Von den Karpaten zu den Anden

Peru: Besuch im sagenumwobenen Reich der Inkas

Machu Picchu: Blick aus einem von zwei Heißluftballons.

Rafting im Colca-Tal, Arequipa – der Traum eines jeden Extremsportlers.

Was würde  sich ein Siebenjähriger von einer Peru-Reise, auf dem im 16. Jahrhundert von Spaniern und Portugiesen kolonisierten Kontinent, vorstellen? Ich malte mir eine Landebahn zwischen den Bäumen aus, gerade mal so breit, dass ein transatlantischer Flieger darauf landen kann. Man steigt aus und sieht die Einheimischen ums Feuer versammelt neben einem heiligen Tempel ein Ritual vollziehen und sich von berauschten Schamanen die Zukunft vorhersagen lassen.

Ist das nicht eine Szene aus einem Indiana-Jones-Film? Blicke ich nach oben, so sehe ich Affen von Baum zu Baum springen, wobei bei jedem Rütteln paradiesisch bunte Vögel erschrocken in alle Richtungen flattern. Am Amazonas schnappt sich ein Kaiman einen Arapaima Riesenfisch,  so groß wie das Boot der Einheimischen, die gerade das Mittagessen für den ganzen Indianerstamm fangen...

Doch während der Landung keine Spur von alledem. Das Szenario meiner kindlichen Phantasie weicht dem internationalen Flughafen der Metropole Lima, wo uns die Gastgeber nach dem mehr als 16- stündigen Flug empfangen.

Peru weist vielfältige Reliefformen auf, von der Pazifikküste bis zu den Gebirgsketten der Anden mit Gipfeln von über 6000 Metern, von riesigen dürren Wüsten bis zum Amazonas Regenwald. Die bekannteste Rundreise, der zweiwöchige „Gringo Trail“, beginnt wie alle Peru-Rundreisen in der Hauptstadt. Hier lebt fast ein Drittel der Einwohner Perus, dem Land mit einer der erstaunlichsten Zivilisationen – die Inkas. Das 1542 zur Hauptstadt des spanischen Vizekönigreichs Peru erklärte Lima entwickelte sich wegen seiner kulinarischen und kulturellen Angebote, aber auch wegen seines Nachtlebens, zu einer beliebten Touristenmetropole. Dort kann man das beliebteste Gericht Perus –  Ceviche – genießen: frischer, roher Fisch in Limettensaft, mit Chili und Zwiebeln mariniert, dazu gekochte Kartoffeln.

Ein etwas ungewöhnlicheres Gericht ist Cui (gegrilltes Meerschweinchen) – für viele Europäer eher Härtetest als Delikatesse. Peruaner amüsieren sich über die Bemühungen der Gäste, den Cui aus purer Höflichkeit hinunterzuwürgen. Die peruanische Küche lockt durch einen Reichtum an Gerichten  – Meeresfrüchte, Rind, Ziege, aber auch vegetarische Speisen aus Maismehl und den mehr als fünf heimischen Kartoffelsorten.

Lima bietet aber auch kulturelle Sehenswürdigkeiten und koloniale Bauwerke, wie die Plaza de Armas mit der aus 1650 stammenden Bronzestatue, die Kathedrale im Renaissance-Baustil sowie modernere Sehenswürdigkeiten wie die Parkanlagen in Miraflores oder das größte Chinatown Südamerikas.

Unterwegs mit der ganzen Welt

Wer von Lima reisen und nur Cuzco besichtigen möchte, sollte lieber fliegen. Abenteurer können aber auch mit  dem Bus über drei hochgelegene Pässe mit atemberaubendem Blick über tiefe Schluchten nach Cuzco fahren. Entlang der Pazifikküste in Richtung Süden geht es auf dem abenteuerlichen Gringo Trail, beliebt bei Reisenden aus aller Welt. Der nächste Halt ist in der Nähe der Städte Pisco und Paracas. In Pisco steht das peruanische Nationalgetränk Pisco Sour oft auf der Theke – ein aromatischer Cocktail mit Weinbrand. Dort lohnt es sich, einen Ausflug zu dem Nationalreservat Islas Ballestas zu unternehmen, wo eine Vielzahl an Meerestieren, Vögeln, Pinguinen und Seelöwen auf den Inseln und in den Höhlen zu Hause ist.

Eine weitere Station stellt Ica dar, mit stolzen über 200.000 Einwohnern eine große Stadt in dieser Wüstenregion und als Zentrum der Wein- und Pisco-Produktion bekannt. Magisch wirkt die nahegelegene Oase Huacachina. Die riesigen Sanddünen umzingeln eine grüne Lagune mit Palmen inmitten der Wüste. Mit Sand-Buggies fährt man die ungefähr 100 Meter großen Dünen hoch, von wo man wieder nach unten „sandboardet“ – also lässt es sich doch in der Wüste snowboarden, nur eben auf feinem Sand.

Als Nächstes ist das südlich gelegene Nazca an der Reihe. Um die mehr als 2000 Jahre alten, dank der Dürre gut erhaltenen, riesigen Scharrbilder überhaupt sehen zu können, fliegen Begeisterte mit einem Leichtflugzeug darüber. Die Nazcalinien werden als Artefakte von Inkazeremonien bezeichnet. Andere schließen sich den parawissenschaftlichen Theorien an, dass diese Linien von Außerirdischen geschaffen wurden. So oder so ist der 30-minütige Flug ein einzigartiges Erlebnis, da man erstaunlich große Figuren und Formen sowie Abbilder von Menschen, Affen, Vögeln und Walen, aber auch eindrucksvolle Landschaft bewundern kann.

In Arequipa, der weißen Stadt (viele Gebäude wurden aus weißem Vulkanstein erbaut!) mit ihren drei Vulkanen - dem 5822 Meter hohen, kegelförmigen und noch aktiven El Misti, dem 6057 Meter hohen Chachani und dem kleineren Pichu Pichu - gönnt man sich eine längere Pause von der Busfahrt. Arequipa befindet sich 2335 Meter über dem Meeresspiegel und der Besuch wird deshalb oft als Vorbereitung auf die höher gelegenen Stätten Cuzco und Machu Picchu betrachtet. Touristen trinken hier Tee aus Cocablättern, um dank des Wirkstoffes mehr Sauerstoff aufnehmen und der Höhe standhalten zu können.

Die einzigartige Kathedrale in Arequipa und das Kloster Santa Catalina als eines der wichtigsten religiösen Bauwerke aus der Kolonialzeit sind ein Muss. In der Umgebung liegt das Colca-Tal, der zweittiefste Canyon der Welt. Auf der Fahrt zeigen sich Alpaka- und Lamaherden, aber auch wild lebende Vicuńas. Die edle Alpaka-Wolle ist auch in Europa geschätzt und wird hierzulande teurer verkauft.

Am nächsten Tag geht die Reise in Richtung Osten weiter, zur Sierra (Gebirgsland), nach Puno. Auf dem Weg kann man die wunderschöne Landschaft genießen, belebt von Lamas, Alpakas und den Andenflamingos an einer kleinen Lagune. Am Ufer des in über 3800 Metern Höhe liegenden Titicaca-Sees befindet sich die Stadt Puno. Den See teilt sich Peru mit Bolivien. Er ist das höchstgelegene kommerziell schiffbare Gewässer der Erde.

Zu einer der Attraktionen des Titicaca-Sees gehören die schwimmenden Inseln der Urus. Ursprünglich begannen die Urus, schwimmende Inseln aus Schilfwurzeln und Erde zu bauen, um sich vor den kriegerischen Inkas zu schützen. Der See ist aber auch ein Sanktuarium für seltene Tierarten wie der Titicaca-Taucher, der einheimische Titicaca-Riesenfrosch, die Andenkärpflinge und der Schmerlenwels. Eine weitere Besonderheit ist Taquile, die Insel der strickenden Männer. Auf der traditionsreichen Insel gewinnt der Tourismus  an Bedeutung, jedoch wird dieser durch eine Genossenschaft kontrolliert, um sich wirtschaftliche Unabhängigkeit von den Tourismusunternehmen zu bewahren.

Das mystische Hauptquartier der Inkas

Die Krönung der Peru-Reise ist jedoch für die meisten Cuzco, mit dem nahe gelegenen Machu Picchu. Von Puno geht es mit dem Touristenzug weiter. Auf dem fast zehnstündigen Weg wird Musik gespielt und mit etwas Glück kann man die Landschaft aus dem Panoramawagen genießen, vor allem den Blick von dem in 4300 Metern Höhe gelegenen Pass. Der Zug hält in der spirituellen und administrativen Hauptstadt des größten Reichs auf diesem Kontinent, dem Imperium der Inkas. Cuzco wurde zirka 1200 nach Christus von Manco Cápac, dem ersten, mystischen Herrscher der Inkas gegründet. Doch nach der Kolonisierung im 16. Jahrhundert fingen die Spanier an, die Inkastadt abzutragen, um mit den Steinblöcken eine neue Kolonialstadt über dem Inkafundament zu errichten.

Dabei sind wichtig: Die auf den Grundmauern des Palastes des achten Inka Viracocha erbaute Kathedrale, San Blás - eine Kirche mit geschnitzter Kanzel, und das Inka-Museum. Nur wenige der originalen Inka-Bauwerke sind hier übrig geblieben, jedoch gibt es genügend archäologische Stätten in der Nähe zu besichtigen. Drei Kilometer oberhalb von Cuzco befindet sich die Ruine der strategischen Inka-Verteidigungsfestung Sacsayhuamán.

Weiter geht es auf dem Inka-Trail, dem Weg nach Machu Picchu. Auch für geübte Wanderer ist der viertägige Inka-Pfad eine Herausforderung. Er beginnt am Ufer des Urubamba-Tals, dem heiligen Tal, und bietet viele Inkaruinen zur Besichtigung. Die bequemere Variante ist der Zug, am Fluss Vilcanota entlang, bis zu Aguas Calientes. Letztere bestehen nur aus Hotels, Bars, Restaurants und aus Thermalbädern, die dem Ort seinen Namen gegeben haben. Von hier aus fährt man mit dem Bus 400 Höhenmeter bis zu den Ruinenstadt Machu Picchu hinauf.

Die Inkas erbauten die in 2360 Metern Höhe gelegene Stadt im 15. Jahrhundert auf Befehl des Inka-Herrschers Pachacútec Yupanqui, welcher die Grundlagen für die Ausdehnung des mächtigen Inkareiches schuf und den Kult um den Sonnengott Inti einführte. Die Stadt umfasste 216 steinerne Bauten, die auf Terrassen gelegen und mit einem System von Treppen verbunden waren. Die meisten Terrassen sind mit ihren in den Mauern eingebauten Wasserabflüssen und etwa 3000 Stufen bis heute gut erhalten, ebenso wie die Kanalverbindung von der außerhalb der Stadtanlage befindlichen Wasserquelle zu den kaskadenförmig gestaffelten Brunnenbecken, die Außenmauern der Tempel und die der zum Teil mehrgeschossigen Wohnbauten.

Nach der Führung besteigen Abenteurer gerne den 600 Meter höher liegenden Machu Picchu Berg, um noch einen Blick durch den Nebel auf die Ruinen zu werfen. Wieder zurück in der verlorenen Stadt, kann man noch die Inkabrücke besichtigen, die an einer steilen Wand erbaut wurde. Auf dem Rückweg nach Cuzco locken die Ruinen von Ollantaytambo, man kann zum Markt von Pisac fahren, oder mehrere Tagesausflüge in der wunderschönen Landschaft mit Blick auf die schneebedeckten Gipfel unternehmen. Dabei findet man auf den Wanderungen weitere Inkaruinen und kommt an den Salzminen von Maras vorbei.

Der peruanische Regenwald – Sanktuarium der Superlative

Von Cuzco aus beginnt die Reise zum artenreichsten Regenwald-Nationalpark der Welt, dem Manu Nationalpark. Dieser ist wahrhaftig ein Schatz der Natur. Sieben der 16 Ara-Arten Südamerikas leben hier. Von der Stadt Pucallpa aus werden Touren angeboten. Mehrtägige Ausflüge führen die Besucher weit in das Dschungelgebiet hinein, wo man zahlreiche Tiere beobachten und eine artenreiche Pflanzenwelt bestaunen kann. Unter anderem stehen das Fischen von Piranhas und das nächtliche Fangen von Krokodilen im Einbaum auf dem Programm. Unterwegs wird in den Indianerdörfern Verpflegung eingekauft.

Tagelange Bootsfahrten auf dem Versorgungsfrachter, den Rio Ucayali hinunter bis nach Iquitos, unternehmen nur wenige, meist jugendliche Touristen. Diese Abenteuerreise führt noch weiter in den Regenwald hinein. Von Iquitos aus kann man auf dem Amazonas eine Urwaldtour absolvieren. Je tiefer man in den Dschungel eindringt, desto mehr bekommt man zu sehen: Affen, Kaimane, meterlange Fische und die verschiedensten Vogelarten in den dichten und hohen Bäumen stehen auf der Besichtigungsliste. Bäume, so breit, dass erst mehrere Männer sich an den Händen haltend sie umarmen können.

Viele Naturliebhaber kommen nur wegen des Regenwaldes nach Peru. Egal, ob man als Naturfreund, als an Kultur und legendären Zivilisationen interessierter Tourist, als Gourmet oder einfach als Abenteurer auf der Suche nach einer einzigartigen Rundreise durch ein Land der Superlative reist: Eines findet man im Land der Inkas nicht –  Momente der Langeweile.