Vom Licht der Götter

6000 Jahre Goldschmiedekunst: Ausstellung „Das antike Gold und Silber Rumäniens“ in Karlsburg

Der Schatz von Cucuteni-Băiceni (Botoşani) entstammt dem Hügelgrab eines geto-dakischen Prinzen aus dem 3. Jh v. Chr.

Funde aus dem getischen Prinzengrab von Agighiol in der Dobrudscha (4. Jh v. Chr.)

Der Schatz von Peretu (Teleorman) kam zufällig 1970 beim Pflügen ans Tageslicht: Hier wurde das Hügelgrab eines getischen Prinzen aus dem 4. Jh v. Chr. entdeckt.

Dieses Gefäß gehört zum Schatz von Pietroasele (Buzău) - bis zur Entdeckung des Grabs von Tut Ankh Amun der bedeutendste antike Goldschatz der Welt - der den Ostgoten (5 Jh.) zugeordnet wird.

Die seltenen Scheibenfunde vom Typ Vălcitran aus dem Ende der Bronzezeit geben Rätsel auf: Handelt es sich um Weltennabel, Topfdeckel oder Schilddekorationen?

Schautafeln ordnen die Stücke ihrem Fundort und historischen Hintergrund zu oder erklären Bearbeitungstechniken.
Fotos: George Dumitriu

Majestätisch erhebt sich der gehörnte Vogel mit dem Fisch im Schnabel und dem Hasen in den Klauen wie der Gott der Lüfte über Wasser und Erde. Selten findet man den Fisch unter den magischen zoomorphen Darstellungen der getischen Mythologie. Doch immerhin befinden wir uns in der Dobrudscha. Reichverzierte silberne Kelche, ein Helm mit durchdringenden Augen und geschwungenen goldenen Brauen, ein anthropomorpher Beinharnisch - Funde aus einem prinzlichen Hügelgrab in Agighiol weisen uns auf dieser Zeitreise den Weg ins Reich der Geten...

Wohin unser geistiges Auge auch reist, von der Jungsteinzeit bis zur Spätantike, enthüllt sich ringsum auf kleinstem Raum der unermessliche Reichtum dieses Landes. 6000 Jahre Gold- und Silberschmiedetraditionkönnen in der derzeit noch bis zum 12. Juli in Karlsburg/Alba Iulia gastierenden Wanderausstellung „Das antike Gold und Silber Rumäniens“  im Nationalen Museum Unirii in der Festung Alba Carolina bestaunt werden.

Projekt der Superlative

In gnädige Dunkelheit gehüllt entfaltet sich der überirdische Glanz vergangener Jahrtausende. Beleuchtete Schautafeln ordnen die Exponate ihren Fundorten und Urhebern  zu - Thraker, Daker, Geten, Skythen, Römer oder Goten, erläutern Techniken der Metallurgie und der Goldschmiedekunst und klären über den geschichtlichen Rahmen auf. Die Ruhe in dem kühlen, dunklen Saal täuscht über die Mühen bei der Organisation dieser gigantischen und für Rumänien einmaligen Wanderausstellung hinweg. Allein die Versicherung dieser unermesslichen Schätze kostet 12.000 Lei und bezieht sich auf einen Wert von 70 Millionen Euro.  „Erst am Morgen hatte es wieder eine Warnmeldung gegeben“, erzählt Museumsdirektor Dr. Gabriel Tiberiu Rustoiu, „und wir  mussten die Sicherheitsmaßnahmen verstärken.“

Urheber des wagemutigen Projekts, über tausend extrem wertvolle Exponate aus 31 heimischen Museen durch 14 Städte zu karren, ist der Direktor des Nationalen Geschichtsmuseums in Bukarest, Ernest Oberländer-Târnoveanu.  Die Ausstellung hatte ihr Debüt 2013 in Bukarest und gastierte seither inTemeswar/Timişoara, Großwardein/Oradea, Sathmar/Satu Mare und Hermannstadt/Sibiu,  Klausenburg/Cluj-Napoca, Neumarkt/Târgu Mureş und  seit dem 4. Juni diesen Jahres in Karlsburg. Anschließend reist sie nach Sfântul Gheorghe, Buzău und Craiova. Der Einblick in das  überwältigende Kulturerbe dieses armen, reichen Landes, das eine Kontinuität der Goldschmiedetradition  von der Jungsteinzeit um 5000 vor Christus bis zur Spätantike um 700 nach Christus demonstriert, soll für jedermann in Rumänien möglich sein. Der Eintritt ist frei.

„Es ist die wertvollste Ausstellung seit dem 127-jährigen Bestehen des Nationalen Museums Unirii“, erklärt Direktor Rustoiu. Das Museum in Karlsburg trägt selbst mit 13 Stücken bei, darunter das berühmte Goldcollier aus dem 2. Jh vor Christus mit 27 rhombischen Anhängern, das 2013 von  Schatzsuchern aus der Dakerfestung Capâlna illegal entwendet wurde.

Die Königinnen unter den Schätzen

Wir reisen etwa tausend Jahre weiter: An  der Straße des Weins im Landkreis Buzău, in der hierfür bekannten Gemeinde Pietroasele, schließen wir Bekanntschaft mit den Ostgoten. Lange galt ihre Hinterlassenschaft, der Schatz von Pietroasele, als bedeutendster antiker Goldschatz der Welt, bis ihn die Funde aus dem Grab von Tut Ankh Amun  auf den zweiten Platz verwiesen. Zur Zeit seiner Entdeckung wog der Schatz etwa 40 Kilogramm und bestand aus 22 Stücken. Heute sind davon nur noch 19 Kilogramm in 12 Teilen übrig, darunter auch die berühmte „Glucke mit den goldenen Küken“. Der Schatz, der 1837 von zwei Bauern entdeckt worden war, hat ein abenteuerliches Schicksal an Zerstörugnen und Restraurierungen hinter sich: Um die Stücke für den Verkauf transportabler zu machen, zerhackten sie diese mit der Axt. Erst 1867 wurden sie für die Weltausstellung in Paris erstmals restauriert. 1875 wurde der Schatz erneut gestohlen, 1884 dann vor einem Brand bewahrt, indem man ihn aus dem Fenster warf. Im selben Jahr wurde er in Berlin vom Goldschmied Paul Telge restrauriert, der für das rumänische Königshaus arbeitete. 1917 gelangte  der Schatz von Pietroasele zusammen mit dem gesamten Staatsschatz Rumäniens nach Moskau, von wo er 1956 rückerstattet wurde. Seit der Gründung des Nationalen Geschichtsmuseums Bukarest 1972 ist er Bestandteil der dortigen Schatzkammer.

Ein weiteres Glanzstück der Ausstellung ist der Schatz von Cucuteni-B²iceni. Bei der „gerechten“ Aufteilung des Fundes 1959 zerschnitten die Finder die Blattgoldteile einfach mit der Schere. Spektakulärste Stücke: der Paradehelm und zwei Spiralarmbänder mit Pferdeköpfen aus gebogenem Blattgold.  Das Pferd als solares Symbol war - neben dem Stier und dem Hirschen - auch in thrakischen, hellenistischen, skythischen und orientalischen Kulturen  ein beliebtes Motiv. Auf dem Helm prangt die Darstellung eines Mannes auf dem Thron, der zwei kultische Trinkgefäße vom Typ Phiala und Rhyton hochhält.

Rätsel  geben die Scheiben vom Typ Vălcitran auf.  Nachdem 1924 sieben Stück in Bulgarien entdeckt wurden, gab es 1969 einen Einzelfund in  Călăraşi (Dolj). Ansonsten sind die zwischen 21 und 37 Zentimeter großen Goldscheiben mit bronzenem oder silbernem Aufsatz in der Mitte weltweit Unikate.  Funde in Zentraleuropa suggerieren, dass es  Deckel für Zeremonialgefäße sein könnten.

Der älteste Schatz der Ausstellung  geht auf die Gulmeni]a-Kultur (Sultana/Călăraşi) im 5. Jahrtausend vor Christus zurück. Wie aufgesperrte Münder muten die Löcher in den Blattgoldringen mit augenartigen Perforationen an. Ein Ruf aus der Tiefe der Vergangenheit?  Mit tausendfachem Echo aus allen Vitrinen: Eine unwiderstehliche Einladung zu einer Abenteuerreise in die Tiefen der Antike.