Im Schmelztiegel der Geschichte

Drobeta Turnu Severin: Von Menschen mit Fischmäulern, stampfenden Turbinen, fleischfressenden Riesen und dem Duft der weiten Welt...

Im Museum kann man den Turbinenraum auch direkt besichtigen.

Ausgrabungsstätte Ostrovul Mare (Flusskilometer 870): Zwillingsgefäß aus der Gârla Mare Kultur (16.-13. Jh v. Chr.)

So etwa sah es in den Häusern auf der Ada Kaleh aus - der türkische Salon im Museum Eisernes Tor;

Typische Wassermühle

Die Tanzgruppe der griechischen Minderheit bei einer Vorführung anlässlich der vom Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung (DRI) organisierten Journalistenreise.
Fotos: George Dumitriu

103-105 nach Christus: Apollodor von Damaskus erbaut für die Römer die mit 1135 Metern Länge größte Brücke der Antike über die Donau. Drobeta nennt sich das erste römische Kastell, das im Frühling 105 auf frisch erobertem dakischem Boden entsteht. Im Mittelalter soll es katholischen Franziskanermönchen als Stützpunkt für die Missionierungen dienen.

1866: Am selben Ort betritt Karl von Hohenzollern-Sigmaringen zum ersten Mal rumänischen Boden. Er wird das Land später als König Carol I. fast ein halbes Jahrhundert lang regieren.

1878: Nach dem Rumänischen Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich wird die Stadt, die bald den Beinamen „Klein Nizza“ erhält, für den Westen zum Tor Osteuropas. Imposante Gebäude und luxuriöse Hotels wachsen aus dem Boden.

Heute werden hier über 50 Prozent der Wasserkraftenergie Rumäniens produziert. Die Stadt am Eisernen Tor hat sich ihre gleich drei Namen weiß Gott verdient: Drobeta Turnu Severin.

Schmelztopf der Kulturen

„Als Stadt an der Kreuzung der bedeutendsten Handelswege zwischen Dakien und dem römischen Reich, behält sie von der Antike bis in die moderne Zeit ihre Rolle als Pforte, wo sich die Kommunikationswege treffen“, ist im interkulturellen Führer zu lesen, den Schüler im Rahmen der Projektwoche „Schule anders“ unter Anleitung von Paula Sãlcau (Union der griechischen Minderheit) erarbeiteten. Auch andere interessante Dinge sind darin zusammengetragen: Über das deutsch-österreichische Viertel im Westen der Stadt, denn zur Volkszählung 1865 sprachen noch über die Hälfte der Einwohner Deutsch. Sie arbeiteten im Hafen, in der Schiffswerft, den Werkstätten der Eisenbahn oder der österreichischen Schiffahrtsagentur. Ihre Töchter ließen sie von Nonnen in der Mädchenschule zur hl. Anna in Deutsch, Französisch, Italienisch, in Musik, guten Manieren, deutscher Sauberkeit und Ordnung streng erziehen. Sie brachten Bräuche wie den Fasching, das Maifest oder den Weihnachtsbaum mit ins Land - und einen Baustil mit Giebeln, den man heute noch bewundern kann.

Im Vergleich: 1865 betrug der jüdische Bevölkerungsanteil in Severin acht Prozent. Sie lebten vom Handel und hinterließen eine Synagoge im Stadtzentrum, die heute jedoch als Sitz eines Anwaltsbüros fungiert. Zu den schönsten jüdischen Häusern gehört die Casa Sabetay, 1890 im Barockstil erbaut. 1948 wurden die Besitzer enteignet und das Haus von der Securitate übernommen. Heute befindet sich dort ein Kunstmuseum.

Serbische Händler und Handwerker ließen sich nach 1865 in Drobeta Turnu Severin nieder, als Folge von Konflikten zwischen den Herrscherfamilien Obrenovici und Karagheorghevici.

Die Türken kamen von der im Stausee versunkenen Insel Ada Kaleh. Ihre Spezialität bestand im Brauen von Braga und Kaffee, sowie im Zubereiten von Baklava und Turkish Delight. An sie erinnert das Ada-Kaleh Cafe und die Bragageria Bairam in der Strada Mare. Viele Türken ließen sich auch im nahen Schela Cladovei nieder. Ihre neuen Heime errichteten sie aus den in unzähligen Bootsfahren übergesetzten Ziegeln ihrer abgetragenen Häuser auf Ada Kaleh. Einer von ihnen,Husref Durgut Karaiman, brachte auch von jeder Pflanze einen Steckling mit und ist stolz auf sein kleines Ada-Kaleh-Vorgartenparadies.

Auch die Griechen hinterließen ihre Spuren in Severin: Casa Anastasiu (Ecke Str. Traian und Eroii de la Cerna), Casa Ghiculescu (Str. Kogalniceanu), Casa Muzas (Ecke Str. Cicero und Decebal) und Casa Apostol (Str. Unirii 77) erinnern an Händlerfamilien aus dem Epirus. In Casa Muzas lockte die Kneipe „Ploşca de Aur“ (goldene Feldflasche) einst Matrosen aus dem nahen Hafen an. Aus Makedonien kamen die griechischen Erbauer der Häuser Dellas (Ecke Str. Traian und Rahovei) und Triandafil (Ecke Str. Matei Vasilescu und Sm²rdan). Der heutige Sitz der Romtelecom war als Hotel Europa seit 1874 in griechischem Besitz, wie auch die Universität als ehemalige Casa Polihronu (Ecke Str. Traian und Anghel Saligny). Casa Vlahos (Ecke Dimitrie Cantemir und Progresul) diente lange als Sitz der Schule für Volkskunst und geht auf Einwanderer aus Kynames zurück.

Natur und Geschichte am Eisernen Tor

Um sich hierzu einen Überblick zu verschaffen, ist ein Besuch im Museum Eisernes Tor unerlässlich. Nicht nur, dass man dort einen Blick in die dröhnenden Eingeweide des gewaltigen Wasserkraftwerks erhält - Fotografieren leider verboten! Es gibt auf Info-Paneelen auch Auskunft über archäologische Stätten, die Festungen in der Umgebung - Trikule und Severin auf rumänischer Seite, Golubac und Fetislam in Serbien, geologische Attraktionen wie Mineralien, Fossilienstätten, sowie Fauna und Flora im Nationalpark. Die Exponate reichen von Mineralien über Tongefäße, einer für die Region typischen Wassermühle, einem türkischen Kaffeesalon von der Ada Kaleh, bis zu Trachten verschiedener Ethnien und mehr.

Gigantomanie: Im Kraftwerk Eisernes Tor werden 50 Prozent der Wasserkraft und 15 Prozent der gesamten Energie des Landes produziert. Eine Turbine mit Durchmesser von 16 Metern wiegt 3600 Tonnen. 13 Meter Höhe helfen die beiden Schleusen überwinden, die sich nach dem Prinzip kommunizierender Gefäße füllen. Der 130 Kilometer lange Stausee überschwemmte zehn Orte auf rumänischer Seite, sieben auf serbischer und die Insel Ada Kaleh.

Unglaublich: Vor etwa 9000 Jahren trieben in Schela Cladovei Riesen ihr Unwesen. Die Menschen in der vermutlich ältesten sesshaften Kultur Europas betrieben Ackerbau und Viehzucht und ernährten sich von rohem Fleisch, was angeblich ihre Größe von über 1,90 Metern erklären soll.

Faszinierend: Am serbischen Ufer gegenüber von Svini]a liegt das Museum der Ausgrabungsstätte Lepenski Vir. Als Europa noch von Nomaden durchzogen wurde (7500-5500 v. Chr.), gab es dort dank des milden Klimas bereits eine Siedlung. Ihre Bewohner verehrten den Vulkankegel Trescovaţ am rumänischen Donauufer und nutzten ihn als Kalender zur Planung landwirtschaftlicher Aufgaben. Die Siedlung ist so angelegt, dass die Sonne zur Sommersonnenwende genau über dem Plateau des Trescovaţ aufgeht. Typisch für diese Kultur sind steinerne Skulpturen von Menschen mit Fischmündern.

Drobeta Turnu Severin - ein Name wie ein Zungenbrecher. In den Straßen weht noch immer der Duft der weiten Welt, durch die Gassen hallt das Echo der Vergangenheit. Steine flüstern dakische Namen und durch den Nebel der Phantasie schimmern römische Brückenpfeiler. Und ist da nicht eine lockende Stimme, die dich gerade ruft? „Komm!“