Im Frühling auf Mallorca

Eindrücke eines Pauschaltouristen vom Urlaubsparadies der Deutschen

Im Zentrum von Palma
Fotos: der Verfasser

Moderne Windmühlen schöpfen Wasser für die Landwirtschaft. Rechts als heller Fleck mit Folien bedeckte Felder.

Ein Reiher fischt am Jachthafen.

Reife Orangen im März

Wasserspeier am Dach der Kathedrale La Seu in Palma

Mit 3640 Quadratkilometern ist die Baleareninsel Mallorca, die zu Spanien gehört, nicht einmal halb so groß wie der Kreis Karasch-Severin, hat jedoch bedeutend mehr Einwohner – weit über 800.000, wovon annähernd die Hälfte in der Hauptstadt Palma leben, deren Ausläufer die riesige Bucht im Südwesten der Insel zu umarmen scheinen. Über die Inselbewohner brechen pro Jahr mehr als neun Millionen Touristen herein, mehr als über ganz Katalonien.

Die Hotels und Pensionen halten 285.000 Betten für sie bereit, abgesehen davon kann der, dem es Spaß macht, im Zelt oder im Wohnwagen schlafen, auch in einer ehemaligen Mönchszelle oder in einer alten Mühle. Auf der Insel gibt es Filialen von ALDI und von LIDL – kein Wunder, etwa ein Drittel der Gäste kommt aus Deutschland, knapp ein Viertel aus Großbritannien und nur ein Fünftel aus Spanien.

Unser Hotel heißt „Timor“, warum auch immer, wichtig ist die Reklame: „In einer ruhigen Seitenstraße gelegen, an der Ortsgrenze zwischen Playa de Palma und El Arenal. Den langen, feinsandigen Strand erreichen Sie nach nur 200 Metern. Das Ortszentrum mit Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants liegt ca. 300 Meter entfernt.“

Der Weg bis Palma beträgt nicht weniger als 15 Kilometer, wer Lust hat, kann ihn auf der Strandpromenade zurücklegen. Das Hotel (vier Sterne) liegt im „Deutschen Eck“ – so auch der Name einer Gaststätte. Ganz in der Nähe ein deutscher Friseur, ein deutscher Zahnarzt und eine deutsche Arztpraxis. Im Shop liegen aus: der „Spiegel“, die „Zeit“, die „Frankfurter Allgemeine“ und die „Bild“, außerdem zwei vor Ort redigierte Blätter, das „Mallorca Magazin“ sowie die „Mallorca Zeitung“. Man hört Rheinländisch, Bairisch und Schwyzerdütsch. Wir entdecken ein „Bielefelder Pils-Stübchen“.

Was zieht die Touristen an?

Gewiss spielen die 300 Sonnentage, mit denen sich die Balearen brüsten, eine große Rolle. Man kann hier sonnenbaden, flanieren, wandern und joggen, golfen, im Meer baden, angeln und segeln. Man kann Museen und Konzerte besuchen. Auch wer Bauernmärkte mag, kommt auf seine Rechnung. Es gibt Begeisterte, die bei der Mandelernte helfen. Man kann Segelregatten und Radrennen verfolgen. Verzeihung, die Radfahrer! Diese große Insel mit ihren kurvenreichen, zuweilen welligen Straßen ist für Fahrradfans ein Paradies. Deshalb findet sich an jeder dritten Ecke ein Fahrradverleih und in jedem Hotel, das auf sich hält, gibt es einen Fahrradkeller. Die Radsaison findet ihren Höhepunkt im April, dann wird das Straßenbild von behelmten Menschen im Fahrrad-Look geprägt, unter ihnen auch Kinder und Senioren. Rechts Karawanen, links ganze Rudel – als ob sich die Profiradler aus allen fünf Kontinenten hier ein Stelldichein geben…

Gar manche Besucherin fühlt sich von den Kunstperlen angesprochen, die fleißige Hände in kleinen Fabriken herstellen und zu Schmuck verarbeiten. Sie bestehen aus einem festen Kern Sand und ca. 30 Schichten einer perlmutthaltigen Masse, die u.a. zermahlene Fischschuppen enthält.
Natürlich melkt die Bevölkerung die „Kuh“ nach Kräften. Die Zahl der Cafés, Eisdielen, Pizzerien, Restaurants und Weinstuben ist unerschöpflich.

Vor- und Nachteile des Massenandrangs

Zu Ostern fällt der inoffizielle Startschuss für die Touristensaison – nun landet und startet jede Minute ein Flugzeug. Wie die Lokalpresse meldet, sind die Hotels in diesem Jahr rund um die Ostertage zu 75 Prozent ausgelastet, die Herbergen an der Playa de Palma und in der Innenstadt der Inselmetropole sogar zu 90 Prozent.
Der Tourismus ist heute das Rückgrat der mallorquinischen wie auch der übrigen balearischen Wirtschaft. Die Region zählt zu den reichsten Spaniens. Laut dem „Mallorca Magazin“ hat die Wirtschaft seit dem Herbst 2015 um mehr als drei Prozent zugelegt. Im Jahre 2017 haben die Balearen zum ersten Mal seit über zehn Jahren einen Haushaltsüberschuss erzielt: genau 54 Millionen Euro. Im laufenden Jahr will die Balearen-Regierung den Schuldenberg der Region um 180 Millionen auf 8,6 Milliarden Euro reduzieren. Der Arbeitsmarkt boomt. Während bis ins späte 20. Jahrhundert Mallorquiner auswanderten, zieht der Markt nun Arbeitskräfte an. Die junge Dame von unserer Rezeption ist in Argentinien geboren, eine Kellnerin, mit der wir zwischendurch schwatzen, stammt aus Santo Domingo.

Allerdings bescherte der Massentourismus der Bevölkerung und der Balearischen Regierung auch große Sorgen. Im Laufe von einigen Jahrzehnten hat sich das wirtschaftliche und soziale Gefüge der Insel tiefgreifend verändert. Durch den Massentourismus wurde die natürliche Wasserarmut der Insel verschärft und bedroht seither die heimische Fauna und Flora. Immer wieder kommt es auf Mallorca, wie überall in Spanien, zu Engpässen. Nur über den Betrieb von kostspieligen Aufbereitungsanlagen und den Import von Wasserreserven kann der hohe Bedarf der Hotel- und Golfanlagen gedeckt werden. Wegen der saisonalen Überlastung der Kläranlagen gelangen Abwässer ungefiltert in die Badebuchten und bringen das sensible Ökosystem der Unterwasserwelt aus dem Gleichgewicht. Pro Jahr sammeln sich 500.000 Tonnen Müll an; ein großer Teil des nicht wiederverwendbaren Abfalls landet im Meer. Man schuf entlang der Küste Siedlungen aus der Retorte: im Sommer mit Leben gefüllt, im Winter verwaist. An manchen Sommertagen suchen Individualisten in 60.000 Mietautos nach dem ursprünglichen Mallorca im Landesinnern und verstopfen Straßen und Dörfer. Immer weniger Menschen arbeiten in der Landwirtschaft oder in traditionellen Berufen, der Nachwuchs findet sein Auskommen im Dienstleistungssektor.

So die sachliche Darstellung der Probleme im Reiseführer. Nach zwei Wochen Aufenthalt mit mehreren Erkundungsfahrten kreuz und quer kann ich bezeugen, dass die Straßen, Wege und Plätze sauberer sind als in meiner Wahlheimat Gießen.

Blütenmeer und Altstadtromantik

Gott muss gelächelt haben, als er Mallorca schuf: Im Zentrum fruchtbares Hügelland, auf dem Getreide, Ölbäume und Reben, Feigen, Apfelsinen und Mandeln gedeihen, dazu bewaldete Berge und ringsum stark gegliederte Küsten, teils mit steilen Felsen, teils mit Sandstränden. Die berühmte Mandelblüte – sieben Millionen duftende Baumkronen – beginnt Anfang Februar, Ende März ist sie schon vorbei. Auf einigen Gipfeln der Gebirgskette im Osten, der Serra de Tramuntana, liegt noch etwas Schnee, aber aus dem grünen Laub der Orangen- und der Zitronenbäume leuchten die reifen Früchte. Während die Feigenbäume noch ganz kahl sind, lenkt das rosarote Blütenkleid der Pfirsichbäume die Blicke auf sich.

Der Besuch in der riesigen Kathe-drale La Seu im Zentrum der Altstadt von Palma ist ein Erlebnis der besonderen Art, zumal in der Karwoche, wenn die Elektriker die Generalprobe für die Hauptmesse am Ostersonntag abhalten, an der traditionell Mitglieder der königlichen Familie teilnehmen. Die Kathedrale wurde in gotischem Stil erbaut, mehrere Seitenaltäre stammen aus dem Barock. Mit dem Bau hat man um 1300 begonnen, das Hauptportal konnte 1601 eingeweiht werden. Im Reiseführer steht nicht, aus wessen Schatulle Baumeister, Kunsthandwerker und Arbeiter bezahlt worden sind. Angeblich haben auch versklavte Mauren Quader für die Kathedrale aus den Felsen gemeißelt.