Vom Mekka der Rheumatiker zur Wellness-Oase

Im ungarischen Hajdúszoboszló kommen Jung und Alt auf ihre Kosten

Die Stadt des Wohlbefindens in Ungarn trägt einen nicht so leicht aussprechbaren Namen: Hajdúszoboszló. Fotos: die Verfasserin

Adrenalin-Fans kommen im Aquapark auf ihre Kosten: dort stehen den Badegästen insgesamt 15 Wasserrutschen zur Verfügung.

Eine Besonderheit im Hungarospa: die künstliche Surf-Welle

Mit dem Tretauto kann die ganze Familie durch Hajdúszoboszló fahren.

Die heilende Wirkung des Thermalwassers in Hajdúszoboszló ist längst in ganz Europa bekannt.

In den beiden Thermalbecken unter freiem Himmel warten die Senioren darauf, dass die Massagedüsen angehen. Gleich nebenan liegen zwei weitere Schwimmbecken mit erwärmtem Wasser, in denen mehrheitlich junge Menschen herumplantschen. Ein Stückchen weiter befindet sich ein größeres Becken, das Schwimmer nutzen. Das olympische Becken im hinteren Freibadbereich zieht vor allem die Sportlicheren unter den Badegästen an. Plötzlich ergreift eine junge Frau das Mikrofon und lädt die Freibadbesucher zu einer halben Stunde Wassergymnastik ein. Die Sportlerin führt Bewegungen zu dynamischer Musik vor, während die Badegäste diese im Wasser nachmachen. Die heiteren Songs sorgen für eine lockere Atmosphäre und zaubern auch den anderen, die gerade nicht mitmachen wollen, ein Lächeln ins Gesicht. Der Sommerspaß im ungarischen Hajdúszoboszló hat begonnen.

Der 24.000-Einwohner-Kurort unweit der rumänischen Grenze galt früher als Mekka der Rheumatiker. Praktisch hatte die ungarische Kleinstadt mit dieser Parole geworben, schließlich ist die medizinische Wirkung der Thermalbäder in Hajdúszoboszló unumstritten. Inzwischen aber hat sich Hajdú-szoboszló als Wellness-Stadt neu erfunden. Nicht nur Senioren, sondern auch viele junge Menschen wie auch Familien mit Kleinkindern entscheiden sich für einen Aufenthalt im ungarischen Kurort, der für jeden etwas zu bieten hat. „Unser Ziel ist, alle Altersgruppen anzusprechen. Hier kann man richtig Familienurlaub machen, vom Kleinkind bis zur Oma findet jeder das entsprechende Wasser“, sagt Bianka Domonkosné Végheseö, die Verantwortliche für die Beziehung zu den Badegästen an den drei Hotels der Hungues-Kette, Aqua-Sol, Béke und Apollo, die perfekt Deutsch spricht.

Von Großwardein/Oradea im Kreis Bihor kann Hajdúszoboszló über die Grenze bei Borş erreicht werden. Fast 80 Kilometer sind es aus der Hauptstadt des Kreises Bihor bis dorthin, in maximal einer Stunde und 20 Minuten ist man dort. Hajdúszoboszló ist die bekannteste Thermalstadt in der Großen Ungarischen Tiefebene und befindet sich unweit des Nationalparks Hortobágy. Es gilt als das größte Thermalbad in Ungarn und erstreckt sich über eine Fläche von 25 Hektar. Die Wasserfläche übersteigt 10.000 Quadratmeter. Zahlreiche ungarische Familien zieht es dort hin, aber auch viele Deutsche verbringen gerade außerhalb der Hochsaison einige Wochen in dem beliebten Kurort. Kein Wunder also, wenn die Mehrheit der Hotelmitarbeiter nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch spricht. „Im Hotel Béke empfangen wir zum Beispiel viermal im Jahr Kurgruppen aus Zypern“, erzählt Bianka Domonkosné Végheseö. „Wir haben ausreichend Unterkunftsmöglichkeiten in Hajdúszoboszló. Es gibt Privatunterkünfte, Pensionen und sogar große Hotels, wie Béke mit 200 Zimmern“, fügt sie hinzu. Dank des Direktflugs Moskau-Debrecen (Debrecen liegt nur etwa 20 Kilometer von Hajdúszoboszló entfernt) wurden auch die Russen auf Hajdúszoboszló aufmerksam. Rumänische Bürger - die Mehrheit aus der nordwestlichen Gegend – zieht es oft für Kurzaufenthalte dort hin. Temeswarer können bis Großwardein fahren und von dort in Richtung Grenze. Allerdings ist von einer Fahrtzeit von zirka dreieinhalb Stunden auszugehen, deswegen eignet sich Hajdúszoboszló nicht als Tagesausflugsort, sondern eher für einen mehrtägigen Aufenthalt. Doch keine Sorge, im größten Bäderkomplex Ungarns ist jeder gut aufgehoben und Zeit für Langeweile bleibt kaum.

Das heiße Gold von Hajdúszoboszló wurde vor mehr als 90 Jahren entdeckt. Genauer: im Jahr 1925. Das 75 Grad Celsius warme, jod-, brom-, salz- und hydrogencarbonathaltige Thermalwasser sollte schon bald zum wichtigsten Besuchermagneten werden. Es war aber eher ein Zufall, dass man das Thermalwasser entdeckte – die Geologen hatten damals nach Erdöl und Erdgas gesucht. Der Entdecker der Heilquellen, Pávai Vajna Ferenc, stammte aus dem siebenbürgischen Ciunga/Csongva. Die Statue des Thermalquellen-Vaters steht seit 1989 im „Szent István“-Park in Hajdúszoboszló. Nach ihm wurde auch ein Mineralwasser benannt, das in den Geschäften in der Region um Hajdúszoboszló erworben werden kann und welches Touristen mit Vorliebe kaufen. Die erste Schwimmhalle öffnete ihre Tore schon am 26. Juli 1927. Die einzigartige Zusammensetzung und die Temperatur des Thermalwassers sorgen immer noch dafür, dass den Kurgästen rund 40 Behandlungsarten angeboten werden können. Im Prinzip geht es um Therapien für Rheuma, das heilende Wasser wird aber auch zur Prävention und Entspannung genutzt. Ärzte und Krankenschwestern sorgen dafür, dass den Kurgästen auch die adäquaten Therapien angeboten werden.

Der größte ungarische Bäderkomplex hat seinen Gästen vieles zu bieten. Wer wegen des Thermalwassers kommt, der sollte zunächst das Heilbad aufsuchen, das ganzjährig zwischen 7 und 19 Uhr für Besucher offen steht. Neben den drei Innenbecken stehen den Badegästen auch vier Außenbecken zur Verfügung. Nur 20 Minuten lang soll man sich in dem Becken mit heißem Thermalwasser aufhalten, dann eine Pause einlegen, empfehlen die Ärzte. Das sollte man täglich mehrmals wiederholen. Einen Besuch wert ist auch das „Aqua Palace“, das sogenannte Wasserschloss. Dort stehen im Inneren des Gebäudes mehrere thematische Becken zur Wahl: das Eishöhlenbad, das Kino-Bad, das Thermalbad „Pávai“, das Tropische Bad, das Ganges-Bad, das Römische Bad, das Meeres-Bad und das Höhlenbad. Kinder können sich in der Kinderwelt erfreuen, wo das Wasser niedrig und herumplantschen erlaubt ist.

Bei schönem Wetter halten sich die Badegäste am liebsten im Freibad auf. Das Freibad auf einem zirka 30 Hektar großen Gelände steht vom 1. Mai bis zum 30. September für Besucher offen. 13 verschiedene Becken sind auf diesem Areal anzutreffen, hinzukommen jede Menge Restaurants, sowie Getränke- und Eisdielen. Eine Besonderheit ist hier der mediterrane Badestrand, ein riesiges Becken mit Sandstrand, der einem das Gefühl verleiht, am Meer zu sein. Das Gefühl, sich an der Mittelmeerküste zu befinden, geben einem nicht nur die Palmen, die diesen Bereich zieren, sondern auch das Piratenschiff und der Leuchtturm. Kinder kommen auch im Freien auf ihre Kosten, denn auch hier gibt es einige Becken mit seichtem Wasser, in denen sie herumtoben können.

Nichts für Angsthasen ist der Aquapark, ein separater Bereich des Freibades, für den die Badegäste zusätzlich zahlen. Hier haben Adrenalin-Fans die Qual der Wahl: 15 verschiedene Rutschen stehen zur Verfügung, Riesenrutschen wie Kamikaze, Schwarzes Loch oder Verrückter Fluss gehören unter anderem dazu. Extremsportliebhaber werden sich aber für etwas anderes entscheiden: den Freifall-Tunnel, die Wasserschlinge, die Superwelle oder den Tsunami. Kinder können sich im Abenteuerbecken mit Wasserburg, auf den Minirutschen oder in der Strömungsgasse prächtig unterhalten. „Es gibt hier neun Rutschen von je zwölf Metern Höhe und weitere sechs Rutschen, jede davon 20 Meter hoch“, sagt Hungarospa-Verkaufsleiterin Ruth Csengele Székely. Seit 2000 gibt es den Aquapark – die Extremrutschen kamen 2006 hinzu. „In der Hochsaison halten sich hier etwa 20.000 Badegäste pro Tag auf“, fügt sie hinzu.

Der Badekomplex soll demnächst ausgebaut werden, informierte Hungarospa-Generaldirektor Gyula Gzeglédi. Hinter dem Piratenschiff soll ein Exklusiv-Bereich mit Luxusdienstleistungen eingerichtet werden, ließ er wissen. „Die Arbeiten sollen noch in diesem Jahr beginnen und womöglich schon im Juli nächsten Jahres beendet werden“, sagte er.

Hajdúszoboszló, ein Katzensprung von Großwardein entfernt, ist definitiv eine Reise wert. Außer dem Aufenthalt im Heil- und Freibad können Touristen sich Fahrräder ausleihen und die Gegend erkunden. Wer mit dem Auto anreist, der kann auch einige Ausflüge in die Region unternehmen. Der Horto-bágy-Nationalpark mit seiner Geschichte und Folklore oder der Tierpark in Nyíregyhazá sind nur zwei der Attraktionen, die sich Reisende in dieser Gegend nicht entgehen lassen sollten.