In der ältesten Stadt an der Wolga

Das Ensemble des Christi-Verklärungs-Klosters von Jaroslawl ist seit 2005 UNESCO-Welterbe

Panoramablick über die Wolga

Das Wolkow-Theater von Jaroslawl

Die orthodoxe Mariä-Entschlafens-Kathedrale, ein weiteres Schmuckstück dieser historischen Stadt

Nostalgische Lieder, unzählige Gedichte, Erzählungen und Romane  sind dem längsten und wasserreichsten Fluss Europas gewidmet. 3530 Kilometer misst die Wolga von der Quelle bis zu der Mündung in das Kaspische Meer, die 28 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Unser Reiseziel ist dieses Mal Jaroslawl, die älteste Stadt, die an der Wolga liegt, und 2010 ihr tausendjähriges Jubiläum begehen konnte.  

Nach einem etwas aufregenden Flug wegen der Turbulenzen landen wir am Moskauer Flughafen bei strömendem Regen. Nach der etwas länger dauernden Passkontrolle, da man aus einem EU-Land kommt, steigen wir in den Wagen, um die  über 280 Kilometer entfernte Stadt Jaroslawl zu erreichen. Nach vier Stunden Fahrt auf guter Straße, fast ständig nur durch Waldgebiet, ohne eine Ortschaft zu sehen, kommen wir an unserem Ziel an.  Jaroslawl  mit seinen rund 600.000 Einwohnern – laut Volkszählung waren es 2010 genau 591.486 – liegt an der Mündung des Kotorosl-Flusses in die Wolga und erstreckt sich auf einer Fläche von 205 Quadratkilometern. Kotorosl ist nur einer der über 200 Nebenflüsse, die in die Wolga münden.

Nach Jaroslawl kann man allerdings auch per Flug, Eisenbahn oder Schiff gelangen. Nicht weniger als 16 Bahnhöfe umfasst die Stadt, von denen zwei dem Fernverkehr, die restlichen dem Regional- und Nahverkehr dienen. Dort kann man auch in die Transsibirische Eisenbahn zusteigen. Auf der Wolga herrscht ein dichter Verkehr an Passagier- und Kreuzfahrtschiffen. Jaroslawl ist Knotenpunkt mehrerer guter Landstraßen und ist mit Moskau durch eine Autobahn verbunden. Der nicht weit entfernte Flughafen Tunoschna ist besonders für Inlandflüge sehr effizient, da man die weit entfernten Ziele in Russland dadurch leichter erreichen kann. Noch heute erinnert man sich dort allerdings an die Flugkatastrophe vom 7. September 2011 mit 44 Opfern, bei der fast die ganze Eishockeymannschaft der Stadt ums Leben kam, als das Flugzeug beim Start abstürzte.

Tausendjährige Geschichte

Das Jahr 1010 gilt als Gründungsjahr der Stadt. Grabungen, die jungsteinzeitliche Funde zutage förderten, ergaben jedoch, dass die Ansiedlung bedeutend älter sein muss. Die Gründung von Jaroslawl ist mit den Slawen verbunden. Benannt wurde die Stadt nach dem Kiewer Fürsten  Jaroslaw der Weise. Sie entwickelte sich besonders durch den Handel, der dank der Wasserwege einen großen Aufschwung erlebte.  Waren kamen vom und gingen bis in den Orient und nach Indien. So ist auch zu erklären, dass das historische Zentrum  an der Mündung des Kotorosl in die Wolga entstanden ist. Mehrmals wurde dieses Opfer von Feuer und Mongolenangriffen. Die anfangs vorherrschenden Holzbauten, einschließlich einem Kreml ähnlich dem in Moskau, wurden daher später durch Steinbauten ersetzt. Auch hatte die Stadt eine wichtige strategische Lage. 1796 wurde sie zum Zentrum eines Gouvernements des Zarenreiches. 1803 ist hier die erste Hochschule gegründet worden. 

Die Altstadt mit seinen Kirchen aus dem 17. Jahrhundert und dem Christi-Verklärungs-Kloster ist seit 2005  zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt worden. Jaroslawl,  das ein beliebtes Touristenzentrum geworden ist, gehört zu einer Gruppe altrussischer Städte, bekannt als „Goldener Ring Russlands“.
Das erste Wappen der Stadt  stammt aus dem Jahre 1778 und stellt einen Bären mit Streitaxt dar. 1870 erfolgte der erste Eisenbahnanschluss  nach Moskau, 1873 wurde die erste Wasserleitung der Stadt in Betrieb genommen, 1899 begann der Bau der elektrischen Straßenbahn. Der 1917 – 1920 erfolgte Bürgerkrieg führte zu wirtschaftlichem Niedergang und einer Abnahme der Bevölkerungszahl. In den sozialistischen Jahren wurde die Stadt durch die dort errichteten Betriebe zu einem wichtigen Industriezentrum. Zwar blieb sie verschont von einer Besatzung im Zweiten Weltkrieg, doch fanden mehrere Luftangriffe auf die Eisenbahnbrücke statt, die 1913 gebaut worden war.

Kreuzkuppelkirchen mit Zwiebeltürmen

Die Stadt zählt über 140 Baudenkmäler. Bekanntestes ist das im 12. Jahrhundert gegründete Christi-Verklärungs-Kloster. Die dazugehörige Kathedrale wurde 1516 gebaut. Der Platz davor nennt sich Epiphanien-Platz nach der im südlichen Teil befindlichen Kirche. Die von dort ausgehenden Straßen  sind als Prachtboulevards angelegt worden. An diesen befinden sich Bauten des Klassizismus, die durch ihre Architektur besonders sehenswert sind: die Handelszeilen, das Wolkow-Theater, das ehemalige Haus der Adelsversammlung, das Hauptgebäude der Jaroslawl-Universität, die Feuerwehr-Beobachtungswarte. Die Kreuzkuppelkirchen mit den Zwiebeltürmen und die innere Wandmalerei mit biblischen Szenen führen einen in die Orthodoxie ein.

Diese ist einem natürlich nicht unbekannt, doch die Architektur der Klöster und Kirchen ist etwas anders als in Rumänien. Entlang der Uferpromenaden  des Kotorosl und der Wolga, die zu ausgedehnten Spaziergängen einladen, sind weitere schöne Bauwerke wie das Gebäude des ehemaligen Geistlichen Konsistoriums, ein Entwurf des damaligen italienischen Stadtarchitekten Luigi Rusca, zu bewundern. Am rechten Ufer des Kotorosl reihen sich typisch russische Holzhäuser. Auch dort gibt es ein Ensemble aus zwei Kirchenbauten, deren Baubeginn 1649 verzeichnet wird. Ländlich geprägt ist ein Teil des Stadtgebietes am linken Ufer der Wolga. Sehenswert ist dort ein weiteres Kloster, Mariä Tempelgang von Tolga, dessen Gründung auf das Jahr 1314 zurückgeht.

Museen und Freizeitangebote

Die nordöstlich von Moskau gelegene Stadt Jaroslawl ist in sechs Stadtbezirke (Rajone)  untergliedert. Zugleich ist sie auch regionaler Vorort – Oblast – des Gebietes. Zu ihren Partnerstädten gehören zwei aus Deutschland, Kassel und Hanau. Die Initiative zu der Partnerschaft mit Kassel ging von der russischen Raumfahrtpionierin Walentina Tereschkowa aus, die in der Zeit ihrer Jugend in Jaroslawl zur Schule ging.  Weitere Partnerstädte sind Poitiers (Frankreich), Exeter (Großbritannien), Burlington (USA). Jaroslawl ist eine der sieben russischen Städte, die auf Rubel-Scheinen abgebildet sind. In der Stadt kann man einige ungewöhnliche Museen besichtigen. Seit 2009 gibt s dort das Lieblingsbärchen-Museum.  Dieses umfasst rund 7000 Teddybären verschiedenen Alters und unterschiedlicher Gestalt, die zum Großteil aus Spenden stammen.

Das Museum soll auf das ehemalige Wappen der Stadt aufmerksam machen.  Im Privatmuseum „Musik und Zeit“, das 1993 gegründet wurde, kann man Antiquitätensammlungen, darunter Spieluhren, Musikboxen und Glöckchen bewundern.  An der Wolga-Promenade liegt das Geschichtsmuseum der Stadt. Das 1919 gegründete Kunstmuseum, eines der größten in der russischen Provinz, umfasst 70.000 Exponate. Außerhalb der Stadt in einer Entfernung von 15 Kilometern  liegt der Komplex Karabicha. Dazu gehört ein Herrenhaus,  in dem der Dichter Nikolai Nekrassov von 1861 bis 1875 gelebt hat und wo einige seiner Werke entstanden sind. Die Stadt besitzt auch ein Planetarium und einen Zoo. Die 30 Parks und Stadtgärten umfassen eine Gesamtfläche von 2000 Hektar. Drei Schauspielhäuser und zehn Kinos stehen den Bewohnern zur Verfügung.

Klima und Lage der Stadt beeinflussen auch die Sportarten, die dort bevorzugt betrieben werden. Gelegen in einer Hügellandschaft, umgeben von Misch- und Nadelwäldern, herrscht  ein Kontinentalklima mit kaltem und schneereichem Winter und gemäßigt warmem Sommer. Der beliebteste Sport ist Eishockey, wofür seit 2001 die Mehrzweckhalle „Arena 2000“ zur Verfügung steht. Natürlich wird auch Fußball gespielt. Da bei der WM 2018 einige Fußballspiele in Jaroslawl ausgetragen werden sollen, wird ein neues Stadion mit 40.000 Plätzen gebaut. Zahlreiche Stadtbewohner und Touristen nehmen an der wichtigsten jährlichen Veranstaltung, dem in der letzten Maiwoche stattfindenden Stadtfest, teil. Dies ist dem Gründungsjubiläum gewidmet und umfasst verschiedene  Kultur- und Freizeitangebote. Über 140 Hotels und Pensionen stehen den Besuchern zur Verfügung. Mit bleibenden Eindrücken verlässt man die Stadt, die zwischen Tradition und Moderne, Alt und Neu viel zu bieten hat.