirläden.

Die erste Kapelle ist nicht groß, wird jetzt renoviert, die Wände sind ganz im orthodoxen Stil mit Fresken geschmückt. Draußen stehen die Glocken und das „semantron“ (bei uns als „toaca“ bekannt). Greifbar nahe. Im Innenhof entdeckt mein Nesthäkchen – zu dem Zeitpunkt zweieinhalb Jahre alt – eine Katze. Katzen sind ebenso wenig aus der griechischen Landschaft wegzudenken wie die Olivenbäume oder die Oleanderbäumchen, derer es auch hier viele gibt. Wir bangen sofort um das Kätzchen, wenn das Spiel nur nicht zu wild wird. Aber Filip hockt sich neben die Katze und spricht zu ihr: „Ich sage dir das Alphabet“. So also, das kommt davon, wenn man einen großen Bruder hat. Stutzig und erwartungsvoll schauen wir uns an und dann auf Filip, der mit zwei Wörtern die versprochen Leistung abgetan hat: „Das Alphabet!“ Unser Lachen lässt die Leute, um uns verwundert aufschauen, aber dann entdecken sie den Goldkopf mit dem Kätzchen und sind vom Anblick gerührt.

Im Museum erfahren wir über die sehr bewegte Geschichte des Komplexes hier und Griechenlands im Allgemeinen. Immer wieder taucht das Feindbild der Türken auf. In ihrer Geschichte gerieten die Griechen mehrmals mit dem Nachbarn, von dem sie durch die Ägäis und Welten - vor allem religiöse Welten - getrennt sind, in Konfrontation. Auch für die Mönche bei Meteora hieß es dann, zu den Waffen greifen, denn der Krieg hatte immer wieder auch eine religiöse Färbung. In den Ossuarien auf Meteora sieht man, wie viele Opfer diese Kriege forderten. Im Museum werden wir auch mit dem – dröhnenden – Namen einer bemerkenswerten Frau konfrontiert, einer griechischen Jungfrau von Orleans oder Ecaterina Teorodoiu: Laskarina Bouboulina, die Freiheitskämpferin aus dem griechischen Befreiungskrieg Anfang des 19. Jahrhunderts.

Wir entdecken auch einige Verbindungen des Klosters zur rumänischen Geschichte: Neagoe Basarab, der Wojewode der Walachei, hat im 16. Jahrhundert einen Turm und eine Steintreppe gestiftet – nicht die Steintreppe, die wir heute bestiegen haben, die ist erst vor weniger als 100 Jahren, 1922, entstanden. Und in dem Raum für Werkzeuge und Maschinen, wo auch die Öl- und die Weinpresse stehen, finden wir eine Maschine, die die Maiskörner von den Kolben löst. Darauf steht: „Schramm, Hütte & Schmidt S.P.A. Fabrica de maşini agricole Topleţ – Turnătorie de fier şi metal“. Beeindruckend finden wir das Refektorium, den Speisesaal, in dem noch ein Originaltisch aus alten Zeiten steht. Mein Ältester ist von der Länge und dem Alter des Tisches beeindruckt. Man hat den Eindruck, dass die Mönche noch an dem Tisch sitzen. Auch Geschirr steht noch da.

Der letzte Abstecher führt in Souvenirläden, wo wir Kruzifixe und Honig kaufen. „Meli“, so das begehrte Bienenprodukt auf Griechisch, ist hier ganz besonders, es ist Thymian-Honig aus den Bienenstöcken der Mönche auf Meteora: „Meli Megalo Meteoro“ eben. Für Weinliebhaber gibt es auch Wein von Meteora zu kaufen. Ein Album hat es mir besonders angetan: die schönsten Bilder mit Meteora in allen Jahreszeiten und zu allen Uhrzeiten: bei heiterem Himmel und Sonnenschein, wie wir es erlebt haben, bei mystischem Nebel im Herbst – eine Augenweide, im Morgen- oder Abendrot und… im Winter – ein Tipp für Genießer: Meteora kann so schön im Winter sein, im – für den klassischen Sommertouristen in Griechenland unvorstellbaren – Schnee. Ich kaufe das Album nicht, in der Hoffnung, dass der Wunsch, einmal nach Meteora im Winter zurückzukehren, wahr wird.