Mit Manuc Bei durch die Hauptstadt

Miniserie Bukarest – Teil 4: Auf den Spuren der Armenier

Romantischer Innenhof des Hanul lui Manuc
Fotos(5): George Dumitriu

Manuc Bei Foto: Wikipedia

Ein zeitgenössischer Armenier: Der Jazzmusiker Harry Tavitian gibt auch öfters Konzerte in Bukarest.

Casa Melik

Museum Zambaccian

Armenische Teppichkunst

Er galt als der reichste Ausländer seiner Zeit in der Walachei. Metropolit Dosoftei lobte ihn in den höchsten Tönen, denn er hatte die Hauptstadt und ihre Bojaren gerettet, in dem er die türkischen Banden des Manav-Ibrahim vertrieb. Im Russisch-Türkischen Krieg (1806-1812) spielte der 1808 von Sultan Mustafa IV. zum Bei (Prinz) der Moldau und der Walachei ernannte Diplomat eine wichtige Rolle: geachtet von den Türken, respektiert von den Russen, zudem Gastgeber der Truppen des Zaren, die sich 1810 in seiner Bukarester Karawanserei einquartieren. Wer war dieser Manuc Bei? 1769 als Emanuel („Manuc“) Martirosi Mârzaian in Ruse geboren, beide Eltern Armenier aus der Region Ararat, kam er einst als Gehilfe eines armenischen Händlers nach Jassy/Iași...

Dort lernte er erst mal Rumänisch, dann Französisch und Russisch. Bald sollte der als schlau, höflich und hilfsbereit bekannte junge Armenier zwölf Fremdsprachen beherrschen, verrät die Beilage „Armenische Persönlichkeiten“ der Zeitschrift „Ararat“, herausgegeben von der armenischen Minderheit.  Manuc träumte glühend von Reichtum - tatsächlich gelang es ihm, ein imposantes Vermögen anzuhäufen. 1806 ließ er sich schließlich in Bukarest nieder, wo er schon vor 1800 auf dem ehemaligen Gelände des alten Fürstenhofes eine Karawanserei erbaut hatte: das Hanul lui Manuc. Dort, in der Bukarester Altstadt, beginnen wir unsere Tour auf den Spuren der Armenier.

Das Schicksal der Karawanserei

Nach Ende des Russisch-Türkischen Krieges (1806-1812) verlässt Manuc Bei die Hauptstadt und zieht auf sein Anwesen in Hincești. Weil nach seinem Tode 1817 alle Kinder noch minderjährig sind, wird die Karawanserei von kirchlichen Bevollmächtigten verwaltet, bis Sohn Murat 1841 das Erbe antreten kann. Inzwischen vom Erdbeben 1838 ernsthaft beschädigt, sieht sich dieser gezwungen, das stark reparaturbedürftige Gebäude zu verkaufen. Nach mehreren Wechseln der Besitzer erwirbt es 1862 Lambru Vasilescu, investiert in den Wiederaufbau und ändert den Namen auf „Grand Hotel Dacia“, wo bald die Reichen und Schönen Bukarests rauschende Feste feiern. 1881 von der Familie Cantacuzino erworben, steckt Nachfahre Constantin Cantacuzino um das Jahr 2000 eine respektable Summe in die Restaurierung der alten Karawanserei und ihre Modernisierung als Gaststätte. Heute ist der Komplex mit exklusivem Restaurant, Weinstube und romantischem Gastgarten gegenüber dem alten Fürstenhof wieder eine der touristischen Hauptattraktionen Bukarests.

Museale Kleinode

Ein weiterer berühmter Armenier, der der Hauptstadt eine Sehenswürdigkeit hinterlassen hat, ist der Textilhändler, Kunstsammler, Mäzen und Kunstkritiker Kricor H. Zambaccian (1889-1962). Der Kunstliebhaber und Autodidakt auf diesem Gebiet förderte nicht nur bildende Künstler seiner Zeit, sondern auch Musiker und Schriftsteller. Für seine Sammlung – angeblich bis heute eine der wertvollsten des Landes – errichtete er um1940 eigens ein Museum. 1947 vermacht er dieses dem Staat und wird zum Dank als Mitglied in die Rumänische Akademie aufgenommen. In dem exquisiten Museum in der Strada Muzeului Zambaccian 21A (Nähe Dorobanți-Platz) findet man Gemälde von heimischen Malern wie Teodor Aman, Grigorescu, Tonitza, Pallady, Skulpturen von Brâncuși, aber auch Werke ausländischer Größen wie Cezanne, Picasso, Renoir.

Ein weiteres Museums-Kleinod ist die Casa Melik im armenischen Viertel in der Strada Spătarului 22. Zwischen 1750 und 1760 errichtet, gilt die Villa des armenischen Händlers Kevork Nazaretoglu als ältestes Privatgebäude Bukarests. Das Schmuckstück traditioneller walachischer Baukunst besticht mit einem hohen Kellergewölbe, einer geräumigen Veranda und gewaltigen Holztreppen. Nazaretoglus Nichte Ana heiratete den berühmten armenischen Architekten Jakob Melik und erbte das Haus. Sie hinterließ es der armenischen Gemeinschaft unter der Bedingung, dort ein Heim für verarmte Witwen einzurichten, was auch geschah. Heute befindet sich die Casa Melik nicht mehr im Besitz der armenischen Minderheit, sondern dient als Sitz des Museums des rumänischen Malers Theodor Pallady.

Armenisches Leben schnuppern

Das armenische Viertel besucht man am besten im August, wenn das bunte Straßenfest stattfindet, das diese Minderheit in Bukarest seit drei Jahren regelmäßig organisiert. Dann duftet es nach Kaffee in Kännchen im heißen Sand, nach traditionellen Speisen, Süßigkeiten und Branntwein. Musik wabert durch die sommerlichen Straßen, bunte Stände reihen sich aneinander wie einst, als Armenier, Juden und Griechen dort ihre exotischen Waren feilboten. Heute kann man Bücher, Teppiche, Schmuck und Handarbeiten erstehen. Der Granatapfel, Symbol der Einheit unter den Armeniern, ziert T-Shirts, Einkaufstaschen, Objekte aus Keramik oder Glas. Geboten werden auch Veranstaltungen von Theater bis hin zu Stadtführungen durch das armenische Viertel (zum Programm siehe www.stradaarmeneasca.ro).

In Rumänien tief verwurzelt

Die armenische Minderheit blickt auf eine lange Geschichte im Raum des heutigen Rumänien zurück. Das älteste Zeugnis ihrer Anwesenheit ist ein Grabstein aus dem Jahr 967 in der Moldau. Zur selben Zeit erwähnt ein ungarischer Chroniker eine armenische Siedlung in Siebenbürgen, wo mehreren Armeniern vom ungarischen König Stefan (997-1038) Adelstitel verliehen wurden. In einem Dokument, 1281 von König Ladislaus IV. unterzeichnet,ist von „Terra Armenorum“ und einem armenischen Kloster die Rede.

Einwanderungswellen gab es zur Zeit Alexander des Guten (1400-1431), der Armenier aus Polen zur Belebung des Handels in die Moldau einlud und sie von Steuern befreite. Auch zur Zeit Stefans des Großen (1457-1504) kamen an die 10.000 Armenier in die Moldau. Der Historiker Nicolae Iorga bezeichnet sie sogar als Mitbegründer des Fürstentums Moldau, denn sie hatten die Handelswege geschaffen, auf deren Basis es entstanden war. Moldauische Herrscher armenischer Abstammung waren Garabet Ioan Potcoavă (1592) und Ioan Vodă-Armeanu  der Schreckliche (1572-1574). Petru Rareș hatte einen armenischen Berater namens Petru Vartic und Michael der Tapfere einen diplomatischen Agenten, Petru Armeanu. Erinnern wir uns auch wieder an Manuc Bei, der zum moldauisch-walachischen Prinzen (Bei) avancierte. 

In der Walachei siedelten die Armenier im 14. bis 15. Jahrhundert vor allem in Bukarest, Târgoviște, Pitești, Craiova und Giurgiu. Ab dem 15. Jahrhundert erreichten sie auch die Dobrudscha. Um 1700 errichten Armenier in Siebenbürgen sogar eine eigene Stadt: Armenopolis bei Gherla. Für die Erlaubnis mussten sie 25.000 Gulden an Kaiser Leopold I. in Wien zahlen. Die zweitgrößte armenische Siedlung Siebenbürgens hieß Elisabetopolis, das heutige Dumbrăveni bei Schäßburg/Sighișoara.
Die größte Einwanderungswelle der Armenier aber fand Anfang des 20. Jahrhunderts statt, nach dem Völkermord von 1915 im Osmanischen Reich.

Uralte Büchtertradition

Wohin würde uns Manuc Bei jetzt führen, um uns armenische Kultur in Bukarest näherzubringen? Sicher zur prächtigen Kathedrale der Erzengel Michael und Gabriel im armenischen Kirchen- und Kulturkomplex, der schon in der letzten Folge (Miniserie Bukarest – Teil 3: Heimliche Hauptstadt der Kirchen) beschrieben wurde, hätte er deren Bau noch erlebt. Bestimmt würde er uns auch energisch am Ärmel in die 1927 vom armenischen Historiker und Orientalisten H. Siruni gegründete armenische Zentralbibliothek ziehen, die der Bei zwar auch nicht kennen kann, doch Buchkultur war bei den Armeniern schon seit der Erfindung ihres Alphabets im 5. Jahrhundert groß in Mode. Der Buchdruck hat seit 1512 Tradition, nachdem Hakob Meghapart in Venedig die erste armenische Druckerei gegründet hatte. Über 1000 alte Bücher sind allein in Bukarest archiviert, ca. 400 davon stammen von vor 1800. Im Museum „Dudian“ des Komplexes kann man die reich verzierte, armenische Bibel von Voskan Erevan]i aus dem Jahr 1666 bestaunen, die 160 Gravuren von Christoffel van Sichel dem Jüngeren enthält, ein Teil davon nach Vorlagen von Rafael, Albrecht Dürer und anderer großer europäischer Meister. Neugierig geworden? Dann, so flüstert mir Manuc Bei gerade ins Ohr, lohnt sich vielleicht ein Besuch am Sitz der Vertretung der armenischen Minderheit, wo Zeitschriften und Broschüren noch mehr über diese interessanten Einwanderer verraten, die so tief mit unserem Land verwurzelt sind.